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Der Tod schleicht zu jungen Asiaten ans Bett

Es sind die Jungen und scheinbar Gesunden, die der Tod heimsucht. Er kriecht zu seinen Opfern in die Schlafzimmer und holt sie, während sie schlummern.

Der plötzliche Tod im Schlaf ereilt ohne jede Vorwarnung junge, asiatische Männer. In Thailand erlagen dem “lai tay” zwischen 1981 und 1997 rund 5.000 junge Männer. Auf den Philippinen hat niemand die Toten gezählt. Die Wissenschafter rätseln über das plötzliche Sterben im Schlafzimmer.

Als kürzlich der bekannte philippinische Schauspieler Rico Yan im Schlaf verschied, machte sich einmal mehr das erdrückende Gefühl der Ohnmacht und der Hilflosigkeit breit. Der 27-Jährige wollte sich einige Tage an einem westphilippinischen Strand erholen. Dann kam der Tod an sein Bett. Fassungslos säumten Zehntausende seiner Fans die Straßen beim Trauerzug. Die Philippiner nennen das unergründete plötzliche nächtliche Todes-Syndrom “bangungot” – Alptraum.

Einige Ärzte sehen Parallelen zum plötzlichen Kindstod in westlichen Ländern – vor allem wohl wegen der Parallele, dass dieses Syndrom genauso wenig aufgeklärt ist. In Thailand und auf den Philippinen sind die Behörden nun aktiv geworden. Das thailändische Gesundheitsministerium betreibt wissenschaftliche Untersuchungen, die die wahren Ursachen des düsteren Phänomens ans Licht bringen sollen. Die philippinischen Kollegen planen eine Datenbank, in der die Todesfälle und ihre Umstände registriert werden sollen.

“Niemand weiß, warum es passiert und wie es passiert”, sagt der philippinische Gesundheitsminister Manuel Dayrit. Noch gibt es nur wenige Anhaltspunkte bei der Spurensuche. “Die Männer, die es trifft, grummeln im Schlaf. Und irgendwann sterben sie”, beschreibt Dayrit die mageren Erkenntnisse.

Eine Spur könnten Jahrzehnte alte Untersuchungen sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ eine städtische Kommission in der philippinischen Hauptstadt Manila alle plötzlich im Schlaf verstorbenen jungen Männer obduzieren. Das Ergebnis: Die Hälfte der Betroffenen litt an einer akuten Entzündung der Bauchspeicheldrüse, erzählt Dayrit. Ein Befund, den auch die Obduktion der Leiche des Schauspielers Rico Yan ergab.

Dayrit warnt aber davor, diese Ergebnisse überzubewerten. Es gebe keinen Beleg für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen einer kranken Bauchspeicheldrüse und dem Tod im Schlaf. Eine solche Erkrankung bei der Hälfte der Opfer sei noch lange kein Beweis. Auch die Tatsache, dass das Phänomen des plötzlichen Todes im Schlaf nur in Asien bekannt ist, spreche dagegen: „Entzündungen der Bauchspeicheldrüse gibt es bei allen Volksgruppen und nicht nur bei Asiaten.”

Somporn Triamchaisri, Wissenschafterin an der medizinischen Fakultät der thailändischen Mahidol Universität, verdächtigt ein Gen als Übeltäter – und zwar jenes, das für die Kontrolle der Schlafphasen zuständig ist. Der plötzliche Tod im Schlaf trete vor allem bei Thailändern, Philippinern und Laoten auf, weiß sie.

Einige Studien in Thailand machen gar die nationale Küche verantwortlich: Die Fischsauce, die gern und häufig verzehrt wird, löse den Tod aus. Andere Studien verdächtigen das Grundnahrungsmittel Reis. Herzrhythmusstörungen, Herzerkrankungen und akute Atembeschwerden werden mit dem plötzlichen nächtlichen Tod in Zusammenhang gebracht und in der wissenschaftlichen Diskussion angeführt. Bewiesen ist nichts. Vor allem vermag keiner der Forschungsansätze zu erklären, warum der Tod im Schlaf so viele junge asiatische Männer trifft.

Einige der Opfer hatten Alkohol getrunken und sich den Magen mit einem schweren Essen vollgeschlagen, bevor sie der Tod im Schlaf ereilte. In seiner Hilflosigkeit greift Gesundheitsminister Dayrit nach diesem Strohhalm und rät: “Asiatische Männer sollten schwer bekömmliches Essen am Abend meiden und auf gar keinen Fall sofort nach der Mahlzeit zu Bett gehen.”

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