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Der rote Mietzins-Populismus

©APA
Von Andreas Unterberger: Populismus ist „eine Politik, die mit scheinbar einfachen Lösungen die Gunst der Bevölkerung zu gewinnen versucht“. So definiert ihn die Google-Suche. Der Duden erklärt den Begriff als „opportunistische Politik, die die Gunst der Massen zu gewinnen sucht“.

Wie man auch immer ihn definiert: Populismus ist eine Haltung, die man mehr oder weniger allen Parteien nachweisen kann, keineswegs nur denen, die neuerdings als „populistisch“ bezeichnet werden. Am meisten aber trifft dieser Ausdruck – und der damit verbundene Vorwurf – auf die Sozialdemokratie zu. Am deutlichsten zeigt er sich in Wien, und zwar beim Themenkreis Mieten und Wohnungen.

Die populistische SPÖ-Politik setzt sich seit Jahrzehnten und bis heute für ein Einfrieren bzw. sogar eine Reduktion der Mieten ein. Das ist – bei den glücklichen Besitzern einer Mietwohnung – populär. Das ist eine scheinbar einfache, eine opportunistische Lösung, die aber langfristig stets zu katastrophalen Folgen geführt hat und immer mehr führt.

  1. Zu einer immens wachsenden Wohnungsknappheit für die, die noch keine Wohnung haben;
  2. zum Ausbleiben eines ausreichenden Wohnungsneubaus;
  3. zum Leerstehen von Wohnungen und Häusern;
  4. zum Horten von schönen großen Altwohnungen durch Hofratswitwen – während Jungfamilien keine passenden Wohnungen finden;
  5. und zum massiven Trend, dass in Wien schöne, das Bild der Stadt prägende Gründerzeitbauten aus Spekulationsgründen abgerissen werden.

Wer Politik gegen die – als ökonomisches Naturgesetz des menschlichen Verhaltens – ja immer wirkenden Marktmechanismen macht, der löst dadurch langfristig immer schlimme Folgen aus. Aber kurzfristig glauben Politiker oft, dadurch Wählerstimmen gewinnen zu können. Was wahrscheinlich auch möglich ist, weil ein Teil der Wähler keine Ahnung von den ökonomischen Zusammenhängen hat, auch wenn diese selbst durch noch so viele Gesetze und Regeln nicht ausgehebelt werden können.

Daher ist die SPÖ in ihrem Populismus nicht bereit, diese Marktmechanismen zu respektieren. Sie glaubt vielmehr seit Jahrzehnten an amtliche Preislimits und Regulierungen. Die Wirtschaftsgeschichte ist jedoch voller Beispiele, wie Limits und Preisregelungen langfristig absolut immer in den Abgrund geführt haben.

Am anschaulichsten war deren Folge 1989 quer durch Osteuropa zu sehen, nachdem dort das gesamte Wohnungswesen nach realsozialistischer Doktrin jahrzehntelang total preisgeregelt war. Die Mieten waren niedrigst – aber die Häuser verfielen und es entstand viel zu wenig Wohnraum. Junge Familien mussten trotz eigener Kinder bis zu 10 oder 15 Jahre warten und derweil in einem Kabinett der elterlichen Wohnung hausen, bis sie eine Ein- oder Zweizimmerwohnung in einem staatlichen Plattenbau bekamen. Diese waren dann so schlecht gebaut, dass viele von ihnen inzwischen abgerissen werden mussten.

Nun, in Österreich hat es zum Glück nicht so eine totale Preisregelung, nicht so eine totale Abschaffung des bösen „Kapitalismus“ gegeben. Aber seit dem ersten Weltkrieg gibt es eine vor allem in Städten wirksame teilweise Preisregelung. Mit eben teilweise schlimmen Folgen. Und jetzt versucht die SPÖ darüber hinaus sogar, die eigentlich im Gesetz stehende alljährliche Inflationsanpassung der diversen Miet-Kategorien zu verhindern. Statt endlich zu begreifen, dass die Marktregeln immer wirken, und in eine komplett andere Richtung zu marschieren.

Einige Folgen des österreichischen Teilsozialismus:

  • Das Mietsystem ist so kompliziert, dass sich nur noch sehr wenige Experten darin komplett auskennen, dass es mindestens ein Dutzend komplett verschiedene Preisbildungs-Mechanismen gibt, je nachdem wann und wie ein Haus gebaut worden ist, wo es liegt, wem es gehört. Das verwirrt weit mehr, als dass es Ordnung schafft. Dazu kommt die ständige sozialdemokratische Drohung, dass auch in jenen Nischen, wo freie Preisbildung eigentlich noch möglich ist, künftig eine Mietregulierung greifen soll.
  • Folge: Das veranlasst natürlich Investoren zusätzlich zur Zurückhaltung. Man muss ja immer mit dem Schlimmsten rechnen.
  • Eine weitere Folge: Alte Menschen belegen oft riesige Wohnflächen, obwohl sie verwitwet sind, die Jungen längst weggezogen sind, und sie als Alleinstehende eine so große Wohnung gar nicht haben wollen. Aber jeder Wechsel auf eine kleinere, altersangepasste Wohnung wäre für sie absurderweise teurer.
  • Eine weitere Folge hängt zugleich auch mit der (übrigens ebenfalls von den europäischen Linksparteien unterstützten) Nullzins-Politik der Europäischen Zentralbank zusammen, mit denen Schuldnerstaaten wie Italien auf Kosten der Sparer vor dem Kollaps gerettet werden. Immer mehr Menschen horten deshalb Immobilien, die gar nicht benutzt werden. Das ist trotz massiven Zuschlagens der Steuer (ImmoEst) noch immer eine weit bessere Geldanlage, als wenn man das durch einen Verkauf erzielbare Geld auf die Bank legen oder in Anleihen investieren würde.
    Ich bin erst dieser Tage einer Frau begegnet, deren Mann verstorben und deren Kinder ins Ausland gezogen sind, die ganz allein Eigentümerin von vier Immobilen ist (darunter zwei Einfamilienhäuser in Wien), die darunter stöhnt, dass sie unter anderem reihum Gärten betreuen muss. Es wäre aber dennoch für sie wirtschaftlich unsinnig, irgendwelche Objekte zu verkaufen und das Geld auf die Bank zu legen.
  • Eine weitere Folge: Viele Eigentümer von Altbauten überlegen fieberhaft, wie sie die Gebäude abreißen können, damit sie einen Ertrag ihres eingesetzten Kapitals sehen. Daher lassen sie oft jahrzehntelang Wohnungen freistehen, bis die letzten Mieter in den anderen Wohnungen wegsterben. Dann fahren über Nacht die Bagger auf (die Abbruchsbewilligungen besorgt man sich entweder durch die in diesem Bereich immer mehr grassierende Korruption oder durch eine gezielt mittels jahrelanger Nichtsanierung herbeigeführte Baufälligkeit). Dann entsteht ein – meistens gesichtsloser – Neubau, wo man dann teuer frei finanzierte Eigentumswohnungen verkaufen kann. Für die weniger Begüterten entsteht so aber ein immer größerer Wohnungsmangel.
  • Eine weitere Folge: Viele Vermieter wollen lieber Büros als Menschen als Mieter haben. Bei Büros ist der Mietpreis nicht nur frei, dort befürchtet man auch keinen sonderlichen weiteren Angriff des seit Jahren in roten und grünen Parteiprogrammen stehenden Miet-Regulierungs-Populismus. Deswegen gibt es in Wien immer wieder ein Überangebot an Büroflächen und zugleich riesigen Wohnungsmangel.
  • Eine weitere Folge ist die gleichzeitige Verschärfung der Wohnungsknappheit durch den massiven Migranten-Zuzug nach Wien.

Mit einem Satz: Eine Freigabe der Mietpreisbildung für Neuvermietungen in alten wie neuen Häusern und eine Ermöglichung der Inflationsanpassung für alte Mieten wäre der weitaus stärkste Dynamo, um wieder viel mehr Wohnungen auf den Markt zu bringen, und um die schlimmen Zerstörungen des Stadtbildes durch Spekulanten abzubremsen.

Diese fundamentale Grundregel kann übrigens durchaus weiterhin mit drei sinnvollen, aber den Marktmechanismus nicht blockierenden sozialen Regelungen verbunden werden:

  1. Schutz der Mieter gegen unbegründete Vertragsbeendigungen durch den Vermieter (zum Unterschied von Deutschland und von Geschäftslokalen in Österreich, wo Kündigungen bei unbefristeten Verträgen möglich sind).
  2. Verbot willkürlicher, über die Inflation der letzten Jahre hinausgehender Zinserhöhungen bei bestehenden Verträgen.
  3. Soziale Hilfen für konkrete Einzelfälle, die durch die Miete unzumutbar hoch belastet würden.

Aber noch einmal sei es gesagt: Es wäre die allersozialste Politik, wenn man das derzeit reichlich vorhandene private Geld zu Investitionen in die Wohnungsschaffung und in die Nutzung eigentlich existierenden Wohnraums lenken könnte, als wenn dieses Geld ins Ausland, in (sehr oft wiederum ausländische) Aktien, in Gold, in Bitcoins, in Spekulationsgeschäfte, in nicht benutzte Immobilien fließen würde.

Dass die öffentliche Hand, insbesondere die Gemeinde Wien, trotz der gewaltigen Steuerlast den wachsenden Bedarf an Wohnraum immer weniger decken kann (obwohl ihr in Wien schon ein volles Drittel des existierenden Wohnraums gehört!), sollten selbst Sozialdemokraten in den letzten Jahren gelernt haben. Was sie bis auf ein paar ganz verstockte Ideologen wohl auch haben – nur ziehen sie nicht die Konsequenzen. Weil sie glauben, das Gift des Populismus zu Zwecken der Wählerbestechung dringender zu benötigen als neuen Wohnraum.

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.

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