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Aufbegehren gegen Basel II

Für seinen Vorstoß, die 2008 offiziell in Kraft tretenden verschärften Basel II-Richtlinien zu kündigen, nachdem sie im Zusammenhang mit der schweren US-Immobilienkrise ihre Erfolglosigkeit und Untauglichkeit "dramatisch deutlich bewiesen" hätten, wird Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl auf Bundes- wie auf Landesebene unüberhörbarer Applaus zuteil.

Gestern hatten u. a. der frühere Finanzminister Hannes Androsch, Finanz-Staatssekretär Christoph Matznetter und Böhler Uddeholm-Chef Claus Raidl gefordert, „selbstbewusst über die Schaffung europäischer Rating-Strukturen nachzudenken, statt uns dem von Amerikanern aufgezwungenen Regelwerk zu unterwerfen“. Statt der Klein- und Mittelbetriebe sowie der Häuslbauer, wo ohnehin die breiteste Risikostreuung gegeben sei, müsse sich die Alternative zu Basel II „der wirklichen Problemfelder Derivate und Hedge-Fonds annehmen“. In diesem Zusammenhang gelinde gesagt ärgerlich: In die Basel II-Einführung investierten Österreichs Banken schon 350 Mill. Euro; faktisch halten sie sich schon heute ans EU-weit beschlossene Regelwerk, das die Risken der Banken mindern und die internationalen Finanzsysteme stabil und transparent machen soll.

Der Obmann der Kreditsparte in der Wirtschaftskammer, Hypo-Vorstandschef Jodok Simma, befürwortete auf Anfrage ebenfalls „europäische Aufsichts- und Kontrollstrukturen – die Amerikanisierung geht schon jetzt viel zu weit, siehe neue Rechnungslegungsnormen“. Unsere Banken hätten Basel II bestimmt nicht erfunden, so Simma – schon wegen der teuren Bürokratie, immerhin kommen zu den investierten 350 jährlich weitere 70 Mill. Euro nur für Betrieb und Administration von Basel II (allein in Österreich). Egal ob Basel II oder andere Aufsichtsinstrumente: „Zu beaufsichtigen, nicht nur zu beobachten sind Gefahrenpotenziale wie Hedge-Fonds, und nicht in erster Linie Banken, die Mittelständler finanzieren“ (Simma). Wenn man es schon nicht ganz zurückdrehen könne, solle man Basel II wenigstens auf seine sinnvollen Ansätze reduzieren, fordert Simma.

Der Rankweiler Steuerberater Peter Bahl lehnt Basel II ebenfalls ab, da es „ein lupenreines US-System ist, das weder zu europäischen Firmengrößen noch zu unseren Finanzierungstraditionen passt und nur Kredite antizyklisch und unnötig verteuert“. Von ihm bisher gemachte Erfahrung: Den Kunden wohlgesonnene Bankberater ließen Basel II-Härten oft an diesen vorbeigehen, doch wenn eine Bank einen Kredit nicht geben wollte, konnte sie das unschwer samt und sonders mit den Restriktionen von Basel II argumentieren.

WK-Präsident Kuno Riedmann, ranghöchstes Sprachrohr der Ländle-Unternehmer, rät dazu, „einen eigenen, emanzipierten Weg als EU einzuschlagen, der unseren Gegebenheiten und KMU-Strukturen Rechnung trägt, auch wenn in die falsche Lösung schon viel Geld investiert wurde“. So gesehen sei die US-Krise für uns sogar „Chance, etwas abzuschütteln, das den unterschiedlichen Unternehmens- und Finanzierungskulturen nie gerecht geworden wäre“. Riedmann wie Bahl wiesen gestern darauf hin, dass gerade Jungunternehmer oder in einer „Talsohle“ befindliche Firmenchefs mit restringent gehandhabtem Basel II „praktisch nie die Chance auf geborgtes Geld bekämen“. Riedmann hofft, dass nicht nur Deutschland, sondern auch und gerade neue EU-Länder das österreichische Kündigungsbemühen unterstützen.

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