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Beirut: Gemayel wurde beigesetzt

Das Begräbnis des ermordeten libanesischen Industrieminister Pierre Gemayel ist zu einer Machtdemonstration der anti-syrischen Regierungsmehrheit geworden. Tausende gaben dem ermordeten Minister letztes Geleit. 

Hunderttausende Menschen schwenkten am Donnerstag in der Beiruter Innenstadt die libanesische Fahne und riefen Slogans gegen Syrien, als der Sarg durch die Straßen getragen wurde. Saad Hariri, der Sohn des im Februar 2005 ermordeten früheren Ex-Regierungschefs Rafik Hariri, erntete von den Trauergästen begeisterten Beifall, als er an die Adresse der als pro-syrisch geltenden Schiitenpartei Hisbollah erklärte: „Wir sind die Mehrheit.“

Die schiitische Hisbollah hatte nach dem Ende ihres Krieges gegen Israel Mitte August erklärt, die Mehrheit der Bevölkerung unterstütze die Regierung von Ministerpräsident Fouad Siniora nicht mehr.

Mehrere Politiker, die nach dem Gebet für den Minister zu den Trauergästen sprachen, forderten den Rücktritt des pro-syrischen Staatspräsidenten Emile Lahoud. Ministerpräsident Siniora hatte wegen des Begräbnisses die Schließung aller Schulen und Behörden an diesem Donnerstag angeordnet. Um Ausschreitungen zu verhindern, säumten Tausende von Sicherheitskräften die Straßen. In der Hauptstadt kam das öffentliche Leben wegen des Trauerzugs zum Erliegen. Geschäfte, Behörden, Banken und Schulen blieben geschlossen. Bis Freitag gilt Staatstrauer.

Dicht gedrängt versammelten sich die Menschen auf dem Freiheitsplatz in Beiruts Zentrum und schwenkten Fahnen des Libanon und der rechtsgerichteten maronitisch-christlichen Partei Falange (Kataeb). Wütende Demonstranten forderten ebenfalls den Rücktritt Lahouds. Andere riefen nach einem internationalen Tribunal, das die Morde an Gemayel und anderen anti-syrischen Politikern untersuchen soll. Sunniten, Drusen und Christen machen Syrien für das Attentat auf Gemayel verantwortlich. Syrien hat den Anschlag allerdings verurteilt.

Der Sohn des früheren Präsidenten Amin Gemayel war innerhalb von zwei Jahren der sechste Syrien-kritische Politiker, der bei einem Anschlag getötet wurde. Der 34-jährige Gemayel war maronitischer Christ. Er war nördlich von Beirut auf der Straße erschossen worden. Der Täter konnte entkommen. Das Attentat auf Gemayel erinnert an die Ermordung des früheren Regierungschefs Rafik Hariri im Februar 2005. Danach fand sich Syrien unter internationalem Druck zum Rückzug seiner Truppen aus dem Libanon bereit. In der maronitischen Kathedrale des Heiligen Georg fand die Trauerfeier für Gemayel statt.

Gemayel war Industrieminister im Kabinett von Ministerpräsident Siniora, das durch den Rücktritt von sechs pro-syrischen Ministern ohnehin geschwächt ist. Die Forderung der Syrien nahe stehenden Kräfte um die Hisbollah-Bewegung nach einer Sperrminorität in der Regierung haben das Land in eine schwere Krise gestürzt. Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah hatte gedroht, die Regierung mit Massenprotesten zu stürzen, falls diese Neuwahlen oder die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit weiterhin ablehnen sollte.

Amin Gemayel rief ebenso wie die maronitisch-katholische Kirche im Libanon zur Ruhe auf. 16 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs im Libanon wächst die Sorge vor einer neuen Eskalation der Spannungen. Gemayels Falange-Partei war im Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 die größte christliche Miliz, die gegen die schiitischen Milizen Amal und Hisbollah kämpfte.

Die Vereinten Nationen sagten ihre Unterstützung bei der Aufklärung des Mordes an Gemayel zu. Der Sicherheitsrat folgte damit am Mittwoch einer Bitte der libanesischen Regierung. Die internationale Ermittlerkommission, die bereits das Attentat auf Hariri untersucht, soll den Behörden nun auch bei der Aufklärung des Anschlags auf Gemayel helfen. Der Sicherheitsrat verurteilte einstimmig die Ermordung Gemayels und äußerte sich besorgt über die möglichen Folgen. Gemayel sei „ein Symbol der Freiheit und der politischen Unabhängigkeit“ des Landes gewesen, erklärte der Sicherheitsrat.

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