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Der „Ring des Nibelungen“: Regie-Meilensteine in der Götterwelt

Wagner, Chereau und Kupfer sorgten für inszenatorische Höhepunkte in der Ringwelt - Inszenierungen, die Aufsehen erregten.

Egal ob Richard Wagner selbst, Patrice Chereau oder Harry Kupfer – öffentlichwirksame Regie-Meilensteine beim „Ring des Nibelungen“ konnten seit jeher nur an einem Ort gesetzt werden:
Bayreuth. Und während sich andere Regisseure weltweit abmühten, Drachen und Rüstungen in die Opernhäuser zu pflanzen oder ein kleines Skandälchen zu provozieren, überschattete der magische Ort der Festspiele schon immer alles andere.

1876 erfolgte die Uraufführung des vollständigen Werks in der Inszenierung Richard Wagners in Bayreuth. Das Bühnenbild stammte dabei von Joseph Hoffmann, die Kostüme von Carl Emil Doepler. Die gesamte Musikwelt pilgerte nach Oberbayern – auch ein Meilenstein für die gekonnte Selbstinszenierung und das Marketing Wagners. Zwei Jahre hatte er an der Produktion gebastelt und einen – eigentlich unmöglichen – Purismus geschaffen, an dem sich Wagnerianer ein Jahrhundert orientieren sollten.

Wagners Anweisungen für die Gewänder waren schlicht, die Regie inszenatorische Archäologie. Seine Szenenanmerkungen beschränkten sich in diesem Punkt meist auf eine Bemerkung darüber, ob der Künstler bewaffnet oder unbewaffnet auftreten sollte. Doepler stütze sich für seine Kostüme auf literarische Beschreibungen Cäsars, Sallusts oder des Tacitus. Cosima Wagner übte harsche Kritik und fühlte sich an Indianerhäuptlinge erinnert. Die Bayreuther Inszenierung wurde in der Presse von Gegnern als „musikalisch dramatische Affenschande“, „Alliterationsgestotter“ und „Rheingoldaquarium“ verrissen. Auch Wagner selbst war unzufrieden und sah in der Aufführung sein angestrebtes Ideal nicht als erreicht an. Finanziell hoch verschuldet verkaufte er Fundus und Aufführungsrechte.

Es musste genau hundert Jahre dauern, um den nordischen Fantasy-Mief aus den Mauern Bayreuths zu verbannen – was immerhin in Handgreiflichkeiten und andauernden Protesten endete. Dabei war Chereaus „Jahrhundertring“ nicht einmal gegenwartsbezogen, sondern spielte im 19. Jahrhundert, der Zeit der Frühindustrialisierung. Zahlreiche Altwagnerianer formierten sich zu einer Bürgerinitiative, die nachdrücklich „Werkschutz für Wotan“ forderte. Und auch das Orchester stemmte sich gegen das Dirigat von Pierre Boulez. 1980, nach den letzten Aufführungen in Bayreuth, war der Zorn begeisterter Zustimmung gewichen: Mit einem überschwänglichen Applaus von neunzig Minuten Länge und 101 Vorhängen wurde die Inszenierung verabschiedet.

1988 kam Harry Kupfer nach Bayreuth und machte jene, die sich eben erst vom Schock durch Chereau erholt hatten, mit der ostdeutschen Art zu inszenieren bekannt. Mit Daniel Barenboim hatte er einen Gefährten am Pult, wie ihn Chereau mit Boulez hatte. Lack und Leder, Laserspiele: Kupfer hatte alles getan. Eine „Straße der Geschichte“ konnten aber längst nicht mehr so provozieren, wie der „Jahrhundertring“. Trotzdem blieb Unmut unter den Puristen – teils bis heute.

Doch nicht alle strebten nach Neuerung: Von den vielen Rückblicken auf romantische Deutungen bei der Inszenierung des „Rings“ war jener des Österreichers Otto Schenk wohl eine der beachtenswertesten. Er hatte in die Metropolitan Opera – ganz nach ihrer Tradition – Drachen, Regenbogen und Märchenwald gepfercht und für einen Publikumsrenner gesorgt.

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