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Aus für Zweitwohnsitzer-Wahlrecht in NÖ: 90.000 Personen betroffen

Rund 90.000 Zweitwohnsitzer in Niederösterreich verlieren ihr Wahlrecht.
Rund 90.000 Zweitwohnsitzer in Niederösterreich verlieren ihr Wahlrecht. ©APA/ERWIN SCHERIAU
Mit 1. Juni wird das Wahlrecht für Zweitwohnsitzer in Niederösterreich abgeschafft, davon sind rund 90.000 Personen mit Nebenwohnsitz im Bundesland betroffen.
Kein Wahlrecht mehr für Zweitwohnsitzer

Das teilte ÖVP-Klubchef Schneeberger am Donnerstag in einer Pressekonferenz mit SPÖ-Klubobmann-Stellvertreter Christian Samwald mit. SPÖ, Grüne und NEOS begrüßten die Neuregelung.

Zu Spekulationen über einen früheren Termin für die Anfang 2023 geplante Landtagswahl sagte Schneeberger: "Wir denken nicht daran, die Wahl vorzuverlegen."

Immer wieder Kritik an Regelungen für Nebenwohnsitzer-Wahlrecht

Die Sozialdemokraten fordern bereits seit längerem eine Beschränkung des Stimmrechts auf Hauptwohnsitzer. "Unser Credo war immer: Eine Person - eine Stimme", betonte Samwald in St. Pölten. Die Präsidenten des NÖ ÖVP-Gemeindebundes und des sozialdemokratischen NÖ Gemeindevertreterverbandes (GVV) hatten im Vorjahr in einem Schreiben an die Klubobmänner Schneeberger und Reinhard Hundsmüller (SPÖ) für eine Abschaffung des Zweitwohnsitzer-Wahlrechts auf Landes- und Gemeindeebene plädiert. Die nun "in relativ kurzer Zeit" gefundene Lösung "dient der Klarheit, natürlich auch der Rechtssicherheit, und wird den Wünschen und Forderungen der Gemeinden gerecht", betonte der ÖVP-Klubchef.

Die Regelungen für das Nebenwohnsitzer-Wahlrecht hatten zuletzt immer wieder für Kritik gesorgt. Angeheizt wurde das Thema laut Schneeberger durch die geplante flächendeckende Kurzparkzonen-Ausweitung in der Bundeshauptstadt mit 1. März. Niederösterreicher hätten ihren Hauptwohnsitz nach Wien umgemeldet, um ein Parkpickerl zu erhalten. "Wir gehen davon aus, dass 20.000 von 90.000 Zweitwohnsitzern in Verlegenheit kommen, das Wiener Angebot anzunehmen", so der ÖVP-Klubobmann. In einer Demokratie sei das Wahlrecht das "höchste Gut", damit müsse man sehr sensibel umgehen, hielt er fest.

Bei Ummeldung nach Wien "schlechtes Gewissen machen"

"Wir wollen denjenigen, die sich nach Wien ummelden wollen, ein schlechtes Gewissen machen", meinte Schneeberger. Den Gemeinden würden durch Ummeldungen finanzielle Nachteile entstehen, weil sie nur für Hauptwohnsitzer Ertragsanteile vom Bund über den Finanzausgleich erhalten. Den Kommunen würden 15 bis 20 Millionen Euro jährlich entgehen. Die Ertragsanteile liegen den Angaben zufolge bei 780 bis 1.260 Euro pro Hauptwohnsitz und Jahr. Das Geld sei notwendig, um die Infrastruktur in den Gemeinden aufrechtzuerhalten. Weiters forderte Schneeberger von der Planungsgemeinschaft Ost Lösungsvorschläge, wie man für die Pendler aus Niederösterreich und dem Burgenland die "Situation abfedern" könne.

Fragwürdige Zweitwohnsitze und "Scheinmeldungen"

In der Vergangenheit waren immer wieder Vorwürfe über fragwürdige Zweitwohnsitze und "Scheinmeldungen" in niederösterreichischen Gemeinden laut geworden. "Es gab durchaus auch skurrile Situationen, wo Wähler in öffentlichen Gebäuden zu zwanzigst oder dreißigst gemeldet waren", erinnerte Samwald. Nun habe man sich auf eine Neuregelung geeinigt, die "dem Missbrauch vorbeugt und den bürokratischen Aufwand auf vielen Ebenen verhindert". Mit Ausnahme des Burgenlandes haben dann alle Bundesländer das Wahlrecht auf Hauptwohnsitzer beschränkt. Zur Nachfrage, warum die Änderung erst jetzt ungesetzt werde, meinte Schneeberger: "Jetzt ist die Zeit reif und daher machen wir es."

Die Präsidenten Johannes Pressl (Gemeindebund) und Rupert Dworak (GVV) sprachen in einer gemeinsamen Aussendung von "einer enormen Verwaltungsvereinfachung für unsere Kommunen", zudem sorge die Änderung "für eine Entspannung der jahrzehntelangen Wählerdiskussion vor Landtags- und Gemeinderatswahlen". Mit der Wahlrechts-Novelle sei "ein Teilstück absolviert. An den nächsten Themen werden wir ohne Druck arbeiten", nannte Samwald eine ebenfalls von den Gemeindevertretern geforderte Infrastrukturabgabe für Zweitwohnsitzer und die Abschaffung der nicht-amtlichen Stimmzettel als Punkte. Um eine "treffsichere" Zweitwohnsitzerabgabe zu schaffen, brauche man noch geraume Zeit, meinte Schneeberger. Nicht-amtliche Stimmzettel seien "in vielen Gemeinden ganz etwas Persönliches", sagte er. Bevor man das aufgebe, brauche man "etwas Adäquates".

Grüne, NEOS und FPÖ begrüßen Neuregelung

Grüne und NEOS begrüßten in Aussendungen die klare Neuregelung. "Endlich gibt es in Niederösterreich Wahlrecht statt Wahl-Willkür durch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister", sagte Helga Krismer, Fraktionsobfrau und Landeschefin der niederösterreichischen Grünen. Sie verwies darauf, dass ihre Partei seit dem Urnengang 2018 auf eine Reparatur gedrängt habe. "Zweitwohnsitzende wurden willkürlich in die Wählerevidenz aufgenommen oder abgelehnt, was das Wahlergebnis maßgeblich beeinflusste." Indra Collini, Fraktionsobfrau und Landessprecherin der NEOS, bezeichnete es zwar als "bedauerlich, dass Zweitwohnsitzer selbst dann nicht wählen dürfen, wenn sie in ihren Gemeinden engagiert sind. Allerdings ist das oberste Ziel, dem Missbrauch und der Willkür den Riegel vorzuschieben - und das wird damit sichergestellt". Als nächster Schritt müsse das "Demokratiedefizit" der nicht-amtlichen Stimmzettel behoben werden.

FPÖ-Klubobmann Udo Landbauer hielt in einer ersten Reaktion fest: "Der Missbrauch mit Stimmen von Scheinwohnsitzern und dubiosen Nebenwohnsitzmeldungen gehört schon lange abgestellt." Die seit Jahren geforderte Wahlrechtsreform sei bisher immer an der ÖVP Niederösterreich gescheitert. "Wichtig ist, dass jetzt endlich einem möglichen Missbrauch der Riegel vorgeschoben wird. Heute zeigt sich, dass die ÖVP von einer Partei, die agiert, zu einer Partei, die reagiert geworden ist", teilte Landbauer mit.

Schon Änderung bei Landtagswahl 2018

Bei der jüngsten Landtagswahl am 28. Jänner 2018 waren 1,386.356 Personen stimmberechtigt, Nebenwohnsitzer durften nicht mehr automatisch ihr Votum abgeben. Basis dafür war eine 2017 vom Landtag beschlossene Änderung. Gemeinden mussten die Eintragungen in der Wählerevidenz überprüfen. In Erhebungsbögen wurden wirtschaftliche, berufliche und gesellschaftliche Kriterien angeführt, um weiter stimmberechtigt zu sein. Zum Vergleich: Bei der Nationalratswahl am 29. September 2019 durften 1,292.902 Niederösterreicher ihr Votum abgeben. Das waren mehr als 93.400 Personen weniger als bei der Landtagswahl vor vier Jahren.

Festgeschrieben wird mit der am Donnerstag eingebrachten Novelle auch die seit 1945 übliche Verteilung der Sitze in der Landesregierung gemäß des Verfahrens nach d'Hondt. Analog dazu war dies bereits nach einem Rechtsstreit um die Besetzung der Stadtratsmandate in Groß Gerungs (Bezirk Zwettl) und zwei Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes in die Gemeindeordnung aufgenommen worden.

(APA/Red)

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