Und schließlich haben viele Kandidaten geringe Bekanntheitswerte. Die SPÖ hat sich überraschenderweise dazu entschlossen, mit Hannes Swoboda als Spitzenkandidat in die Wahl zu ziehen: Bundeskanzler und Parteichef Werner Faymann ist EU-Kritiker, wie er mit seinem berühmten Leserbrief zum Vertrag von Lissabon deutlich gemacht hat. Swoboda ist im Unterschied dazu überzeugter Europäer. Inhaltlich setzten die Sozialdemokraten im Wahlkampf auf ein soziales Europa, das sich um Jobs kümmern soll.
Die ÖVP hat allen etwas zu bieten: Spitzenkandidat Ernst Strasser ist EU-Kritiker, der Listenzweite Othmar Karas hingegen Europäer durch und durch. Zwischen den beiden gibt es denn auch einen Wettstreit darum, wer mehr Vorzugsstimmen erreicht. Strasser ist für einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, Karas dagegen. Inhaltlich setzte die Volkspartei vor allem auf die EU als Kompetenzzentrum zur Bewältigung der Wirtschaftskrise.
Den FPÖ-Wahlkampf haben vor allem Parteichef Heinz Christian Strache und der Dritte Nationalratspräsident Martin Graf bestritten (Auftritt mit Kruzifix etc.). Spitzenkandidat Andreas Mölzer stand im Hintergrund. Die Freiheitlichen betrachten sich als anti-europäische Partei in jeder Hinsicht. Österreich stärken, FPÖ wählen, weils die EU nur so kapiert, lautet denn auch ein Slogan der Partei.
Die Grünen haben lange um Listenplatz eins und eine Linie kämpfen müssen. Johannes Voggenhuber hätte die Partei gerne in die Wahl geführt, Ulrike Lunacek bekam jedoch den Vorzug. Anfangs distanzierte sich Bundessprecherin Eva Glawischnig etwa vom Vertrag von Lissabon. Mittlerweile bekennt man sich aber wieder dazu. Unbestritten ist bei den Grünen ein Bekenntnis zu einem sozialeren, ökologischeren und damit stärkeren Europa. Als einzige Spitzenkandidatin ist Lunacek indes für einen EU-Beitritt der Türkei.
Sehr europakritisch gibt sich das BZÖ mit seinem Spitzenkandidaten Ewald Stadler. So spricht sich der gebürtige Vorarlberger dafür aus, Grenzkontrollen wieder einzuführen. Außerdem solle ein Kerneuropa geschaffen werden, dem nur die heutigen Nettozahler (Deutschland, Österreich, …) angehören sollen.
Hans-Peter Martin betrachtet sich als glühenden Pro-Europäer, der Missstände gerade deshalb anprangert, damit das Integrationsprojekt längerfristig gestärkt wird. Auf Brüsseler Ebene sieht der gebürtige Vorarlberger ein massives Demokratiedefizit; das Parlament sollte daher wesentlich mehr Einfluss erhalten. U.a. durch seinen Widerstand verhindert wurde laut Martin zuletzt ein Luxus-Pensionsfonds für EU-Abgeordnete.