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Bombenverdacht verdichtet sich: IS soll russisches Flugzeug in Ägypten gesprengt haben

Ein Bombenanschlag auf die russische Maschine wird nicht völlig ausgeschlossen.
Ein Bombenanschlag auf die russische Maschine wird nicht völlig ausgeschlossen. ©AFP
London/Kairo. Nach dem Absturz einer russischen Passagiermaschine in Ägypten verdichten sich die Hinweise, dass eine Bombe an Bord die Flugzeugkatastrophe ausgelöst haben könnte. Ein Sprengkörper sei eine "signifikante Möglichkeit" als Ursache, sagte Großbritanniens Außenminister Philip Hammond am Mittwochabend in London.
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Kein Überlebender nach Absturz

Es seien verschiedene Quellen ausgewertet worden, bevor die Regierung zu dem Schluss gekommen sei. In Ägypten werden derzeit die Flugschreiber ausgewertet.

Flüge nach Ägypten vorläufig gestoppt

Nach dem Start in Sharm el-Sheikh (Scharm el Scheich) war am Samstag der Airbus A321 der sibirischen Firma Kolavia über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. 224 Menschen kamen ums Leben. Die Unglücksursache war bisher unklar. Es ist das schwerste Unglück in der Geschichte der russischen Luftfahrt.

Hammond warnte vor Flugreisen nach oder über Sharm el-Sheikh in Ägypten. Es werde von allen Reisen an den Flughafen des Ferienorts am Roten Meer abgeraten, die nicht notwendig seien. Es würden vorerst keine Flüge von Großbritannien nach Sharm el-Sheikh starten. Auch Irland ließ vorerst keine Flugzeuge mehr von und nach Sharm el-Sheikh fliegen.

Flughafenleiter in Sharm el-Sheik abberufen

Ägyptens Außenminister Samih Shoukri hatte bereits die britische Entscheidung, Flüge für Mittwochabend zu stoppen, “vorzeitig und ungerechtfertigt” genannt. Er sei sehr enttäuscht, sagte er der BBC. Auf die Frage, ob er einen Terroranschlag für möglich halte, sagte er dem US-Sender CNN, dass müsse die Untersuchung klären. Vorschnelle Urteile oder Maßnahmen könnten negative Auswirkungen auf eine große Zahl von Ägyptern haben, die von der Tourismusindustrie lebten.

Derweil wurde der Flughafenleiter von Sharm el-Sheikh, von wo die Maschine gestartet war, von seinem Posten abberufen. Der Schritt habe nichts mit der medialen Skepsis rund um die Flughafensicherheit zu tun, sagt eAdel Mahgub, der Vorsitzende des ägyptischen Staatskonzerns, der für die zivilen Flughäfen des Landes zuständig ist.

Absturz am Sinai - Suche nach der Ursache
Absturz am Sinai - Suche nach der Ursache

US-Geheimdienste bleiben vage

Unmittelbar nach dem Absturz hatte ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) behauptet, dafür verantwortlich zu sein. Experten bezweifelten, ob das stimmt. Die Behörden in Russland und Ägypten bezeichneten einen Anschlag als unwahrscheinlich. Die Agentur Interfax wiederum berichtete über ungewöhnliche Geräusche, die kurz vor dem Absturz von der Black Box aufgezeichnet worden seien.

Einem CNN-Bericht zufolge schließen die US-Geheimdienste einen Anschlag nicht aus. “Es gibt ein eindeutiges Gefühl, dass es ein Sprengkörper war, der im Gepäck oder anderswo im Flugzeug versteckt wurde”, zitierte der Sender einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung. Es gebe aber keine belastbaren oder bestätigten Geheimdienstberichte für eine spezifische Bedrohung vor dem Absturz. Die US-Geheimdienste seien noch zu keinem Ergebnis gekommen.

“Kleine Bombe reicht aus”

Nach Einschätzung von Experten gegenüber CNN könnte die russische Passagiermaschine durchaus durch eine einfache Bombe zum Absturz gebracht worden sein. Wie die Experten in der Nacht auf Donnerstag im Sender CNN erklärten, könnte der Sprengsatz mittels einer simplen Vorrichtung in einer bestimmten Flughöhe zur Explosion gebracht worden sein.

Die von CNN befragten Fachleute meinten übereinstimmend, dass Terrorgruppen wie die Jihadistenmiliz IS möglicherweise Komplizen unter den Mitarbeitern des Flughafens in Sharm el-Sheikh gehabt haben könnten. Diese könnten die Bombe etwa mit dem Gepäck in die Maschine verladen haben. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, würde dies neue Herausforderungen für die Sicherheitseinrichtungen der Flughäfen weltweit bedeuten.

Die US-Regierung vermied es unterdessen, die Vermutungen öffentlich zu nähren. “Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht hilfreich, unsere eigenen Ansichten oder Meinungen in die Ermittlungen einfließen zu lassen”, sagte Außenamtssprecher John Kirby am Mittwoch. Mitarbeitern der Regierung würde von Reisen in den Sinai aus Sicherheitsgründen zwar abgeraten. Diese Empfehlung beruhe aber auf keinen neuen Informationen, sondern auf bereits bekannten Bedrohungen.

Flugschreiber der Unglücksmaschine werden ausgewertet

In Ägypten beginnt jetzt die Analyse der Flugschreiberdaten. Wie das Ministerium für zivile Luftfahrt am Mittwoch mitteilte, konnten die Informationen vom Datenrekorder sichergestellt werden. Der Stimmenrekorder, der Tonaufnahmen der Gespräche von Pilot und Copilot sowie weitere Geräusche im Cockpit speichert, sei jedoch zum Teil beschädigt, hieß es. Hier müsse noch einiges getan werden, bevor die Daten extrahiert werden könnten. Bergungsteams weiteten die Suche am Unglücksort deutlich aus.

Die Bergungsmannschaften würden nun auf der Sinai-Halbinsel auf 40 Quadratkilometern nach Hinweisen für die Ursache der Katastrophe sowie nach weiteren sterblichen Überresten der Opfer suchen, sagte Russlands Zivilschutzchef Wladimir Putschkow. Zur besseren Übersicht des Trümmerfelds werden auch Drohnen eingesetzt. “Wir suchen Zentimeter für Zentimeter ab”, meinte Putschkow. Bisher hatten die Teams auf einem Gebiet von 30 Quadratkilometern gesucht.

IS übernimmt Verantwortung – aber keine Beweise

Die Arbeiten an dem Wrack sind auch wegen Extremisten auf der Halbinsel extrem riskant. Bei einem Selbstmordanschlag auf dem Sinai kamen am Mittwoch mindestens vier Menschen ums Leben. Die Autobombe galt einem Club für Polizeibeamte westlich der Stadt Al-Arish im Norden der Unruheregion. Die IS-Miliz bekannte sich in einer zunächst nicht verifizierbaren Twitter-Stellungnahme auch zu dem Attentat.

Die Extremisten bekräftigten am Mittwoch in einer Audionotiz im Namen des IS-Ablegers auf dem Sinai ihre Behauptung, den Absturz verursacht zu haben. Gegebenenfalls werde man irgendwann nähere Informationen dazu veröffentlichen, hieß es. Die Stellungnahme konnte zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. (red/APA/dpa)

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