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Ankara: Geständnis und Fluchtversuch

Mit einem dramatischen Fluchtversuch im Gerichtssaal hat am Freitag in Ankara der Prozess wegen des Anschlages auf den türkischen Verwaltungsgerichtshof begonnen.

Mit den Worten, er müsse „Allahs Befehlen gehorchen“ und am moslemischen Freitagsgebet teilnehmen, versuchte der 29-jährige Hauptangeklagte Alparslan Arslan, aus dem Gerichtssaal zu fliehen. Sicherheitskräfte im Saal hielten ihn zurück.

Zuvor hatte er gestanden, am 17. Mai auf die Richter des Obersten Verwaltungsgerichts in Ankara geschossen zu haben; dabei waren ein Richter getötet und vier andere verletzt worden. Die Staatsanwaltschaft wirft Arslan vor, er habe die Tat wegen des vom Gericht verschärften Kopftuchverbots begangen und verlangt lebenslange Haft.

Arslan sagte, er habe den Anschlag aus religiösen Gründen verübt. „Wir sind die Soldaten Allahs“, soll er gerufen haben, während er auf die Richter schoss. Die Anklage lautet auf Mord und bewaffneten Umsturzversuch. Der Vater des Angeklagten, Idris Arslan, sagte vor dem Gerichtsgebäude, unter dem Deckmantel des Laizismus würden die „Werte“ der Türkei angegriffen. Im Land trieben „Feinde der Türken, des Islam, der Fahne und des Korans“ ihr Unwesen.

Vor Gericht gestand Arslan auch, an Überfällen mit Handgranaten auf die laizistische Tageszeitung „Cumhuriyet“ beteiligt gewesen zu sein. Er sprach außerdem von weiteren geplanten Anschlägen, darunter einen Mordanschlag auf einen prominenten Unternehmer.

Während Arslans Aussagen war von einer nahen Moschee der Ruf zum Mittagsgebet zu hören. „Es ist Zeit für das Freitagsgebet“, sagte er. „Ich muss Allahs Befehlen gehorchen.“ Als der Richter ihm verbot, den Saal zu verlassen, sprang Arslan aus dem Zeugenstand und rannte Richtung Tür. Nach wenigen Schritten wurde er von Sicherheitskräften aufgehalten; wegen des Tumultes wurde die Verhandlung für zwei Stunden unterbrochen.

Türkischen Fernsehberichten zufolge vermittelte Arslan mit seinem Auftritt im Gerichtssaal den Eindruck, unter „geistiger Umnachtung“ zu leiden. Sein Anwalt hatte vor dem Prozess versucht, ihn für unzurechnungsfähig erklären zu lassen.

Der Richtermord hatte die Auseinandersetzung zwischen der gemäßigt-islamischen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und deren laizistischen Gegnern in der Armee und im Staatsapparat eskalieren lassen. So demonstrierten zehntausende Menschen nach der Gewalttat gegen die Regierung und gaben Erdogan eine Mitschuld an dem Anschlag. Erdogan wies dies zurück und bezeichnete den Anschlag als „Komplott“, mit dem seine Regierung unter Druck gesetzt werden sollte.

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