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Auf dem Weg zu politischem Mandat

Zum ersten Mal hat die islamische Hamas-Bewegung Kandidaten für palästinensische Parlamentswahlen aufgestellt und ist laut allen Umfragen auf dem Weg zu einem starken politischen Mandat.

Selbst wenn die radikale Gruppierung mit ihrem erklärten Ziel einer Zerstörung Israels die regierende Fatah unter dem moderaten Präsidenten Mahmoud Abbas nicht schlägt – ihr Anteil dürfte für eine mächtige Interessenvertretung im neuen Legislativrat ausreichend sein, womöglich sogar für eine Regierungsbeteiligung. Ein solcher Erfolg bei dem Urnengang am Mittwoch könnte die auf Eis liegenden Friedensbemühungen im Nahen Osten weiter lähmen.

„Wir werden Zeugen einer historischen Transformation der politischen Landschaft Palästinas“, sagt der Experte für palästinensische Politik, Mahdi Abdel-Hadi. „Meine Prognose ist, dass sie Kopf an Kopf mit der Fatah liegen werden.“ Bei der Wahl vor zehn Jahren hatte die Fatah mehr als zwei Drittel der Abgeordnetensitze erobert. Rund 1,4 Millionen Palästinenser sind aufgerufen, unter 726 Kandidaten 132 Abgeordnete auszuwählen. Seit die palästinensische Regierungsbehörde 1994 auf der Grundlage der Oslo-Verträge errichtet wurde, wird sie von der Fatah dominiert. Sie tritt dafür ein, den angestrebten Staat in Gaza-Streifen, im Westjordanland und in Ostjerusalem in Verhandlungen mit Israel zu erreichen. Korruption, Vetternwirtschaft und interne Machtkämpfe haben sie jedoch geschwächt. Viele Wähler sind zudem enttäuscht, dass sie die zunehmende Gewalt unter palästinensischen Gruppen im Gaza-Streifen seit dem Abzug Israels im September nicht in den Griff bekommt.

Bei den Kommunalwahlen im Herbst hat die Hamas daher Erfolg um Erfolg eingefahren. Ihre religiöse Ausrichtung verschafft ihr ein moralisch sauberes Image und ihr weit verzweigtes Sozialsystem dankbare Wähler. Eine starke Hamas-Vertretung im Parlament wird die Chancen auf eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche verringern, die seit dem Sommer 2000 auf Eis liegen. Ein großer Erfolg der Extremisten „wird ein Signal für die Israelis sein“, sagte der israelische Experte Yossi Alpher. Israel schließt alle Gespräche unter Beteiligung der Hamas aus, solange die Gruppe an ihrem Ziel festhält, Israel zu zerstören, und ihre Waffen behält. Auf das Konto der Hamas gingen in den vergangenen Jahren fast 60 Selbstmordattentate.

Die große Frage wird sein, ob die Hamas ihre Positionen durch die Arbeit im Parlament mäßigt – oder die Moderaten auf ihre Seite zieht. Es gibt Anzeichen dafür, dass sich die Hamas verändert. Als eines davon gilt nicht zuletzt die Tatsache, dass sie – anders als 1996 – diesmal bei der Wahl antritt. In ihrem Wahlprogramm ist die Forderung nach einer Zerstörung Israels nicht ausdrücklich erwähnt. Auch hat sie sich besser als andere Extremisten-Gruppen an die Waffenruhe gehalten, die Abbas im Februar 2005 erklärt hatte. Zudem deuteten einige Anführer inzwischen an, dass die Bewegung zu Gesprächen mit Israel bereit sein könnte, vorausgesetzt, Israel räumt das Westjordanland und Ostjerusalem genauso wie den Gaza-Streifen.

Abbas hofft darauf, dass die Parlamentsarbeit die Hamas zwangsläufig vor die Entscheidung stellt, ob sie eine politische Bewegung oder weiterhin eine gewalttätige Miliz sein will. Er hat bisher eine offene Konfrontation mit den Extremisten gescheut, in der Sorge, sein Volk damit in einen Bürgerkrieg zu treiben. „Die Welt erwartet von Abbas eine Entwaffnung der Milizen, ein Ende des Chaos und dass er Israel davon überzeugt, den politischen Stillstand aufzubrechen“, sagte ein hochrangiger Fatah-Vertreter. „Andernfalls wird die US-Regierung ihre Hände in Unschuld waschen und ihn fallen lassen.“

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