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Coronavirus: Regierung gibt am Samstag weitere Verschärfungen bekannt

Am Samstag will die Regierung weitere Verschärfungen bekanntgeben.
Am Samstag will die Regierung weitere Verschärfungen bekanntgeben. ©APA/HERBERT NEUBAUER
Am Samstag wird die Bundesregierung weitere Verschärfungen zur Eindämmung der Coronakrise bekanntgeben. Zuvor wird die Regierung noch Gespräche mit den Sozialpartnern, Parlamentsparteien und Landeshauptleuten führen.

Die Bundesregierung wird am Samstag bekanntgeben, welche weiteren Verschärfungen zur Eindämmung der Coronakrise umgesetzt werden. Das sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag nach einer Expertenrunde zum Thema "Bettenkapazität" im Kanzleramt. Zuvor wird die Regierung am Freitag mit den Sozialpartnern Gespräche führen, am Samstag dann mit den Parlamentsparteien und den Landeshauptleuten.

6.000 Neuinfektionen pro Tag würden Gesundheitssystem überfordern

Man habe am Donnerstag mit den Experten die Frage erörtert, ab welchem Wert der Neuinfizierten das heimische Gesundheitssystem überlastet wäre - und ob dieser wie von ihm bereits vor zwei Wochen geschätzt bei 6.000 positiven Fällen pro Tag liegt. "Das wurde uns so bestätigt", sagte der Kanzler. Derzeit habe man rund 4.500 Neuinfizierte. Viel relevanter sei aber, dass sich diese Zahlen derzeit im Schnitt innerhalb einer Woche verdoppeln, betonte Kurz.

Eine Überlastung des Gesundheitssystems würde nicht nur bedeuten, dass geplante Operationen verschoben werden müssten, sondern im Extremfall auch, dass Ärzte entscheiden müssen, wem geholfen wird oder nicht. "Das ist eine Situation, die werden wir nicht zulassen", sagte der Kanzler.

Anschober: Kapazitätsgrenzen Mitte November erreicht

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) rechnet mit bis zu 5.800 Neuinfektionen pro Tag in der kommenden Woche. Setzte sich dieser Trend so fort, könne "eine Überschreitung der Kapazitätsgrenzen Mitte, Ende November eintreten", sagte Anschober. Deshalb gebe es nun "akuten Handlungsbedarf, um diese Entwicklung zu stoppen". Problematisch sei, dass derzeit der Altersschnitt steigt und vermehrt Infektionen in Alters- und Pflegeheimen auftreten.

Herwig Ostermann, Geschäftsführer von Gesundheit Österreicher erläuterte, dass von 100 Neuerkrankten derzeit im Schnitt eine Person auf eine Intensivstation kommt und dort im Schnitt 12,5 Tage versorgt werden muss. Die Patienten werden "rasant mehr". Mitte November werden laut Prognose 400 bis 500 Patienten auf Intensivstationen liegen, sagte Ostermann. Diese sind auch "versorgbar". Im Schnitt gibt es 2.000 Intensivbetten in Österreich, belegt werden können laut Ostermann diese mit 1.800 Menschen. Ungefähr 60 Prozent davon benötigen die Betten akut, also nach Unfällen oder wegen nicht verschiebbarer Eingriffen. Somit gebe es ein Potenzial von 700 Betten, die in einem Notfall für Patienten zur Verfügung gestellt werden können.

Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), betonte, dass eine Erweiterung der Intensivkapazitäten kurzfristig nicht möglich sei. Werde die Intensivmedizin bei Neuinfektionszahlen über 6.000 an ihre Grenze gebracht, "dann wären wir nicht mehr in der Lage, bestmögliche Medizin bereitzustellen", warnte Markstaller.

Keine Infos zu inhaltlichen Details

Wie die Maßnahmen inhaltlich aussehen könnten, dazu gab es seitens der Regierung vorerst keine Informationen, auch nicht hinsichtlich des Startzeitpunkts. Für das Allerheiligen-Wochenende verwies Kurz auf die Empfehlungen, soziale Kontakte zu reduzieren und auf Familienzusammenkünfte zu verzichten. Fix sei, dass es zu keiner Überlastung des Gesundheitssystem kommen dürfe: "Wir werden nicht zulassen, das Ärzte entscheiden müssen, wer leben darf und wer sterben muss."

"Wir sind nicht in einer Phase, wo es um Stunden geht", sagte Kurz zur Frage, ab wann die neuen Maßnahmen gelten werden. Die Entwicklung sei seit Langem absehbar gewesen. Am Samstag werde man - nach den für Freitag angekündigten Gesprächen mit den Sozialpartnern sowie jenen am Samstag mit den Landeshauptleuten und den Parlamentsfraktionen und einer Information des Bundespräsidenten - die Öffentlichkeit über die notwendigen Maßnahmen informiere, verwies er auf den Fahrplan.

Kurz mit erneutem Appell an die Bevölkerung

Klar sei, dass Österreich derzeit in Richtung einer Phase gehe, "wo wir massiv gegensteuern müssen, weil es sonst zu einer Überforderung der Spitäler und der Intensivmedizin kommen würde". "Nichts von dem, was wir gerade in Europa oder Österreich erleben, ist überraschend. Wir haben immer gewusst, wenn wir in ein exponentielles Wachstum kommen, muss man das stoppen, weil sonst kommt es zu Überlastung der Intensivkapazitäten". Relevant sei nicht die Frage, wie viele erkrankt sind, sondern: "Wie schnell ist das Wachstum".

Und Kurz appellierte erneut an die Bevölkerung, die Maßnahmen mitzutragen: "Die Schritte, die wir als Bundesregierung setzen können, ist ein Teil, das andere ist das Mitmachen der Bevölkerung." Die Herausforderung sei, "dass es bei vielen Menschen eine gewisse Müdigkeit gibt, ein Nicht-mehr-Wollen", sagte Kurz. Er mache diesbezüglich niemandem einen Vorwurf, "weil ich das persönlich sehr gut nachvollziehen kann", es handle sich um Einschränkungen, die niemand möchte.

Die Strategie der Bundesregierung gegenüber der Pandemie habe sich jedenfalls seit dem Frühjahr "nicht geändert und wird sich nicht ändern. Weil was ist die Alternative? Ich habe keine vernünftige Alternative gehört", sagte Kurz. Man wolle auch nicht, dass - wie es in andern Staaten bereits notwendig ist - "Patienten aus Österreich in anderen Ländern behandelt werden müssen, weil die Kapazität nicht ausreicht".

Anschober untermauert Dringlichkeit weiterer Maßnahmen

Gesundheitsminister Anschober untermauert die Dringlichkeit weiterer Maßnahmen. Die Infektionszahlen seien drastisch gestiegen - "drastisch und dramatisch in ganz Europa". Man habe ja schon am vergangenen Wochenende ein großes Paket an Maßnahmen gesetzt, es sei aber angesichts der weiter stark steigenden Infektionszahlen klar, dass das nicht ausreichen werde.

In Aussicht stellte Anschober eine Reaktivierung der telefonischen Krankschreibung. Dazu sei man aktuell in Gesprächen, sagte der Minister.

Opposition über Regierungskommunikation empört

Die Opposition hat auf die Kommunikationspolitik der Bundesregierung zu den bevorstehenden Verschärfungen der Corona-Maßnahmen mit scharfer Kritik reagiert. Für die SPÖ ist es "völlig unverständlich", warum die Regierung mit der Bekanntgabe bis zum Wochenende abwartet, die FPÖ sprach von einem "Tiefpunkt des Regierungsmarketings". Die NEOS orteten ein "Versagen" von Türkis-Grün.

"Es ist zu begrüßen, dass die Regierung die Forderungen von SPÖ-Chefin Rendi-Wagner aufgreift und Sozialpartner, Parlamentsfraktionen und Landeshauptleute an einen Tisch holt", sagte SPÖ-Klubvizechef Jörg Leichtfried in einer Aussendung. Warum aber "noch immer bis zum Wochenende abgewartet wird" wird, sei "völlig unverständlich und fahrlässig".

Mit den Ankündigungen, "dass die Bevölkerung in zwei Tagen mehr erfährt, schafft man weder Transparenz, noch Klarheit und schon gar kein Vertrauen. Wir verlieren wertvolle Zeit zum Handeln, die uns in dieser bedenklichen Entwicklung abgeht", so Leichtfried. "Die türkis-grüne Regierung hätte acht Monate Zeit gehabt, um den 'worst case' vorzubereiten, um die intensiv-medizinischen Kapazitäten aufzubauen und Personal umzuschulen. Leider ist hier offenbar nichts geschehen."

Hofer: "Serie der inhaltsleeren Pressekonferenzen" gehe weiter

Für FPÖ-Chef Norbert Hofer ging mit dem Regierungs-Auftritt die "Serie der inhaltsleeren und lediglich Chaos stiftenden Pressekonferenzen der Regierungsspitze" weiter. Er sprach von einem "neuen Höhepunkt in Sachen Verwirrung und Panikmache". "Offenbar konnten sich ÖVP und Grüne nicht auf eine gemeinsame Vorgangsweise einigen." Mit dem heutigen "inhaltsleeren Auftritt" sei vor allem eines erreicht worden: "Ein maximaler Schaden für Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Gesundheitswesen." FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sprach von "schwarz-grünen Apokalyptikern". "Der Lockdown steht vor der Tür und wird am Wochenende verkündet - das muss uns allen klar sein." Das "ganze Gerede der Regierenden der letzten Wochen und Monate, dass es keinen Lockdown geben werde", habe sich einmal mehr "als Lug und Trug" erwiesen.

NEOS: Regierung habe Kontrolle und Vertrauen verloren

Für die NEOS spiegelt die aktuelle Lage "das Versagen der türkis-grünen Bundesregierung wider", wie Parteichefin Beate Meinl-Reisinger sagte. "Sowohl der erste Lockdown, als vor allem auch der Sommer wurden nicht genutzt, um sich auf die erwarteten Herausforderungen im Herbst vorzubereiten." Dieses Versagen zeige sich etwa beim Fehlen einer Datenbasis für Spitalsbetten, beim Personal-Notstand im Contact Tracing, unzureichend geschützten Alten- und Pflegeheimen, in den verspäteten Verordnungen, sowie durch verunsicherte Schulleiter und "völlig intransparenten Entscheidungswege". Die Bundesregierung habe damit "nicht nur die Kontrolle, sondern auch das Vertrauen der Bürger_innen - und der anderen Parteien - verloren", so die NEOS-Chefin in einer Aussendung.

(APA/Red)

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