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Ausgerauft: Kleines Kompromisspaket rettet Große Koalition

©APA
Die Regierungsspitze hat Dienstagnachmittag ihr gemeinsames Paket zur Inflationsbekämpfung präsentiert und damit auch den Koalitionsstreit für beendet erklärt. Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) meinte: "2008 wird ein Jahr der Arbeit und nicht der Wahlen sein."

Die Regierung hat noch einmal die Kurve gekratzt. Die Gremien von SPÖ und ÖVP genehmigten am Dienstag einen von den Parteichefs Alfred Gusenbauer (S) und Wilhelm Molterer (V) ausgehandelten Kompromiss. Nachgegeben haben beide. So gibt es weder den “Gusi”-Hunderter noch eine komplett vorgezogene Steuerreform, dafür hat der Kanzler dem Vizekanzler doch eine Entlastung vor allem für Bezieher niedriger Einkommen und Pensionisten herausgerissen.

Kernpunkt ist ein Verzicht auf die Arbeitslosenversicherungsbeiträge der Arbeitnehmer bis zu einem Einkommen von 1.100 Euro. Reduziert werden sie dann noch für jene, die bis 1.350 Euro verdienen. Profitieren von der Maßnahme werden laut Kanzler Gusenbauer rund eine Million Menschen, und das schon ab Juli und im Idealfall mit rund 430 Euro. Wermutstropfen: Die 300 Millionen, die das kostet, werden vom Gesamtvolumen von drei Milliarden für die Gesamt-Steuerreform abgezogen. Das Auslaufen der Erbschaftssteuer wird hingegen nicht eingerechnet.

Vom Paket werden freilich nicht nur die Arbeitnehmer profitieren, auch für die Senioren ist etwas herausgesprungen. Die Pensionserhöhung 2009 wird um zwei Monate vorgezogen. Das heißt, das Plus wird schon im November wirksam. Die exakte Höhe wird – wie üblich vor allem anhand der Inflationswerte – erst im Herbst festgelegt. Bereits fest vereinbart ist, dass heuer gemäß dem Wunsch der ÖVP auf die Anhebung der öffentlichen Gebühren verzichtet wird.

Ein weiterer Punkt des Pakets ist freilich nicht so fix, wie es die SPÖ nach ihrem Präsidium schilderte – die Vermögenszuwachssteuer zur Finanzierung des Gesundheitssystems, vom steirischen Landeshauptmann Franz Voves (S) als “ideologischer Durchbruch”, von Wiens Bürgermeister Michael Häupl (S) als “sensationell” geschildert.

Denn Wirtschaftsminister Martin Bartenstein (V) sprach wenig später nur von einer “Ultima Ratio” und VP-Vize Josef Pröll betonte, dass vor solch einer neuen Steuer zunächst einmal alle Sparpotenziale ausgeschöpft werden müssten. Gusenbauer sieht nur noch Gesprächsbedarf, wie diese Steuer genau ausgestaltet sein soll.

Die Laune verdarb dem Kanzler dieses Geplänkel nicht. Gusenbauer sprach von einem “ziemlich großzügigen Inflationspaket” und sieht die Regierungsarbeit sichtlich weiter als gesichert an: “2008 wird ein Jahr der Arbeit und nicht der Wahlen sein.” Vizekanzler Molterer assistierte: “Da ist eine Sache, die uns eint bis 2010.” Dabei sprach er vor allem die Einigung an, dass es nun doch gegen den ursprünglichen Willen der SPÖ ein Doppelbudget 2009/2010 geben wird.

Um das nun einmal angelaufene Werkel auch am Laufen zu halten, wird gleich im morgigen Ministerrat ein Arbeitsprogramm für das restliche Jahr beschlossen, das laut Gusenbauer eine Präzisierung des Regierungsprogramms bringen wird. Geplant ist auch eine Steuerreformkommission nun beider Parteien, die bis Herbst das Konzept für die 2010 geplante große Entlastung ausarbeiten soll. Beschlossen werden soll diese ebenso im Frühsommer 2009 wie das Budget 2010.

Dass es diesmal mit dem Neustart wirklich funktioniert, ist für die beiden Regierungsspitzen beschlossene Sache. Der Beweis dafür sei das Vorlegen konkreter Ergebnisse am heutigen Tag, sagte Gusenbauer. “Wir haben die Zeichen der Zeit erkannt”, assistierte ihm Molterer. Damit dem auch so bleibt, wurden einige vertrauensbildende Maßnahmen gesetzt. So ist ab sofort Überstimmen im Parlament verboten, mit Ausnahme des gerade anlaufenden U-Ausschusses. Weiters sollen die Minister den jeweils anderen Parlamentsklubs Vorträge über ihre Vorhaben halten.

Die Akzeptanz des Kompromisses war in den beiden Reihen groß, wenngleich auch nicht kritiklos. In der SPÖ ersparte sich Parteichef Gusenbauer eine formelle Abstimmung, die Mitglieder des Präsidiums wurden einfach abgefragt, was sie von dem Papier halten. Die Resonanz soll eine großteils positive gewesen sein, der Kanzler sprach von “größerer und kleinerer Zufriedenheit”. Entsprechend äußerten sich die meisten Parteigranden, so freute sich etwa Häupl, dass man bei der “Neinsagerpartei” ÖVP einen Durchbruch erzielt habe. Kärntens Landeschefin Gaby Schaunig wollte hingegen vorerst nicht kundtun, ob sie dem Papier ihr Wohlwollen schenkt. Für eine entsprechende Beurteilung sei es noch zu früh.

Die ÖVP führte im Gegensatz zum Koalitionspartner einen Beschluss herbei, und der fiel einstimmig aus, wenngleich nach der Sitzung auch ab und an gemeckert wurde. Der steirische Landesobmann Hermann Schützenhöfer, vor der Sitzung noch Gegner des Pakets, übte sich danach in Sarkasmus und sprach von einem Kompromiss “zu dem man stehen kann” – aber er verstehe als “Provinzler” ohnehin nichts davon.

Erwartungsgemäß kritisch äußerte sich die Opposition und nahm vor allem Gusenbauer ins Visier. Aus Sicht der Grünen hat der Bundeskanzler einen “Bauchfleck” hingelegt. Für die FPÖ hat der SP-Chef den “Steuerreform-Elchtest” nicht bestanden und das BZÖ konstatierte, dass die SPÖ mit ihrem Vorsitzenden “mit Bomben und Granaten” umgefallen sei.

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