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Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) im Interview: "Wir dürfen nicht wegsehen!"

Zum Wien-Wahlkampf – VIENNA.at in Kooperation mit fischundfleisch.com: Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) im Gespräch über die Oktober-Revolution der FPÖ, seine Gesundheit und Chaosvermeidung.

Wie sehr beeindruckt sind Sie von den FPÖ-Wahlplakaten mit der Oktober-Revolution?

Häupl: Wir wissen, wohin die Oktober-Revolution 1917 geführt hat, wenn dies Straches inhaltlicher Ansatz ist, mit Wien umzugehen, dann kann ich nur sagen: Super, das ist genau das, was wir nicht wollen. Diese Botschaft erinnert mich stark an meine seinerzeitige Aussage, wonach Wahlkampf die Zeit fokussierter Unintelligenz ist. Im Übrigen wurde diese Botschaft der FPÖ in den sozialen Medien schon breit gewürdigt.

Sie sind seit fast 21 Jahren Bürgermeister – und damit der längst dienende Bürgermeister Wiens aller Zeiten. Keine Spur von Amtsmüdigkeit, Lust auf mehr Freizeit und ein Leben ohne Strache?

Natürlich sind die Wahlen eine Challenge für mich, der stelle ich mich aber sehr gerne. Ich fühle mich hoch motiviert, bin gesundheitlich fit, was meine Frau, die Ärztin ist, bestätigen kann, und ich will meine bisher erfolgreiche Arbeit weiterführen. Von Amtsmüdigkeit daher nicht die geringste Spur. Auch, weil ich meiner Stadt ein Leben ohne Strache ermöglichen will.

Das Flüchtlingsproblem ist das beherrschende Thema auch in Österreich. Wie gehen Sie damit um?

Wir sind gerade dabei, alle unbegleiteten Kinder, unbegleitede Minderjährige und 150 Familien aus Traiskirchen herausholen. Die Mädchen haben wir schon nach Wien gebracht. Das mag für viele Wiener okay sein, für einige auch nicht. Ich kann nur Martin Luther zitieren: Hier stehe ich und kann nicht anders. Im übrigen finde ich es gut, dass die Bundesregierung mit Christian Konrad einen Asylkoordinator geholt hat. Ich halte ihn für den richtigen Mann, er kann das. Wir brauchen jetzt eine gesamteuropäische Lösung und müssen alle helfen. Es geht nicht, dass diese Menschen vor uns stehen und um Hilfe betteln und wir einfach wegsehen. Das geht nicht. Das darf einfach nicht sein.

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Strache beklagt steigende Kriminalität in Österreich.

Häupl: Das ist eine vollkommen falsche Behauptung. Im Gegenteil, die Kriminalitätsrate, die alle Delikte umfasst, ist gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent zurückgegangen. Bei Wohnungs- und Autoeinbrüchen sind die Zahlen noch stärker rückläufig. Strache will einfach nur Ängste schüren. Er hat auf die wirklichen Probleme dieses Landes keine Antworten. Ängste schüren, schafft noch lange keine Jobs.

Das Wirtschaftswachstum lahmt, die Arbeitslosenzahlen steigen. Was unternehmen Sie dagegen?

Häupl: Wir müssen einerseits die Wirtschaft stärken, beispielsweise durch Investitionsbeiträge für Unternehmen und durch eine weitergehende Förderung der Forschung. Und wir können das Arbeitsmarktservice mit unserem ArbeitnehmerInnenförderungsfonds sehr gut ergänzen. Wir brauchen ein Wirtschaftswachstum von 2,5 Prozent, damit sich das auf die Arbeitslosenzahl positiv auswirkt.

Die Bildungsfrage wird in Österreich sehr unter ideologischen Gesichtspunkten diskutiert. Wie stehen Sie zur Gesamtschule?

Häupl: Ich bin für eine Gesamtschule der 10- bis 14-Jährigen und für den Ganztagesunterricht. Den bieten auch katholische Eliteschulen an, und die werden wissen, warum. In jedem Fall muss die Ausbildung der Kinder im Vordergrund stehen.

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Das neue Ärztezeitgesetz war eine lange und schwere Geburt. Daneben gibt es in Wien im Spitalssektor gravierende Umstrukturierungen.

Häupl: Wieso es mit dem neuen Ärztezeitgesetz so lange gebraucht hat, frage ich mich auch. Die EU hat vor zehn Jahren eine diesbezügliche Richtlinie erlassen. Es war also genügend Zeit, diese umzusetzen. Was die Spitäler betrifft: Ja, wir konzentrieren die Spitäler und machen so ziemlich das Gegenteil von dem, was Niederösterreich macht. Dazu wird es in den einzelnen Krankenhäusern eigene Schwerpunkte geben. Die Rudolfstiftung wird etwa das Zentrum für den Kopf werden. Wir werden dann sechs Schwerpunktspitäler und dazu das AKH haben, wobei ich das AKH als Uniklinik noch stärker mit den universitären Forschungen verknüpfen will. Das AKH, das größte Spital Europas, soll wieder unter die zehn Top-Kliniken Europas kommen. Im Pflegebereich haben wir in den vergangenen zehn Jahren zehn neue moderne Geriatriezentren geschaffen. Jedes Jahr wurde ein neues gebaut.

Rückblickend, auf welche Leistungen sind Sie besonders stolz?

Häupl: Dass es uns so gut gelungen ist, Österreich und Wien in die EU zu integrieren. Wien spielt eine herausragende Rolle in Europa. Wir sind ein Leuchtturm Richtung Südosteuropa. Zudem haben wir die Entwicklung, dass Wien einwohnermässig schrumpft, gedreht. Wien wächst jedes Jahr um jene Zahl, die Krems Einwohner hat. Und drittens bin ich auf die hohe Lebensqualität hier stolz, die uns auch international immer wieder bescheinigt wird.

Welches Wahlergebnis erhoffen Sie für den 11. Oktober und bei welchem Ausgang treten Sie zurück?

Häupl: Ich erhoffe mir ein Wahlergebnis, dass man nicht gegen die Sozialdemokraten regieren kann und der zweite Teil Ihrer Frage ist ein No-Go. Nach fast 21 Jahren Bürgermeister redet man nicht herum, sondern übernimmt Verantwortung, wie immer dieses Wahlergebnis ausfällt. Ich werde in jedem Fall die Verantwortung tragen, werde mich auf niemanden Ausreden. Verantwortung heißt, dass man kein Chaos hinterlässt.

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Was soll man einst über Michael Häupls politische Ära sagen?

Häupl: Dieser Bürgermeister hat eigentlich ein ziemlich goldenes Zeitalter gehabt.

 

Das Interview wurde von der Meinungsplattform fischundfleisch.com geführt: https://www.facebook.com/fischundfleisch

 

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