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Akademikerball-Gegendemonstrant womöglich zu Unrecht angeklagt

Beim Akademikerball geriet der Demonstrant mit der Polizei aneinander
Beim Akademikerball geriet der Demonstrant mit der Polizei aneinander ©APA (Sujet)
Wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt hat sich am Montag ein Schüler im Straflandesgericht verantworten müssen. Der damals 17-Jährige hat am 27. Jänner 2014 an einer Gegendemonstration gegen den Wiener Akademikerball (WKR) 2014 teilgenommen, wobei es Zwischenfälle gab.
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Laut Anklage hat der Jugendliche einen Polizisten zunächst mit einer Transparent-Stange geschlagen und sich danach gegen seine Festnahme gewehrt. Möglicherweise wurde allerdings der Falsche zur Anklage gebracht.

Jugendlicher beschreibt Demo-Tumulte

Der mittlerweile 18-Jährige versicherte zunächst in seiner Einvernahme, er habe im Bereich Löwelstraße-Burgtheater kein Transparent getragen und weder eine Holzstange in Händen gehalten noch damit auf einen Beamten eingeschlagen. Es habe tumultartige Szenen gegeben, er sei plötzlich von einem Polizisten zu Boden geworfen, fixiert und festgenommen worden.

Mehrere Zeugen bestätigten diese Darstellung. Andere Demonstranten hätten die Exekutive mit Dosen und Flaschen beworfen, auch Knaller und bengalische Feuer gezündet. Der Angeklagte habe damit aber nichts zu tun gehabt und sich nichts zuschulden kommen lassen. Dennoch habe ihn die Polizei “gepackt und aus heiterem Himmel zu Boden geschmissen, geworfen, was auch immer”, so ein Augenzeuge.

Verwechslung bei Akademikerball-Gegendemo?

“Es kann sich nur um eine Verwechslung handeln”, mutmaßte Ernst Schillhammer, der Verteidiger des 18-Jährigen, in Bezug auf den Strafantrag. Der Zeugenaufritt des Beamten, gegen den der Bursch vorgegangen sein soll, deutete dann tatsächlich in diese Richtung.

Der 37 Jahre alte Beamte erklärte nämlich, er erkenne in dem Angeklagten “nicht zu 100 Prozent” den Angreifer wieder. Er habe damals mit zahlreichen anderen Kollegen hinter dem Burgtheater eine Sperrkette gebildet. Eine “Menschenmasse” habe dagegen angedrückt: “Teilweise sind sie durchgelaufen.” Jemand habe ihm mit einer Stange auf den Unterarm gehaut: “Aufgrund der Schutzausrüstung habe ich keinen Schmerz gehabt.”

Rangelei mit der Polizei

Reflexartig habe er dennoch nach der Stange gegriffen und dabei den Arm des Angeklagten zu fassen gekriegt. Es sei mit diesem zu einer “Rangelei” gekommen, ein zweiter Kollege habe ihn “schützend” unterstützt: “Wir haben ihn am Boden abgelegt und mit einem Oberarm-Streckhebel fixiert.”

Auf Nachfrage von Richterin Michaela Röggla-Weiss räumte der Polizist ein, seine Sicht sei während der Amtshandlung aufgrund des Schutzhelms getrübt gewesen: “Das Visier war angelaufen. Das passiert bei solchen Einsätzen. Aufgrund der Menschenmasse war es leicht beschlagen.”

Stange in der Hand

Der Bursch habe eine Stange bei sich gehabt, insistierte der Beamte: “Bei ihm war eine Holzstange. Er hatte eine in der Hand.” Belegen lässt sich das insofern nicht, als die angebliche Tatwaffe nicht sichergestellt wurde. “Die war dann weg”, berichtete der Polizist. Eine Sicherstellung sei “normalerweise üblich, aufgrund der Menschenmasse kann das aber relativ rasch verschwinden”.

Bursch seit Amtshandlung auf Krücken

Dem Strafantrag zufolge soll der 18-Jährige dem Polizisten nicht – wie von jenem geschildert – auf den Unterarm, sondern mit der Fahnenstange sogar in Richtung Kopf geschlagen haben. Der Staatsanwaltschaft zufolge soll der Bursch außerdem versucht haben, seine Festnahme mit Tritten zu verhindern. Davon war in der Zeugenaussage des 37 Jahre alten Beamten allerdings überhaupt nicht mehr die Rede.

Für den Schüler hatte die Amtshandlung gravierende gesundheitliche Folgen. Er wurde bei dem polizeilich erzwungenen Sturz verletzt und musste auf Krücken den Weg zur Anklagebank antreten, obwohl der Vorfall über ein Jahr zurückliegt. Wie er und sein bei der Verhandlung anwesender Vater der APA in einer Prozesspause schilderten, war der Jugendliche mit beiden Knien mit voller Wucht auf den Beton geknallt. Das habe ein Knochenödem zur Folge gehabt, verwies der Jugendliche auf ärztliche Feststellungen. Obwohl er mehrere Ärzte konsultiert habe und Therapien in Anspruch nahm, sei er nach wie vor in seiner Bewegungsfähigkeit einschränkt. Zudem ist der 18-Jährige seinen Angaben nach weiterhin täglich auf Schmerzmittel angewiesen.

Verhör nach langem Warten

Nach seiner Festnahme war der Bursch auf eine Wachstube gebracht worden. Man habe ihn vier Stunden in eine Zelle gesperrt, wie er der APA erzählte. Erst dann sei er “verhört” worden. Um halb vier in der Früh habe man ihn schließlich entlassen, sein Vater habe ihn abgeholt.

Der schlaksige Bursch bringt 65 Kilo auf die Waage, wie er auf Befragen der Richterin erklärte. Der Polizist, gegen den er sich gewehrt haben soll, ist einen Kopf größer und wiegt eigenen Angaben nach 105 bis 110 Kilogramm. Ein gegen den Polizeibeamten gerichtetes Verfahren wegen Körperverletzung wurde von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Der Rechtsvertreter des Burschen hat dagegen zunächst einmal “einen Begründungsantrag” eingebracht, wie Ernst Schillhammer der APA erklärte. Ob er letztlich auch einen Fortführungsantrag stellen wird, will der Anwalt vom Ausgang des Strafverfahrens gegen den 18-Jährigen abhängig machen.

Verhandlung in Wien vertagt

Die Verhandlung gegen den 18 Jahre alten Burschen, der bei einer Gegendemonstration gegen den letztjährigen WKR-Ball einen Polizisten geschlagen und sich gegen seine Festnahme mittels gegen den fast doppelt so schweren Beamten gerichteten Tritten gewehrt haben soll, wurde auf kommende Woche vertagt. Die Staatsanwältin will auch noch den zweiten an der Amtshandlung beteiligten Polizisten hören.

Wien. Dieser hatte sich urlaubsbedingt entschuldigt. Während Verteidiger Ernst Schillhammer mit der Verlesung seiner bisherigen Aussagen zufrieden gewesen wäre, beharrte die Anklagebehörde auf dem persönlichen Erscheinen des Beamten. Das Verfahren soll am kommenden Montag finalisiert werden.

Wie heuer gegen den Akademikerball demonstriert wurde, können Sie hier nachlesen.

(apa/red)

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