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Arafat erleidet in Paris Hirntod

Nach einem dramatischem Ringen um das Leben von Yasser Arafat haben die Ärzte am Donnerstagabend den Hirntod des palästinensischen Präsidenten festgestellt.  

Der 75-Jährige sei in ein „sehr tiefes Koma“ gefallen, sagte einer der Mediziner des Percy-Militärkrankenhauses in Clamart bei Paris. Zuvor hatten die Ärzte erklärt, dass sie keine Hoffnung mehr sahen. Gehirnströme waren nach Angaben der Ärzte bei Arafat nicht mehr feststellbar. Er rang seit der Nacht auf Donnerstag mit dem Tod und wurde nur noch mit Hilfe von Maschinen am Leben erhalten.

Kurz vor der Ankündigung der Ärzte hatten Israels Rundfunk sowie Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker den Tod Arafats verkündet. Dies hatten das französische Militär und die palästinensische Autonomiebehörde jedoch umgehend dementiert. Arafats „klinischer Zustand“ sei „noch komplexer“ geworden, sagte der ranghöchste Arzt der französischen Armee, General Christian Estripeau. Juncker sagte bei seinem Eintreffen zum Brüsseler EU-Gipfel gegen 17.40 Uhr, Arafat sei „vor 15 Minuten“ gestorben. Kurz darauf ließ er diese Angaben über einen Mitarbeiter zurückziehen. Die Krankenhausärzte hatten am Donnerstagmittag die Hoffnung für den in ein tiefes Koma gefallenen Arafat aufgegeben und erklärt, der 75-Jährige sei in „extrem schlechter Verfassung“ und werde sich „nicht wieder erholen“.

Während des von Israel verhängten de-facto-Hausarrests in Ramallah habe er keine angemessene medizinische Versorgung erhalten. Die Ärzte legten ein Elektro-Enzephalogramm (EEG) zur Messung der Hirnströme Arafats an, was sie als Zeichen für den “äußersten Ernst“ der Lage werteten. Ein EEG wird eingesetzt, um Funktionsstörungen des Gehirns und gegebenenfalls einen Todeszeitpunkt festzustellen.

Der französische Präsident Jacques Chirac eilte vor seiner Reise nach Brüssel zum EU-Gipfel an Arafats Krankenbett. US-Präsident George W. Bush sagte, als er auf den möglichen Tod Arafats angesprochen wurde: „Gott sei seiner Seele gnädig“. Zugleich kündigte er an, er werde die Bemühungen um „einen freien Palästinenserstaat“ fortsetzen, der „mit Israel im Frieden“ lebe.

Der Todeskampf Arafats lässt Unruhen im Nahen Osten befürchten. Die amtierende Palästinenserführung beschloss einen Krisenplan gegen Gewalt, Israel versetzte die Truppen im Gazastreifen und im Westjordanland in Alarmbereitschaft. Das Fatah-Zentralkomitee und das PLO-Exekutivkomitee kamen in Ramallah zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Insbesondere im Gazastreifen wurden bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Palästinensergruppen befürchtet. Ein ranghoher PLO-Vertreter kündigte an, dass der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Korei am Freitag den Gazastreifen besuchen werde, um mit den dortigen Sicherheitskräften zu beraten. Der palästinensischen Delegation in Paris zufolge hatte Arafat seit Mittwoch drei Mal das Bewusstsein verloren und es seit der Nacht zum Donnerstag nicht mehr wieder erlangt.

Der Palästinenserpräsident war in der Nacht auf die Intensivstation verlegt worden. Vor dem Krankenhaus versammelten sich Dutzende Journalisten. Arafat war in der vergangenen Woche zusammengebrochen und am Freitag zur Untersuchung und Behandlung nach Frankreich geflogen worden. Ein Zwischenbefund ergab Veränderungen im Blutbild und Störungen im Verdauungssystem des 75-Jährigen. In ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht schlossen die Pariser Ärzte dagegen eine zunächst ebenfalls für möglich gehaltene Leukämie aus.

Der palästinensische Präsident Yasser Arafat hat am Donnerstag mit dem Tod gerungen, nachdem sich sein Gesundheitszustand innerhalb nur weniger Tage drastisch verschlechtert hatte. Offiziellen Angaben zufolge war er noch am 23. Oktober „ok.“

Die Chronologie:

  • Samstag, 23. Oktober: Mit einer Sondergenehmigung Israels suchen tunesische Ärzte Arafat in seinem Hauptquartier in Ramallah auf. Chefberater Nabil Abu Rudeina beteuert, der 75-Jährige sei „ok“. Sonntag, 24. Oktober: Ein Vertrauter berichtet, die Ärzte hätten eine „sehr schwere Grippe“ diagnostiziert.
  • Montag, 25. Oktober: Israel lockert den seit Dezember 2001 verhängten De-facto-Hausarrest. Arafat kann sich im Krankenhaus von Ramallah behandeln lassen.
  • Mittwoch, 27. Oktober Der staatliche israelische Rundfunk meldet, Arafat habe das Bewusstsein verloren, was Rudeina dementiert. Der Büroleiter des palästinensischen Regierungschefs Ahmed Korei erklärt aber im US-Nachrichtensender CNN, Arafat schwebe in Lebensgefahr. Israel sichert zu, Arafat könne überallhin reisen, um sich behandeln zu lassen.
  • Donnerstag, 28. Oktober: Arafat fordert einem Vertrauten zufolge die Palästinenser und „die ganze Welt“ auf, sich keine Sorgen um seine Gesundheit zu machen. Jordanische Mediziner um Arafats Leibarzt Ashraf Kurdi untersuchen den Palästinenserpräsidenten in dessen Hauptquartier. Sie berichten von einer „Anomalie“ des Blutbildes, die vermutlich auf eine Virusinfektion, Krebs oder eine Blutvergiftung zurückzuführen sei. Das palästinensische Fernsehen zeigt Bilder Arafats im Pyjama umgeben von seinen Ärzten. Israel sichert nach einer Therapie im Ausland eine Rückkehr zu.
  • Freitag, 29. Oktober: Lächelnd und winkend, aber sichtbar geschwächt verlässt Arafat sein Hauptquartier. Er wird per Hubschrauber nach Jordanien gebracht. Von dort aus transportiert ihn ein französisches Militärflugzeug mit seiner Frau Suha und einigen engen Mitarbeitern nach Paris. Bald nach der Einlieferung ins Percy-Militärhospital nehmen die Ärzte erste Untersuchungen vor.
  • Montag, 1. November: Vertraute melden eine „eindeutige Verbesserung“ von Arafats Gesundheitszustand. „Jetzt sind wir sicher, dass er an keinerlei Art von Krebs leidet“, sagt ein Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will.
  • Dienstag, 2. November: In Absprache mit Arafat und dessen Familie wird ein erster Zwischenbefund veröffentlicht. Demnach leidet der 75-Jährige an Störungen des Blutbildes und Verdauungsproblemen, aber nicht an Leukämie.
  • Mittwoch, 3. November: Arafat wird auf die Intensivstation gebracht. Nach Angaben aus seiner Delegation verliert er in der Nacht zum 4. November drei Mal das Bewusstsein und wacht beim dritten Mal nicht aus dem Koma auf.
  • Donnerstag, 4. November: Die französischen Ärzte haben keine Hoffnung mehr für Arafat. Sein Körper wird nur noch durch Maschinen am Leben gehalten und reagiert nicht mehr auf die Behandlung. „Er wird sich nicht wieder erholen.“ Stundenlang dementieren Palästinenservertreter die dramatische Lage; schließlich räumt Rudeina ein, dass Arafat in Lebensgefahr schwebt. Am Abend meldet das israelische Staatsfernsehen Arafats Tod, auch Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker erklärt ihn für tot. Ein Krankenhaus-Sprecher in Clamart dementiert prompt. Später zieht Juncker seine Mitteilung zurück.

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