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Anstieg der Drogentoten befürchtet

Der Wiener Drogenkoordinator Michael Dressel schlägt Alarm: In Wien drohe ein Anstieg der Suchtgifttoten, doch Gegenmaßnahmen könnten kaum ergriffen werden, weil der Bund die versprochenen Obduktionsbefunde der Verstorbenen nicht herausrücke.

Im Gesundheitsministerium weist man alle Schuld von sich. Versäumnisse gebe es höchstens in der Wiener Gerichtsmedizin.

Im Jahr 2003 wurden in Wien 92 Drogentote verzeichnet. Aktuellere Daten gibt es nicht, doch beim Fonds Soziales Wien (FSW) rechnet man für 2004 mit einem Anstieg um 15 bis 20 Prozent. Damit käme man wieder dem Spitzenwert des Jahres 2000 nahe, als 110 Menschen in Wien an den Folgen des Drogenkonsums starben.

„Entsprechende Gegenmaßnahmen kann man nur ergreifen, wenn man jeden Todesfall genau untersucht“, so Dressel. Er versuche daher bereits seit seinem Amtsantritt, die entsprechenden Obduktionsbefunde zu erhalten. Damit könne man klären, welche Substanzen genau im Spiel gewesen seien, ob die Person von der Drogenhilfe betreut worden sei und ob sie bereits einen Entzug hinter sich gehabt habe, welche psychische Faktoren mitgespielt hätten und ob es sich vielleicht um einen „versteckten Selbstmord“ gehandelt hätte.

“Mir sind die Hände gebunden”

„Da ist absoluter Handlungsbedarf gegeben, und mir sind die Hände gebunden“, klagte Dressel: „Ich halte das wirklich für einen Skandal.“ Dabei, so der Drogenkoordinator, habe man sich bereits vor einigen Monaten mit dem Gesundheitsministerium geeinigt: „Das Jahr geht zu Ende, und ich frage mich, wo sind die Befunde.“

Dressels Ansprechpartner im Gesundheitsministerium, Bundesdrogenkoordinator Franz Pietsch, reagierte mit Unverständnis auf die Kritik. Noch im August, also kurz nach der Einigung zwischen Wien und dem Bund, habe man die für das Jahr 2005 vorliegenden Obduktionsgutachten übermittelt. Geschickt habe man sie allerdings nicht an den FSW, an den die Gemeinde die Drogenhilfe ausgelagert hat, sondern – aus Datenschutzgründen – an das Gesundheitsamt (MA 15) als zuständige Behörde.

Probleme mit Wiener Gerichtsmedizin

Sollten die Daten innerhalb der Wiener Verwaltung nicht weitergegeben worden sein, dann liege das nicht am Ministerium, so Pietsch: „Offensichtlich gibt es ein internes Kommunikationsproblem zwischen der Drogenkoordination und der MA 15.“ In ältere Befunde könne im Ministerium jederzeit Einsicht genommen werden.

Probleme gebe es allerdings mit der Wiener Gerichtsmedizin, was der Grund sei, warum für 2005 erst rund 30 Befunde an die MA 15 weitergeleitet werden konnten. „Die Gutachter dort machen offenbar lieber lukrative Privatgutachten“, so Pietsch. Die „baulichen und personellen Kalamitäten“ in der Wiener Gerichtsmedizin seien bekannt, und bis heute seien noch 20 Gutachten zu Drogentoten ausständig.

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