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Ab 1. Jänner 2023: Atomkraft wird "grün"

Ab dem 1. Jänner tritt die umstrittene EU-Einstufung in Kraft.
Ab dem 1. Jänner tritt die umstrittene EU-Einstufung in Kraft. ©APA/DPA/ARMIN WEIGEL (Symbolbild)
Ab dem 1. Jänner 2023 können Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke in der EU als klimafreundlich oder "grün" eingestuft werden.

Die umstrittene Ergänzung zur EU-Taxonomie-Verordnung tritt zum Jahreswechsel in Kraft. Daran ändert auch eine Klage Österreichs beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorerst nichts. Eine Entscheidung wird erst in rund zwei Jahren erwartet. Experten gehen davon aus, dass zusätzliche Investitionen durch die neue Regelung vor allem in bestehende AKWs fließen werden.

Ziel der Taxonomie-Regelung: Kampf gegen den Klimawandel

Ziel der sogenannten Taxonomie-Regelung ist es, den Kampf gegen den Klimawandel voranzubringen. Dies geschieht durch eine Art Katalog für klimafreundliche Investitionen, die Unternehmen und Privaten dabei helfen sollen, klimafreundliche Projekte zu identifizieren und Geld dort zu investieren. Für Kritik von Umweltschützern und Atomkraftgegnern sorgt, dass im vergangenen Jahr Atomkraft und Gas unter Auflagen darin aufgenommen wurden.

Vor allem Frankreich, das 70 Prozent seines Energiebedarfs durch Atomenergie deckt, war eine treibende Kraft dabei, Investitionen in die Atomkraft aufzunehmen. Auch viele andere Staaten - allen voran die östlichen Nachbarstaaten Österreichs - erhoffen sich von der neuen Regelung mehr Geld für den Ausbau ihrer Atomkraftwerke. Deutschland unterstützte den Plan andererseits, weil Gas als Übergangstechnologie eingestuft wurde.

Atomkraft wird "grün" ab 1. Jänner

Die Einstufung sende "ein katastrophales Signal an die internationalen Finanzmärkte", kritisiert der Pariser Energieexperte Mycle Schneider gegenüber der APA und sieht eine "einzigartige historische Chance" verpasst. "Milliarden werden in Optionen fließen, die für den Klimanotstand keine Erlösung bieten", prognostiziert der Experte.

Das Geld dürfte dabei weniger in Neubauprojekte als in die Erneuerung und Instandhaltung alter AKW-Anlagen fließen, meint Schneider. Einen zusätzlich verstärkten Ausbau der Atomenergie in Europa erwartet er nicht und verweist auf Bauverzögerungen, fehlende technische Voraussetzungen und Abhängigkeiten von russischem Kernbrennstoff. Die zusätzlichen Investitionen werden daher eher in den AKW-Bestand fließen und "vielleicht weitere Milliarden in Projektentwicklungen und Baustellen, die vielleicht nie vollendet werden", so Schneider.

Der Experte betont, dass die Einstufung von Atomenergie und Gas als nachhaltig in beiden Fällen faktisch falsch sei. "Erdgas ist de facto ein ausgesprochen wirkungsvolles Treibhausgas - wesentlich wirkungsvoller als CO2 - und Atomkraft erzeugt de facto radioaktiven Müll, der auf Tausende von Generationen Auswirkungen hat und damit eindeutig einem Grundprinzip der Nachhaltigkeit widerspricht", so Schneider.

Chefökonom der NEA ist anderer Ansicht

Der Chefökonom der Nuclear Energy Agency (NEA), die bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris angesiedelt ist, Jan Horst Keppler, ist anderer Ansicht. Die Einstufung von Kernenergie und Erdgas als "grüne Energien" diene dazu, beide Energien ohne finanziellen oder politischen Malus weiterzubetreiben. "Da Europa auf absehbare Zeit beide Energien brauchen wird, ist das eine gute Sache", meint Keppler gegenüber der APA.

Allerdings handle es sich um eine "weiche" oder indirekte Form der Unterstützung. "Es ist eine Illusion zu meinen, dass die Taxonomie nun automatisch neue Finanzierungsquellen zu geringeren Kapitalkosten ermöglichen wird", so der Experte. Die Kriterien für Umwelt, Soziales und guter Unternehmensführung (ESG) seien viel zu vage, als dass sie zu mehr als ungefähren Absichtserklärungen der Investoren führen könnten.

Zudem gebe es in den USA eine Gegenbewegung zu ESG und die amerikanischen Finanzströme seien wichtiger als die europäischen. Die Finanzierungsbedingungen für Kernkraft und Erdgas in Europa werden sich daher in einem Wechselspiel zwischen beiden Finanzplätzen, sowie den nationalen Rahmenbedingungen in den europäischen Mitgliedsländern entscheiden, prognostiziert Keppler.

(APA/Red)

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