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Auch Deutschland verscherbelt Tafelsilber

Der Verkauf von Jahrzehnte lang aufgebautem öffentlichen Wohnungseigentum ist nicht spezifisch Österreichisches, das zeigt ein Blick nach Deutschland.

Die leeren Kassen zwingen dort Bund, Länder und Gemeinden zum Abverkauf ihrer Wohnungsbestände. Vor ziemlich genau einem Jahr scheiterten freilich zwei spektakuläre Privatisierungsdeals in Berlin und Köln – an ernüchternd niedrigen Angebotspreisen.

In Köln, wo die Kommune ihre 69 Prozent an zwei städtischen Wohnbaugesellschaften versilbern wollte, ließ der Stadtrat in letzter Sekunde das Geschäft platzen: 420 Mio. Euro seien zu wenig, befanden auch drei CDU-Abgeordnete, sprangen ab und versetzten damit der dortigen CDU/FDP-Koalition den Todesstoß.

In Berlin bliesen die rot-grünen Stadtväter zum Verkauf ihrer Wohnungsgesellschaft GSW, um die deutsche Hauptstadt vor dem finanziellen Ruin zu retten: 72.000 Wohnungen müssten doch enorm viel wert sein, meinten sie. Mitnichten: Der Bestbieter, ein amerikanischer Fonds, wollte dafür gerade einmal 215 Mio. Euro auf den Tisch legen – nicht einmal 3.000 Euro pro Einheit. Dabei hatte die GSW „nur“ 1,8 Mrd. Euro Schulden – und damit weniger als die österreichischen Bundeswohngesellschaften (anders als diese schrieb bzw. schreibt sie freilich rote Zahlen). Berlin will nun einen zweiten Privatisierungsanlauf starten.

Als relativ erfolgreich gilt die bisher größte deutsche Wohnungsprivatisierung im Jahr 2000. Die rot-grüne Regierung führte zu Ende, was die schwarze Vorgängerin eingefädelt hatte und verkaufte auf einen Schlag 114.000 Eisenbahner-Wohnungen an ein Konsortium.

Größter Käufer: Eine deutsche Tochter des größten japanischen Finanzkonzerns Nomura, die sich – mittlerweile umbenannt – auch unter den Bietern für die österreichischen Wohnungen befinden dürfte. Die deutsche Annington Immobilien berappte für 64.000 Eisenbahner-Wohungen rund 2 Mrd. Euro – immerhin mehr als 31.000 Euro pro Stück. Mittlerweile verkauft das Unternehmen den erworbenen Besitz wieder einzeln an die Mieter zurück, zu einem Quadratmeterpreis von etwa 1.000 Euro.

Wie die rot-grüne Bundesregierung haben es in den vergangenen Jahren auch viele deutsche Kommunen gemacht. Nach einer Zählung des deutschen Mieterbundes sind allein 2002 175.000 öffentliche Wohnungen verkauft worden, hauptsächlich durch Kommunen.

Trotzdem befinden sich laut einer Studie in Deutschland noch knapp 3 Millionen Wohnungen in öffentlichem Besitz – 500.000 gehören dem Bund, 2,5 Millionen den Ländern bzw. Gemeinden. Der geschätzte Gesamtwert: rund 100 Mrd. Euro.

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