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Causa Moria: Nehammer und Ludwig tauschen höfliche Unfreundlichkeiten aus

Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sind sich in der Casa Moria uneins
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sind sich in der Casa Moria uneins ©APA/ROBERT JAEGER
Nehammer vs. Ludwig: Um eine Facette reicher sind die innenpolitischen Streitigkeiten um eine Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria.
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Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) regt an, dass Wien alternativ gerne Jugendliche aus Bundesbetreuungseinrichtungen aufnehmen könne, um diese zu entlasten. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) antwortet mit Verwunderung.

ÖVP blockt Aufnahme von Flüchtlingen aus Moria ab

Hintergrund ist, dass der Wiener Landtag mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und NEOS angeregt hat, 100 schutzbedürftige Jugendliche aus griechischen Lagern aufzunehmen. Dafür bräuchte es freilich die Zustimmung des Bundes. Doch die ÖVP blockt bekanntlich ab.

Nun macht Nehammer darauf aufmerksam, dass die Bundesbetreuungseinrichtungen wie u.a. Traiskirchen und Thalham mit gesamt rund 1.600 Flüchtlingen stark belegt sind. Die zusätzlichen Sicherungsmaßnahmen wegen Corona erleichtern die Sache nicht unbedingt. Daher schrieb der Innenminister einen Brief an Ludwig, über den mehrere Medien heute berichteten.

Nehammer schrieb Brief - Ludwig fühlt sich provoziert

Darin ist zu lesen, dass sich derzeit rund "170 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Bundesbetreuung befänden". Ludwig könne sein Angebot wahr machen und 100 von ebendort in Wien aufnehmen: "Abschließend bedanke ich mich für die zum Ausdruck gebrachte Hilfsbereitschaft und das Engagement im Hinblick auf den Umgang mit hilfs- und schutzbedürftigen Menschen", formuliert der Innenminister.

Im Rathaus wird das sichtlich als Provokation aufgefasst. Ludwig griff jedenfalls selbst zur Tastatur und schrieb Nehammer, dass das Angebot, 100 Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen, ein Gebot der Menschlichkeit sei und er es erneuere. Überrascht sei er jedoch, dass Nehammer die Umstände in dem abgebrannten Lager mit jenen in der Bundesbetreuung vergleiche, für die der Innenminister zuständig sei. Sollten dort tatsächlich solche Zustände herrschen wie in Griechenland, sei Wien natürlich bereit zu helfen.

Hickhack um Bereitschaft der Flüchtlingsunterbringung

Gleichzeitig macht Ludwig aber klar, dass der Innenminister aus seiner Sicht selbst zu Rande kommen sollte. Er gehe davon aus, dass Nehammer selbst für die menschenwürdige Unterbringung und den Schutz der Flüchtlinge im Zusammenhang mit Covid-19 sorgen werde.

Ohnehin ist Wien nicht die einzige Stadt, die Bereitschaft bekundet hat, Flüchtlinge aus Moria aufzunehmen. Unter anderem hatten mehrere der ÖVP zugehörige oder zugerechnete Bürgermeister in Vorarlberg diese Linie vertreten.

Wien erfüllt Quote bei Flüchtlingen seit Jahren vorbildlich

Wenn es darum geht, Flüchtlinge aufzunehmen, ist Wien jedenfalls traditionell kein Vorwurf zu machen, ist doch die Bundeshauptstadt bei der Erfüllung der Aufnahmequoten seit Jahren vorbildlich unterwegs. So hat Wien derzeit 5.233 Personen mehr in der Grundversorgung, als es gemäß Verteilungsvereinbarung zwischen den Ländern müsste. Sämtliche andere Bundesländer verpassen die Quotenvorgaben. Die Steiermark erfüllt sie beispielsweise nur zu knapp 67 Prozent, Niederösterreich zu gut 68 Prozent. In absoluten Zahlen sind das 1.260 bzw. 1.615 Menschen weniger, als dies vorgegeben wäre.

Was die Unterbringung von Jugendlichen angeht hat Wien derzeit 205 unbegleitete Minderjährige in Betreuung. Das sind so viel wie Niederösterreich, Oberösterreich und die Steiermark zusammen.

Nehammer-Vorschlag an Wien für Hebein "zynisch"

Die grüne Wiener Vizebürgermeisterin Birgit Hebein kann der Idee von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), dass Wien statt minderjähriger Flüchtlingen aus dem abgebrannten griechischen Lager Moria doch Jugendliche aus Bundesbetreuungseinrichtungen aufnehmen könne, ebenfalls nichts abgewinnen. Den Vorschlag findet sie "zynisch", wie sie in einem Interview am Dienstag im "Ö1"-Mittagsjournal festhielt.

Hebein will hartnäckig bleiben: "Die Menschen müssen aufgenommen werden"

"Denn es gibt genug Plätze österreichweit auch in den Bundeseinrichtungen. Hier soll der Herr Innenminister seine Arbeit machen - und noch dazu Kinder gegen Kinder auszuspielen ist nicht meine Politik. Es riecht übelst nach Wahlkampf", ärgerte sie sich.

Hintergrund des politischen Schlagabtausches ist, dass der Wiener Landtag mit den Stimmen von SPÖ, Grünen und NEOS angeregt hat, 100 schutzbedürftige Jugendliche aus griechischen Lagern aufzunehmen. Dafür bräuchte es die Zustimmung des Bundes. Die ÖVP lehnt dies ab.

Hebein kündigte heute an, diesbezüglich hartnäckig zu bleiben. "Wir wollen in Dialog treten mit ÖVP-Wählern und -Wählerinnen, den Druck erhöhen. Es führt kein Weg vorbei, die Menschen müssen aufgenommen werden."

(APA/Red)

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