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Wiener Parkpickerl: Das sagen Betroffene dazu

Ab 1. März gilt das Wiener Parkpickerl im ganzen Stadtgebiet.
Ab 1. März gilt das Wiener Parkpickerl im ganzen Stadtgebiet. ©Vienna.at/Redaktion
Ab dem heutigen 1. März wird das Wiener Parkpickerl und die Kurzparkzone auf alle Bezirke der Stadt ausgeweitet. Vienna.at hat sich zur Meinung der Wiener in der Donaustadt und Floridsdorf umgehört.
Neues Wiener Parkpickerl ab 2022
Probleme bei Online-Antrag für Wiener Parkpickerl

Die Geltungszeit und Dauer wird vereinheitlicht - auch in den bestehenden Kurzparkzonen - auf zwei Stunden von Montag bis Freitag von 9.00 bis 22.00 Uhr festgesetzt. Anrainer können eine Abstellberechtigung ("Parkpickerl") für ihre Fahrzeuge beantragen. Das Pickerl kostet künftig einheitlich zehn Euro pro Monat. In 19 von 23 Bezirken gab es schon das Parkpickerl. In den Bezirken Hietzing, Liesing, Floridsdorf und Donaustadt wird es mit 1. März eingeführt. In Simmering wird das Parkpickerl auf den ganzen Bezirk ausgeweitet.

Vienna.at hat sich in den beiden flächengrößten Bezirken Wiens, Donaustadt und Floridsdorf, umgehört. Wie das Parkpickerl dort angekommen ist, erfahren sie hier.

Was aus der Idee für ein Gratis-Parkpickerl für alle Wiener wurde

Für viele ist das Parkpickerl darum ein Problem, weil sie in einem Bezirk arbeiten und in einem anderen Wohnen. Noch im Jahr 2019 hat Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) daher von der Idee eines „individualisierten Parkpickerls“ in Wien gesprochen. Dabei sollte je nach Lebenssituation jene Zonen vom Parkpickerl umfasst werden, in denen man real parkt. „Es sollte für die Menschen die Möglichkeit geben, dass die Leute sich einen zweiten Bezirk beim Parkpickerl aussuchen können“, fordert auch der Donaustädter Bezirksrat Thomas Huger.

Der Donaustädter Bezirksvorstehers Ernst Nevrivy (SPÖ) soll 2019 ein Gratis-Parkpickerl für alle Wiener gefordert haben. Nevrivy widerspricht dem: „Ich war gegen das Parkpickerl in seiner bisherigen Form und habe nie von einem Gratis-Parkpickerl gesprochen, das wurde nur von manchen so interpretiert. Ich habe immer von einer Lösung für ganz Wien gesprochen und war gegen einen Fleckerlteppich, wie es ihn bisher gab. Die ursprüngliche Idee war eine Regelung mit einem Landesgesetz, mit dem man neue Regelungen hätte schaffen können.

Da wäre vieles denkbar gewesen, in der Donaustadt hätten damit z.B. nur die Nicht-WienerInnen kostenpflichtig stehen können. Denn in der Donaustadt haben bisher täglich 17.500 PendlerInnen geparkt, davon aber nur die Hälfte WienerInnen und ich wäre durchaus zufrieden gewesen, wenn sich die Zahl der Einpendelnden halbiert hätte. Dieser Lösungsansatz, der von der ehemaligen Verkehrsstadträtin kam, musste aber verworfen werden, da sich herausstellte, dass man mit einem Landesgesetz nur ein Abgabengesetz machen kann, aber die Begrenzung der Parkdauer nicht regeln kann. Die Begrenzung der Parkdauer ist aber natürlich wesentlicher Bestandteil des Parkraummanagements.“

„Mit dem Auto brauche ich zehn Minuten“

Das bekümmert auch die Donaustädterin Regin Mang (55). Für sie rechne sich das Parkpickerl nicht, das sie in ihrer Wohngegend Aspern eine Parkgarage besitzt, da es dort wenig Parkplätze gäbe. Für den Besuch bei Freunden oder dem Hallenbad müsse sie aber zahlen. „Das Parkpickerl im 22. Bezirk finde ich lächerlich, weil die Öffi-Verbindungen vom 22. Bezirk in den 21. Bezirk furchtbar sind. Mit dem Auto brauche ich von meiner Wohnung ins Donauzentrum 10 Minuten, mit Öffis eine knappe Stunde“, erklärt Mang.

Die 55-Jährige kritisiert: „Mich stört beim Parkpickerl vor allem, dass ich trotz Tiefgarage, die mir 100 Euro im Monat kostet, wenn ich ins Hallenbad, Massieren oder zu Freunden fahre, Mehrkosten habe. Und unter Umständen bekomme ich trotzdem keinen Parkplatz. Das Hallenbad z.B. wäre mit den Öffis zwar erreichbar - aber wieder: mit dem Auto fahre ich von mir bis zum Donaustädter Hallenbad nur zehn bis 15 Minuten, mit den Öffis gute 45 Minuten und zehn Minuten muss ich dann zu Fuß zum Hallenbad gehen. Wenn ich aber mit dem Auto komme, muß ich mich alle zwei Stunden umparken. Nicht gerade ideal, wenn ich schwimmen bin.“ Busse und Straßenbahnen bräuchten, so Mang, oft ewig und sind immer stark vom Verkehr abhängig. Zu dem Problem der Donaustädterin sagt Nevrivy: „Da haben die Leute Autos und eine Garage und dann können sie sich das Pickerl um 10 Euro im Monat nicht leisten. Das ist der Versuch das Parkpickerl schlecht darzustellen.“

Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (SPÖ) kann die Kritik an den öffentlichen Verkehrsmitteln in der Donaustadt nicht nachvollziehen:„Wien hat seine Aufgaben zum Öffi-Ausbau für Einpendelnde gemacht, in der ganzen Stadt gibt es flächendeckend Öffis. Das Problem liegt außerhalb der Stadtgrenze für die nach Wien Einpendelnden, dort sind allerdings die Bundesländer säumig. In Wien selbst sind die öffentlichen Verkehrsmittel bis zur Stadtgrenze vorhanden.“

„Nachbuchen ist bekanntlich verboten“

Auch dem ehrenamtlichen Musiker und ehemalige ÖVP-Bezirksrat Günther Triembacher mache die Parkpickerl-Ausweitung Probleme. Der Donaustädter spielt ehrenamtlich in verschiedenen caritativen Einrichtungen auf Spendenbasis. Die Kurzparkzonen kommen ihm teuer. „Mir geht es ja nicht um die Gebühren. Ich nütze öffentlichen Raum, dann zahl ich auch gerne. Aber ich möchte nachdrücken oder buchen können. Mein konkretes Problem ist, wenn ich in Heimen spiele und musiziere, ist es Nachmittag. Meistens ist es 15 Uhr. Ich muss um 14 Uhr aufbauen und Soundcheck machen. Die Leute wollen tanzen und ich muss um dreiviertel Vier dann sagen, Entschuldigung, ich muss mir einen neuen Parkplatz suchen. Das Nachbuchen ist ja bekanntlich verboten. Ich habe vor allem im 11., 13., 21. Und im 22. Bezirk gespielt.“ Auch anderen Künstlern, Lehrern, Pflegekräften und Ärzten ginge es ähnlich wie ihm, erklärt Triembacher.  

Zum Fall des ehrenamtlichen Musikers Günther Triembacher, sagt Nevrivy: „In großen Teilen in Wien gibt es bereits das Parkpickerl. Viele tun so als würde die Welt einbrechen. In den restlichen Bezirken funktioniert das auch. Die Leute müssen sich dann auf einen Privatparkplatz stellen oder einen Garagenplatz zahlen und noch besser wäre es sie würden öffentlich fahren. Musikinstrumente kann man transportieren lassen. Das ist ein konstruierter Einzelfall, wegen dem man das Parkpickerl dann nicht einführen sollte.“

„Keine Unterstützung von hektischen Öffi-Benützern“

Der Pensionist und Gerasdorfer, Kurt Langer war ehemaliger Autobus-Lenker der Wiener Linien. Er kennt das Problem vieler Pendler und ist selbst nicht überzeugt vom Parkpickerl. „Ich bin bisschen gehbehindert und da ist es mühsam viele Minuten lang zu gehen. Das Öffi-Netz ist ganz ok, aber es ist sehr mühsam mit den Öffis zu fahren. Mütter mit (mehreren) Kindern oder Einkäufen fürs tägliche Leben, Gebrechliche, Langsamere oder nicht mehr so Standsichere erfahren keine Unterstützung der anderen, hektischen Öffi-Benützer. Grundsätzlich ist unsere Anbindung gut im 21. Bezirk, sobald man einmal in Stammersdorf ist, aber bis dahin ist es mühsam“, erklärt der Pensionist. Der Gerasdorfer würde mehr Park- und Rideanlagen in der Innenstadt und an den Stadträndern begrüßen. „Für Pendler wäre klüger ein Öko-Ticket ZU installieren, damit die Leute am P+R stehen und auf Öffis umsteigen können. Und dadurch wäre ein Parkplatz und Öffibenutzung gemeinsam bezahlt, erklärt Langer.

Der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy entgegnet der Frage nach Park- und Ride-Anlagen an der Stadtgrenze so: „Es ist viel zu wenig in den Bundesländern in Niederösterreich und Burgenland passiert. In Wien hat man in allen Stationen Park- und Ride-Anlagen angelegt. Wir bauen bei der U2 Aspern Nord eine weitere Parkgarage für 1.800 Fahrzeuge.  Mir wäre lieber, die aus den Bundesländern notwendige Fahrten würden nur bis zu einer Park- und Ride-Anlage in Niederösterreich erfolgen, wo dann ein Umstieg auf die Öffis erfolgt.“

Auch der Donaustädter Bezirksrat Thomas Huger ist als Donaustädter, der in seinem bürgerlichen Beruf in Floridsdorf arbeitet, selbst vom Parkpickerl betroffen. „Es sind einfach Mehrkosten, die man stemmen muss. Öffentlich fahre ich eine Stunde und zehn Minuten bis zur Siemensstraße in Floridsdorf. Mit dem Auto fahre ich maximal 25 Minuten."

„Ich habe zwar einen Firmenparkplatz, den ich nur wegen der Parkraumbewirtschaftung gemietet habe, aber die Mehrkosten sind es, die mich stören. Meine Frau und ich müssen zweimal Parkpickerl zahlen, für zwei Autos und der Firmenparkplatz. Da sind über 800 Euro Mehrkosten im Jahr“, so Huger weiter. Bis zur Donau würden Autos weniger werden. n den Flächenbezirken Floridsdorf und Donaustadt nehmen Autos und Verkehr immer noch zu.  Das sei nicht nur auf ein schlechteres Öffi-Netzwerk zurückzuführen. „Das sind die großen Entfernungen. Man muss sich vorstellen die Donaustadt hat die Fläche von Paris - ohne Vororte. Nur mit einer U-Bahn in die Seestadt geht sich das nicht aus.“

Auswirkungen auch auf Niederösterreich

Auch auf Niederösterreich hat die Ausweitung des Parkpickerls eine Auswirkung. Viele Niederösterreicher arbeiten in Wien. Vor allem Ärzte und Lehrer forderten eine Ausnahme beim Parkpickerl. Diese Forderung unterstützt Elisabeth Herzog (56), Erzieherin in der De La Salle Schule in Strebersdorf, nicht. Dennoch erschwert das Parkpickerl der Niederösterreicherin den Weg in die Arbeit: „Ich selbst arbeite seit 40 Jahren an diesem Standort in Strebersdorf und wohne in Hagenbrunn. Das ist fünf Kilometer von der Wiener Stadtgrenze entfernt. Ich bekomme eine kleine Pendlerpauschale, weil die Öffis mich nicht günstig zu meiner Arbeit bringen. Ich bräuchte eineinhalb Stunden zur Arbeit für nicht einmal zehn Kilometer! Dabei müsste ich nach Korneuburg fahren und dann mit der Schnellbahn weiter. Die Fahrt zu meinem Park and Ride Platz in Korneuburg hat dieselbe Länge, wie zu meinem Arbeitsplatz. Das macht keinen Sinn.“ Daher wird die Hagenbrunnerin auch in Zukunft mit dem Auto zur Arbeit fahren. „Bei unserer Schule können wir um 1,50 Euro am Tag auf einem Privatparkplatz parken. Das ist mein Glück, sonst könnte ich mir das nicht leisten. Gott sei Dank hat das die Schule möglich gemacht“, erzählt Herzog.

Die ÖVP übt eine ähnliche Kritik. Viele Fachkräfte aus Niederösterreich oder dem Burgenland würden sich auf Grund des Parkpickerls einen anderen Job suchen. Zur Kritik der ÖVP, meint der Donaustädter Bezirksvorsteher: „Es wundert mich, dass das die ÖVP das sagt. Sie konnten dieses Problem in den Bezirken, wo die ÖVP verantwortlich ist und das Parkpickerl schon eingeführt ist, auch dieses Problem lösen. Aber nachdem es 18 Bezirke geschafft haben, werden auch wir es in der Donaustadt schaffen.“

Kritik kommt vor allem von ÖVP und FPÖ

Die Wiener ÖVP ist gegen das flächendeckende Packpickerl. Dies brachte sie auch mit der weniger gelungenen Kampagne „Mit dem #Parkpickerl für viele nicht mehr möglich“ zum Ausdruck. Die ÖVP kritisiert, dass es kein Zonenkonzept gibt und fordert ein digitalisiertes Modell. Die FPÖ fordert eine gratis Abstellerlaubnis für Wiener Autobesitzer in der ganzen Stadt. "Nur weil sich die SPÖ nun intern endlich einig ist, ist das noch lange keine Reform", kritisierte Wölbitsch. Sima habe sich nach einem Rundruf bei ihren SPÖ-Parteikollegen in den Bezirken einfach auf deren kleinsten gemeinsamen Nenner festgelegt, ist ÖVP-Klubobmann Markus Wölbitsch überzeugt.

Dazu Ernst Nevrivy: „Die ÖVP ist diesbezüglich aber nur bedingt glaubhaft – denn sie hat es sogar geschafft, in einem Bezirk über das Parkpickerl abzustimmen und es dann entgegen des Abstimmungsergebnises trotzdem einzuführen.“

Störung bei Online Anträgen des Parkpickerls

Anfang Februar kam es dazu auch noch zu einer Störung bei den Online-Anträgen für das Parkpickerl. Die vielen Ansuchen überlasten die Server, die außerdem immer wieder von einer E-Mail-Flut durch Cyber-Angriffe strapaziert werden und somit nicht erreichbar waren. Auch gab es von Seiten einiger Mitarbeiter in den Bezirksämtern Kritik an der Kommunikation der Stadt Wien.

Zu diesen Vorwürfen sagt Newrivy: „Es ist eine Tatsache, dass das Pickerl nicht gleich da ist, wenn man es beantragt. Die Wiener können es aber schon seit 1. Dezember beantragen, ich denke, dass das die Donaustädter schaffen werden. In allen Erklärungen und Informationsbroschüren der Stadt wird auf Gebühren und Abläufe hingewiesen, womit klar sein sollte, dass es länger als zwei Tage dauern kann.“

Newrivy: Die Kommunikation der Stadt Wien sei klar gewesen

Auch die Kommunikation der Stadt Wien sei, laut Donaustädter Bezirksvorsteher klar: „Ein Pickerl kostet so und so viel und die Bearbeitungsgebühr kostet so und so viel, das ist klar kommuniziert auf allen Kanälen. Es wird immer Einzelfälle geben, wo man Kritik konstruieren können. Gebühren sind immer unangenehm. Ich hätte auch gerne Strom und Gas umsonst. Grundsätzlich sind Gebühren immer unangenehm, aber ich denke die Kosten der Beträge sind klar kommuniziert. Grundsätzlich war und ist die Kommunikation von Stadt Wien sehr gut."

Auf die Frage ob weitere öffentliche Querverbindungen zwischen der Donaustadt und Floridsdorf geplant sind sagt Ernst Nevrivy (SPÖ): „Die Straßenbahnlinie 25 wird verlängert und davor kommt noch die neue Linie 27. Der Wunsch zusätzlicher Querverbindung wäre grundsätzlich immer da. Aber das riesen Problem zwischen Donaustadt und Floridsdorf sind die großen Dimensionen. Bei jeder Haltestelle verlieren sie 1 bis 2 Minuten, da sind Sie mit dem Auto immer schneller. Auch eine zusätzliche Autobuslinie hätte viele Haltestellen. Wünschenswert wäre es dennoch, aber derzeit ist nichts geplant.“

Mehr Infos zum Thema Parken in Wien finden Sie in unserem Special.

(cor)

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