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Berufsrettung Wien geht gegen die Gaffer-Problematik vor

Der verletzte Fallschirmspringer musste ins Krankenhaus gebracht werden.
Der verletzte Fallschirmspringer musste ins Krankenhaus gebracht werden. ©APA
In den vergangenen Jahren gab es leider immer häufiger Unfälle, die sofort von Schaulustigen mittels Smartphone festgehalten wurden. Dies führt auch dazu, dass den Rettungskräften der Zugang zum Unfallort versperrt blieb bzw. die Schaulustigen die Bergungsarbeiten stark behinderten. Die Berufsrettung in Wien geht nun gegen die Gaffer vor.

Im Juli 2017 kam es in Wien Simmering zu einem tödlichen Unfall, der genau die Problematik verdeutlicht hat. Die Berufsrettung Wien hat nun diesen Unfall als Anlass genommen, um die Menschen auf sozialen Medien darauf aufmerksam zu machen, dass Schaulustige die Einsatzkräfte behindern und so die Leben vieler Menschen aufs Spiel setzen. Ungefähr bei jedem fünften Einsatz muss die Berufsrettung in Wien mit Schaulustigen kämpfen.

Stadt Wien und Berufsrettung Wien starten Kampagne

Gemeinsam mit der Stadt Wien wird die neue Kampagne gestartet. Ein neues Video “Hab Anstand, halt Abstand!” soll auf vielen Kanälen verbreitet werden und so den Gaffern der Kampf angesagt werden. Ein Aufklärungsvideo soll “die Leute wachrütteln”, sagte Rettungssprecherin Corina Had zur APA. “Handys sind super, wenn es darum geht, den Notruf zu wählen. Aber damit zu filmen und zu fotografieren ist in manchen Situationen nicht angemessen.”

Berufsrettung Wien verbreitet Video auf zahlreichen Kanälen

“Niemand will nach einem Unfall Fotos oder Videos von sich in den sozialen Netzwerken finden. Hier geht es auch um die Privatsphäre unserer Patientinnen und Patienten!”, appelliert der Leiter der Berufsrettung, Rainer Gottwald, an die Vernunft der Menschen. “Es ist wichtig, dass die Menschen hinsehen, den Notruf wählen und Erste Hilfe leisten. Sind die Profis der Berufsrettung Wien vor Ort, heißt es aber Platz machen!”, sagt Gottwald.

Geplante Strafen für Unfall-Voyeure: Kritik an Zweigleisigkeit

Derzeit sind zwei Gesetzesänderungen in Begutachtung, die Strafen für Unfall-Voyeure vorsehen. Dies soll als Verwaltungsübertretung im Sicherheitspolizeigesetz und auch als neuer Tatbestand im Strafgesetzbuch geahndet werden, was zu Kritik von Strafrechtsexperten führt. Dies zeuge von “Abstimmungsproblemen und mangelnder Kommunikation”, konstatierte etwa der Wiener Strafrechtler Alexander Tipold.

Das Innenministerium sieht mit der Novelle im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) den neuen Paragraf “Störung der öffentlichen Ordnung” vor. Gaffer, die dagegen verstoßen, Hilfeleistungen behindern oder die Privatsphäre unzumutbar beeinträchtigen, begehen künftig eine Verwaltungsübertretung. Dafür droht eine Geldstrafe bis zu 500 Euro. Parallel dazu soll mit dem Strafrechtsänderungsgesetz des Justizministeriums die Unterlassung der Hilfeleistung um die Behinderung der Hilfeleistung ergänzt werden – hier endet heute, Mittwoch, die Begutachtungsfrist. Dafür droht eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen. “Das Ungleichgewicht der Unrechtsbewertung ist evident”, betonte Tipold vom Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien in seiner Stellungnahme. Er führte weiter aus, dass die Bewertung des Innenministeriums “zweifellos treffender ist als jene des Justizministeriums”. Außerdem sei die Strafdrohung des Justiz-Vorschlags “überzogen”. Bei “erschwerenden Umständen” sieht auch das SPG die Möglichkeit einer Freiheitsstrafe vor. Dies sei zu unbestimmt und “verfassungsrechtlich bedenklich”.

“Frage nach der kriminalpolitischen Sinnhaftigkeit”

Seiner Ansicht nach sollte mit der SPG-Änderung (Geldstrafe von 500 Euro) das Auslangen gefunden werden, schreibt er in seiner Stellungnahme zur StGB-Novelle. Tipold führt auch in seiner Stellungnahme zum Sicherheitspolizeigesetz aus, dass es verfehlt wäre, “beide Tatbestände einzuführen” und dass eben auf die StGB-Änderung verzichtet werden sollte.

Inhaltlich gleich äußerte sich auch die Universität Innsbruck in ihrer Stellungnahme zur StGB-Novelle, es handle sich um “weitgehend idente Verhaltensweisen” mit der SPG-Änderung. Auch hier stellen die Strafrechtler Klaus Schwaighofer und Andreas Venier “die Frage nach der kriminalpolitischen Sinnhaftigkeit einer solchen Zweigleisigkeit”. Sie verwiesen auf den Ultima-Ratio-Prinzip des Strafrechts, dass Kriminalstrafen nur dort eingreifen sollen, wo andere Sanktionen, etwa Verwaltungsstrafen, nicht zum Ziel führen.

Reine Störungen bei Hilfsmaßnahmen verdienen “keine Kriminalstrafe, mögen sie auch (bedingt) vorsätzlich erfolgen”, betonten die Strafrechtsexperten und sprachen sich ebenso für den Entfall des StGB-Tatbestands aus. Die Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft öffentlicher Dienst (GÖD) kritisierten in ihrer Stellungnahme außerdem, dass der prognostizierte personelle Mehrbedarf unzureichend sei.

(APA/Red.)

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