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Bundespräsident Fischer gegen "Dichtmachen" des Brenners

Bundespräsident Fischer wirbt um Verständnis für Österreichs Position
Bundespräsident Fischer wirbt um Verständnis für Österreichs Position
Bundespräsident Heinz Fischer hat sich gegen ein "Abriegeln" der Brennergrenze ausgesprochen. Zwar müsste man den Binnen-Grenzkontrollen "umso mehr Aufmerksamkeit widmen ... je größer der Zustrom der Flüchtlinge nach Österreich" sei, erklärte Fischer am Mittwoch vor dem Europarat in Straßburg.

“Aber die Worte ‘Dichtmachen’, ‘Sperren’, ‘Abriegeln’ oder Ähnliches sind nicht angebracht.”

“Nicht Rad der Geschichte zurückdrehen”

Denn weder könne noch wolle sich Österreich von Italien oder Deutschland abriegeln: “Wir wollen wissen, wer unsere Grenzen überschreitet, aber nicht das Rad der Geschichte zurückdrehen”, so der Bundespräsident. Bereits zuvor hatte er gegenüber der italienischen Nachrichtenagentur ANSA die Bedeutung einer offenen Brennergrenze betont: “Es ist absolut in meinem Interesse, dass der Fluss von Menschen und Waren über den Brenner erhalten bleibt und auch funktioniert”, das sei “essenziell für Europa.”

Allgemein warb Fischer um “Verständnis” für die österreichische Asylpolitik, etwa die Einführung der Obergrenzen. Weder könnten die “fast 800.000 Flüchtlinge, die allein im zweiten Halbjahr 2015 unkontrolliert unsere südlichen und südöstlichen Staatsgrenzen überschritten haben” ein Dauerzustand sein, noch der Umstand, “dass die Zahl der Asylanträge in Österreich im Jahr 2015 höher war als die Gesamtzahl der Geburten in diesem Jahr”.

“Gewillt eine Lösung zu finden”

EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos äußerte sich vorsichtig in der umstrittenen Frage einer Grenzschließung des Brenner zwischen Österreich und Italien. Er habe von Anfang an klar gesagt, “dass wir gegen die Schließung von Grenzen sind”, doch betonte Avramopoulos am Mittwoch in Brüssel, dass “Österreich wirklich gewillt ist, eine Lösung zu finden”. Die Maßnahmen müssten verhältnismäßig sein.

Er habe vor einigen Tagen mit der bisherigen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gesprochen und um eine Begründung für die österreichischen Maßnahmen ersucht. “Ich habe ein Schreiben erhalten, das ich analysiert und geprüft habe. Ich muss sagen, es ist nicht so hart formuliert wie man vielleicht glauben mag. Österreich ist wirklich gewillt, eine Lösung zu finden”, betonte der Kommissar. Wesentlich sei auch, dass Italien und Österreich zusammenarbeiteten.

Jedenfalls müssten alle Länder ihrer Verantwortung gerecht werden. Dabei sprach der Kommissar Italien und Griechenland an, wo die Hotspots bei der Flüchtlingsaufnahme zwar korrekt arbeiteten, “aber da muss einfach noch mehr getan werden. Das ist wichtig, um zu verhindern, dass es derartige Schwierigkeiten an Grenzen zwischen EU-Staaten gibt”.

Grenzzaun um jeden Preis verhindern

Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi, Chef der rechtskonservativen Partei Forza Italia, traf unterdessen am Mittwoch in Rom den EVP-Fraktionschef im Europaparlament, Manfred Weber, und besprach mit ihm die Flüchtlingsproblematik. In einer gemeinsamen Presseerklärung betonten Berlusconi und Weber, man müsse um jeden Preis den Bau eines Grenzzauns am Brenner verhindern.

Es bestünden zurzeit keine Gefahren, die eine Aussetzung des Schengen-Abkommens an der Brenner-Grenze rechtfertigen würden. Grenzkontrollen am Brenner würden zur Entstehung eines “zweiten Idomeni an der italienisch-österreichischen Grenze führen”, hieß es in dem Schreiben der beiden Politiker.

Reform des Asylrechts

Berlusconi und Weber riefen die EU-Mitgliedsstaaten zu einer stärkeren Kooperation im Umgang mit dem Flüchtlingsnotstand auf und plädierten für eine Reform des Asylrechts. Wichtig sei auch, dass die EU Abkommen mit den Herkunftsländern der Flüchtlinge zur Rückführung der Migranten abschließe.

Für die am kommenden Sonntag, dem 24. April, am Brenner angekündigte Demonstration gegen die von Österreich angekündigten Grenzkontrollen, gehen die italienischen Behörden indes von “keiner besonders kritischen Situation aus”. Dies teilte die Quästur in Bozen am Mittwoch in einer Aussendung mit.

Die Protestkundgebung soll um 11.30 Uhr auf italienischer Seite beginnen, sagte der zuständige Bezirkspolizeikommandant Gerhard Niederwieser im Gespräch mit der APA. “Laut unseren Informationen wird auch beabsichtigt, die Grenze zu überschreiten”, fügte er hinzu. Aus Österreich sollen jedenfalls rund 300 Beamte am Brenner im Einsatz stehen. “Diese Zahl kann sich aber je nach Sicherheitslage noch nach oben oder unter verschieben”, meinte der Polizist.

Gegen Sperrkette marschiert

Am 3. April war es bei einer Demonstration am Brenner zu Ausschreitungen gekommen. Mehrere teils vermummte Demonstranten waren gegen eine errichtete Sperrkette marschiert und hatten die Beamten mit bengalischen Feuern, Steinen und Flaschen beworfen. Dabei wurden drei Polizisten verletzt und Dienstfahrzeuge beschädigt. Auch 15 Teilnehmer der Protestkundgebung mussten nach dem Einsatz von Pfefferspray von den Rettungskräften behandelt werden. Ein italienischer Staatsbürger wurde wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt festgenommen und von den Ermittlern einvernommen. (APA)

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