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Corona: Von wegen „alles richtig gemacht“

©APA/GEORG HOCHMUTH
Gastkommentar von Johannes Huber. In Österreich sterben weiterhin mehr Menschen als vor der Pandemie. Ob das mit Lockdowns oder anderen Maßnahmen zusammenhängt, gehört untersucht.

„Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit SARS-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“, sprach der deutsche Virologe Christian Drosten diese Woche gegenüber der Zeitung „Tagesspiegel“ – und weil er es sagte, war es vielen ein Faktum: Corona ist überstanden.

Zumindest sind es jedenfalls Ängste und Befürchtungen, wonach bald jeder jemanden kennen wird, der an Corona gestorben ist, wie Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor fast drei Jahren gewarnt hat. Oder die Vorstellung, dass es jederzeit wieder zu einer Überlastung der Spitäler, einem Lockdown und Schulschließungen kommen könnte, wie es mit schwindender Wahrscheinlichkeit bis in die jüngste Zeit hinein möglich schien.

Man sollte jedoch nicht zur sogenannten Normalität zurückkehren und so tun, als wäre nichts geschehen. In Tirol hat der damalige Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) im Spätwinter 2020 mit der Aussage, man habe „alles richtig gemacht“, versucht, eine Auseinandersetzung mit „Ischgl“ zu ersticken. Zur Erinnerung: Er und seinesgleichen hatten nach ersten Corona-Fällen Beschwichtigung betrieben. Schlussendlich ließ man infizierte Gäste in alle Welt hinausreisen und trug so zu einer beschleunigten Ausbreitung bei.

Heute herrscht ganz offensichtlich auch in der Bundesregierung die Überzeugung vor, alles richtig gemacht zu haben. Es gibt jedenfalls keine kritische Auseinandersetzung mit Entscheidungen unter Kurz, seinem Übergangsnachfolger Alexander Schallenberg sowie Karl Nehammer (alle ÖVP) bzw. den Gesundheitsministern Rudolf Anschober, Wolfgang Mückstein und Johannes Rauch (alle Grüne).

Dass man eine solche Auseinandersetzung nicht will, ist klar. Das ändert aber nichts daran, dass sie notwendig wäre: Es geht nicht darum, jemanden an den Pranger zu stellen, sondern darum, für die Zukunft zu lernen. Immerhin könnte es wieder einmal zu einer Pandemie kommen, bei der die Bevölkerung zunächst ungeschützt ist, weil es weder einen Impfstoff noch Medikamente zur Behandlung Schwerkranker gibt.

Vielleicht hat die Regierung immer nach bestem Wissen und Gewissen agiert. Rückblickend kann jedoch eher beurteilt werden, ob das immer gut war. Zweifel sind angebracht: Schulschließungen haben Jungen zugesetzt. Auch körperlich: Daten von Stellungspflichtigen zeigen, dass das durchschnittliche Gewicht in sehr kurzer Zeit um ein Kilo auf rund 77 geklettert ist. Das wird wohl damit zusammenhängen, dass sich zu viele aufgrund von Beschränkungen noch weniger bewegt haben als sonst.

Beispiel 2: Die Übersterblichkeit dauert an. Daten für die ersten 49 Kalenderwochen zeigen, dass es heuer noch mehr Sterbefälle geben dürfte in Österreich als im vergangenen und im vorvergangenen Jahr. Vielleicht hat eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung (oder Inanspruchnahme etwa auch von Vorsorgeangeboten) dazu beigetragen. Wissen tut man es nicht. Umso wichtiger wäre es, das zu untersuchen und etwa auch internationale Vergleiche durchzuführen.

Man muss herausfinden, was insbesondere Lockdowns gebracht haben und welchen Preis man dafür bezahlt hat. Die Gesellschaft hat einen Anspruch darauf. Und die Politik braucht es, um mit fundierten Erfahrungswerten für weitere Pandemien gerüstet zu sein.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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