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Deppen der Nation

Touristen in Kroatien.
Touristen in Kroatien. ©APA/AFP/DENIS LOVROVIC
Gastkommentar von Johannes Huber. Weil einige Partys feiern, müssen sich Junge jetzt auch noch anschnauzen lassen. Als hätten sie nicht schon genug abbekommen.

„Gesundheitsminister schnauzt junge Urlauber an“, titelte die deutsche Funke-Mediengruppe über Rudolf Anschobers Schelte für jene Noch-nicht-Alten, die Partys an der kroatischen Küste feiern würden: „Reißt Euch zusammen und übernehmt auch Verantwortung!!“

Das ist also die neue Politik: Verpfuschte Verordnungen und hemdsärmelige Sprüche. Wobei man natürlich immer berücksichtigen muss, unter welchen Umständen das alles stattfindet. Die größte Krise nach dem Zweiten Weltkrieg und der Stress, der damit zusammenhängt, erklärt viel, aber nicht alles.

Was der Gesundheitsminister lieferte, war einerseits der Versuch, jungen Leuten klipp und klar zu sagen, wie ernst die Sache ist. Andererseits aber ist es bezeichnend dafür, dass Junge die Deppen der Nation sind. Oder hat Anschober oder ein anderes Regierungsmitglied schon einmal so mit Umweltschützern, Managern oder Superreichern geredet? Hat Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) diese Woche dem AUA-Vorstand etwa erklärt, dass er die geplanten Erfolgsprämien abstürzen lassen müsse, weil er sonst seinen Abflug checken werde? Nachsatz: „Verstanden, Burschen?!“

Eben: Was bei allen anderen undenkbar ist, geht bei den Jungen. Bei ihnen ist eh schon alles egal. Sie zählen nicht. Gerade sie, die sich austoben können sollten, dürfen das derzeit (wie alle anderen) nur sehr eingeschränkt tun. Gerade sie, die am wenigsten zu Jobs kommen, werden mit keinem Zukunftsprogramm bedacht. Es gibt keine Sonderentlastung für Berufseinsteiger, keine vorübergehende Abschaffung von Lohnnebenkosten, die die eine oder andere Anstellung erleichtern könnte, nichts dergleichen.

Während für Ältere schon die nächste Pensionsrunde mit (zumindest) vollem Teuerungsausgleich läuft, müssen die Jungen in Krisenzeiten wie diesen die größten Einkommensverluste hinnehmen. Nein, das ist jetzt kein Schüren eines Generationenkonflikts; dieser Vorwurf ist zu billig. Es geht darum, dass die Nachteile der Jungen von der Politik nicht einmal ignoriert werden.

Sie haben keine Priorität. Warum auch? Sie sind so wenige geworden, dass mit ihnen keine Wahl mehr zu gewinnen ist. Andererseits aber sollen sie, denen das Virus am wenigsten anhaben kann, liefern und sich zum Schutz aller anderen zurückhalten. Allein dafür hätten sie ein bisschen Respekt verdient. 

Doch das spielt’s nicht. Wie schon Altkanzler Christian Kern (SPÖ) hat der amtierende Regierungschef Sebastian Kurz (ÖVP) Tablets für Schüler versprochen. Auf einer Reise nach Singapur und Hongkong hätten er und Bildungsminister Heinz Faßmann einen „bildungspolitischen Meilenstein“ präsentiert, so die Tageszeitung „Österreich“ am 31. August 2018: „Wir wollen ein digitales Klassenzimmer schaffen“, erklärte Kurz.

Die Coronakrise ist der Umsetzung zuvorgekommen. Mit verhängnisvollen Folgen. Lehrer und Schüler (und Eltern) waren mit dem Homeschooling überfordert, eine Generation läuft Gefahr, bildungsmäßig den Anschluss zu verlieren. Wer geglaubt hat, dass Faßmann den Sommer genützt hat, um für einen allfälligen nächsten Lockdown alles vorzubereiten, irrt. Es gab zum Beispiel keine Initiative, schnell Laptops aufzutreiben; ja nicht einmal einen Aufruf an alle Bürgerinnen und Bürger, gebrauchte Geräte für benachteiligte Schülerinnen und Schüler zur Verfügung zu stellen und bei der Gelegenheit gleich auch eine Patenschaft zu übernehmen. „Team Österreich“ quasi. Doch Schluss mit der Träumerei: Laptops werden erst ab 2021/22 eingeführt. Schrittweise. Wenn die Pandemie (hoffentlich) vorbei ist.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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