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Berichte über Mord und Totschlag in den Medien: Pro und Contra

Berichten oder nicht berichten, das ist hier die Frage.
Berichten oder nicht berichten, das ist hier die Frage. ©APA/HERBERT PFARRHOFER
Im noch jungen Jahr gab es in Österreich bereits fünf Frauen, die durch fremde Hand getötet wurden - meist durch Lebensgefährten oder Ex-Lebensgefährten. Jeder dieser Fälle wird ausgiebig in den Medien behandelt. Doch stachelt das nicht Nachahmungstäter an? Sollte man darauf verzichten? Ein Kommentar zu Pro und Contra.
Zahlen und Fakten zu Frauenmorden

Vier tote Frauen in Niederösterreich, eine in Wien. Zudem wurde erst gestern ein Mann in Wien-Donaustadt mit Messerstichen schwer verletzt. Die Bilanz des neuen Jahres mag erschrecken.

Doch welche Rolle spielen die Medien, die jede Tat groß in Zeitungen und online (auch VIENNA.at hat berichtet) abbilden? Rufen sie dadurch keine Nachahmer auf den Plan, bei denen die Hemmschwelle sinkt? Sollte man lieber ganz auf die Berichterstattung von Mord und Totschlag verzichten, um den Tätern keine Bühne zu bieten?

PRO (verzichten)

Bei Selbstmorden ist er bereits erwiesen, der sogenannte Werther-Effekt. Wenn man reißerisch oder auch romantisiert – wie in Goethes “Die Leiden des jungen Werther” – über Suizid berichtet, steigen nachweislich die Suizidraten. Warum sollte es sich mit Mord und Totschlag anders verhalten? Mehrmals die Woche springt so eine Tat aus der Zeitung oder aus dem Handy. Jedes klitzekleine Detail wird veröffentlicht, von der Mordwaffe über den Tathergang bis zum Motiv. Quasi eine Schritt-für-Schritt-Anleitung für diejenigen, die sowieso schon mit dem Gedanken spielen. So ein Messer ist schnell besorgt und offensichtlich passiert ein Stich noch schneller.

Solche Taten dürften – wenn überhaupt – nur in der Randspalte kurz erwähnt werden. Und auch nur dafür, um auf die Opfer einzugehen. Jede Tote und jeder Toter ist einer zu viel. Ihnen sollte die Nachricht gewidmet sein, nicht den Tätern. Berichte über Trauermärsche, Nachrufe stellen die Opfer in den Fokus. Die Täter sollen in die Unbedeutsamkeit verschwinden. Dort, wo sie hingehören.

CONTRA (nicht verzichten)

“Schreiben, was ist”, war das Motto des Der Spiegel-Gründers Rudolf Augstein. Dazu gehören Mord und Totschlag. Wir leben in einer grausamen Welt. Nur weil jemand einen Artikel in der Zeitung liest, wird er noch lange nicht zum Mörder. Genauso wenig wird man beim Spielen von Ego-Shootern zum Amok-Läufer. Das Problem liegt viel tiefer in der Gesellschaft, nämlich in patriarchalen Strukturen, die Frauen immer noch als das schwache Geschlecht sehen. In mangelnder Bildung und im hohen Aggressionspotential der Täter. Und in deren traumatischen Erfahrungen, die sie nie richtig verarbeiten konnten.

Da hilft kein Totschweigen der Täter oder der Tat selbst. Solche Meldungen finden ihren Weg an die Öffentlichkeit, und wenn es sich auch nur um Gerüchte handelt. Um diese Probleme zu behandeln, müssen Politik und Gesellschaft aufwachen und früher aktiv werden. Erst letzte Woche wurde von der Regierung eine Pressekonferenz zum Thema Gewalt gegen Frauen ausgerufen. Ein Anfang, immerhin.

(red)

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