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Ausländerkriminalität: Hoch, und doch überschätzt

Ist die Kriminalitätsrate von Ausländern fast dreimal so hoch wie jene der Österreicher? Oder doch nur guter Durchschnitt? Die offiziellen Zahlen geben nur ungenauen Aufschluss und lassen Raum für Interpretationen.

Fix ist nur, dass fast 30 Prozent der Straftaten in Österreich von Ausländern begangen werden und dass fast 40 Prozent der Häftlinge nicht die österreichische Staatsbürgerschaft haben. Um wen es sich dabei handelt und wer die Problemgruppen sind, ist aber weitgehend unbekannt. Die offiziellen Zahlen lassen nämlich viel Interpretationsspielraum – wohl mit ein Grund, warum das Thema gerade in Wahlkampfzeiten regelmäßig hochkocht.

Laut Justizministerium wurden 2006 (aktuellere Zahlen liegen nicht vor) 43.414 Personen wegen strafbarer Handlungen verurteilt, davon 12.888 oder 29,6 Prozent Ausländer. Damit übersteigt die Ausländerkriminalität den Ausländeranteil an der Bevölkerung – er lag 2006 bei 9,8 Prozent – um das Dreifache. Oder anders gesagt: 1,6 Prozent der 814.065 in Österreich lebenden Ausländer waren 2006 Kriminelle, von den 7.451.860 Österreichern waren es dagegen nur 0,6 Prozent.

Bei der Statistik Austria wird vor derartigen Milchmädchenrechnungen jedoch gewarnt. Die Bevölkerungsstatistik unterschätzt nämlich die Zahl der in Österreich befindlichen Ausländer, weil sie beispielsweise Touristen und illegale Einwanderer nicht registriert. “Viele verurteilte Ausländer sind nicht in Österreich gemeldet”, erklärt Sachbearbeiter Alexander Hanika. Damit wird die Statistik verzerrt und der Anteil der Kriminellen an der ausländischen Gesamtpopulation erscheint größer, als er tatsächlich ist.

Aufschluss darüber könnte nur eine genauere Verurteilungsstatistik geben, doch die Zahlen der Justiz berücksichtigen nicht, ob es sich bei einem Verurteilten um einen dauerhaft in Österreich lebenden Ausländer, um einen Touristen oder um einen Asylwerber handelt. Etwas genauer ist die Kriminalstatistik des Innenministeriums. Auch sie ist allerdings mit Vorsicht zu genießen, denn die Kriminalstatistik registriert nur, wer von der Polizei als “Tatverdächtiger” geführt wird, und nicht, ob das Verfahren dann mit einer Verurteilung oder mit einem Freispruch endet.

Demnach befanden sich im Vorjahr unter 247.021 mutmaßlichen Kriminellen 68.941 oder 27,9 Prozent tatverdächtige Ausländer. Aufschlussreich ist die weitere Unterteilung: Berücksichtigt man nämlich nur die Zahl der dauerhaft in Österreich lebenden Ausländer, dann sinkt ihr Anteil an den Anzeigen auf 20,9 Prozent Prozent. Lässt man auch Asylwerber und beschäftigungslose Ausländer weg, dann sinkt der Ausländeranteil an den Tatverdächtigen auf 11,9 Prozent und liegt damit nur noch unwesentlich über dem Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung.

Darauf verweist auch der Kriminalsoziologe Arno Pilgram. Er hält die Kriminalität grundsätzlich weniger für eine Frage der ethnischen, als vielmehr der sozialen Herkunft. “Egal ob Inländer oder Ausländer: Es sind in der Regel minderprivilegierte Bildungs-, Arbeits- und Einkommensgruppen stärker auffällig”, sagt Pilgram gegenüber der APA. Würde man die Kriminalitätsraten von Österreichern und Ausländern in ähnlicher sozialer Lage vergleichen, “dann würde der Unterschied zusammenschmelzen”.

Ein Grund für den hohen Anteil ausländischer Häftlinge von etwa 40 Prozent ist übrigens, dass Ausländer häufiger in Untersuchungshaft genommen werden, als Österreicher und damit die Häftlingsstatistik anheben. Außerdem verweist Pilgram darauf, dass Ausländer oft zu kurzen Freiheitsstrafen verurteilt werden, während Österreicher in vergleichbaren Situationen eher mit bedingter Haft, Geldstrafe oder außergerichtlichem Tatausgleich davonkommen (beim Tatausgleich lag der Ausländeranteil 2007 laut “Neustart” nur bei 18,5 Prozent). Bei langjährigen Haftstrafen seien die Österreicher dagegen “überrepräsentiert”, sagt Pilgram, weil sie häufig erst dann ins Gefängnis gehen, wenn sie schon Vorstrafen “gesammelt” haben.

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