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Sozialhilfe: Mehr Bezieher, geringe Kosten

Die Kosten der Sozialhilfe sind mit 0,27 Prozent des BIP verschwindend gering.
Die Kosten der Sozialhilfe sind mit 0,27 Prozent des BIP verschwindend gering. ©APA/dpa/Jan Woitas (Symbolbild)
Im Jahr 2024 ist die Zahl der Sozialhilfe-Empfänger um 4,5 Prozent gestiegen, wie die Statistik Austria berichtet. Dies ist vor allem auf den schwierigen Arbeitsmarkt und die hohe Inflation zurückzuführen, erklärte Sozialministerin Korinna Schumann. Die Kosten für die Sozialhilfe bleiben verschwindend gering.
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Im Vorjahr erhielten durchschnittlich 205.781 Personen Sozialhilfe, rund 8.800 mehr als 2023, aber immer noch weniger als 2017 bis 2020. Die Gesamtausgaben stiegen auf 1,317 Mrd. Euro, wobei 60 Prozent dieser Erhöhung durch Valorisierungen bedingt sind. Der Anteil der Kosten für die Sozialhilfe am Gesamtbudget beträgt lediglich 0,27 Prozent des BIP. Kürzungen bei der Sozialhilfe könnten das Budget nicht sanieren, da dies Hunger und Obdachlosigkeit verstärken würde, so Schumann. "Die Sozialhilfe ist das letzte Sicherheitsnetz", betonte sie um das Lebensnotwendige zu sichern, wenn Einkommen wegfallen.

Sozialhilfe "Spiegel" der Arbeitsmarktsituation

Schumann verwies darauf, dass die Situation auf dem Arbeitsmarkt weiterhin angespannt sei. Dies merke man auch an den Entwicklungen in der Sozialhilfe. Von den rund 8.800 zusätzlichen Beziehenden waren laut Ministeriumsangaben neun von zehn beim Arbeitsmarktservice (AMS) als arbeitssuchend registriert. Auch betonte Schumann die besonderen Probleme der Betroffenen durch die Teuerung. Die Inflationsrate lag im Oktober 2025 bei 4 Prozent. Für die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung liege die Teuerung jedoch monatlich um 0,4 Prozentpunkte höher als für die wohlhabendsten zehn Prozent, verwies man im Sozialministerium auf Daten des Instituts für Höhere Studien (IHS). Grund dafür sei die Konsumstruktur: Geringverdienende müssen fast ihr gesamtes Einkommen für Wohnen, Energie und Lebensmittel aufwenden, diese stellen die Bereiche mit den höchsten Preissteigerungen dar.

Nur 43 Prozent der Sozialhilfe-Bezieher sind erwerbsfähig

Von den Sozialhilfeempfängern sind nur 43 Prozent erwerbsfähig. Hiervon sind 35 Prozent arbeitslos gemeldet, acht Prozent befinden sich in Beschäftigung - und erhalten die Sozialhilfe als sogenannte "Aufstocker" (da ihr Einkommen zu gering ausfällt). Die größte Gruppe der Bezieher sind Kinder - mit 37 Prozent. Nach den Arbeitssuchenden und den ohnehin Beschäftigten sind weitere acht Prozent nicht arbeitsfähig. Sieben Prozent sind in Pension (und dort "Aufstocker"), weitere fünf Prozent können wegen Fürsorgepflichten nicht am Erwerbsleben teilnehmen. 53 Prozent der Bezieherinnen und Bezieher stammen aus Drittstaaten, 38 Prozent sind österreichische Staatsbürger. 44 Prozent haben einen Asyl- oder subsidiären Schutzstatus. Die durchschnittliche Bezugsdauer lag bei 9,1 Monaten.

Regionale Unterschiede bei der Sozialhilfe

Der Großteil - rund 70 Prozent - aller Sozialhilfe- und Mindestsicherungsbezieher lebt in Wien. In der Bundeshauptstadt gab es 2024 einen Anstieg um fünf Prozent, während Bundesländer wie Tirol (-0,2 Prozent) oder Vorarlberg (-1,8) leicht rückläufige Zahlen meldeten. Die Wiener ÖVP kritisierte einmal mehr, dass Wien der "Sozialhilfemagnet Österreichs" sei und forderte Einsparungen bei der Mindestsicherung in der Stadt. Zwar ist 2024 in Wien im Bundesländer-Vergleich die Beschäftigung am stärksten gewachsen - nur dank der Bundeshauptstadt gab es insgesamt ein Beschäftigungs-Plus, hieß es aus dem Ministerium. Dass die Zahl der Mindestsicherungsbezieher dennoch wuchs, habe mehrere Gründe: Erstens konzentriere sich hier das Bevölkerungswachstum und die Bevölkerung in Wien sei "sehr jung", wodurch es auch einen starken Druck auf den Arbeitsmarkt gebe.

Auch würden die Sozialhilfeempfänger in den Städten einen besonders schlechten Gesundheitszustand aufweisen, gleichzeitig ziehe die gute Gesundheitsversorgung die Betroffenen in die Städte. Auch von der Zuwanderung - sowohl jene aus dem Ausland wie die Binnenwanderung - seien Städte besonders betroffen. Auch in der Steiermark leben 60 Prozent der Bezieher in Graz, in Salzburg ein ähnlich hoher Anteil in der Stadt Salzburg. Die monatliche Leistungshöhe lag 2024 bei 505 Euro pro Person. Die Spannweite reichte von 431 Euro im Burgenland bis 522 Euro in Wien.

Sozialhilfe-Bezieher: Probleme bei Wohnkosten

Laut der EU-SILC-Erhebung 2022-2024 sind Personen in Sozialhilfehaushalten drei- bis fünfmal häufiger von materieller Deprivation betroffen als der Durchschnitt. 33 Prozent können Miete oder Betriebskosten nicht pünktlich zahlen - bei Haushalten ohne Bezug sind das nur fünf Prozent. 30 Prozent können sich kein Auto leisten, 18 Prozent ihre Wohnung nicht angemessen warm halten, sieben Prozent verfügen über kein Internet. In überbelegten Wohnungen leben 24 Prozent der Bezieher, 28 Prozent in Wohnungen mit Feuchtigkeit oder Schimmel. "Viele Sozialhilfehaushalte zahlen ähnlich hohe Wohnkosten wie andere - leben aber auf engerem Raum und oft in schlechterem Zustand", sagte dazu Schumann. Das durchschnittliche Jahreseinkommen von Haushalten mit Sozialhilfebezug lag laut Ministerium bei 19.800 Euro, gegenüber 31.300 Euro in Haushalten ohne Bezug.

Viele chronisch Kranke und Behinderte unter Sozialhilfe-Beziehern

Auch gesundheitliche Einschränkungen führen zu finanziellen Schwierigkeiten: Mehr als die Hälfte (51 Prozent) der Menschen mit Sozialhilfebezug im Erwerbsalter sind chronisch krank. 22 Prozent der Bezieher bzw. Bezieherinnen im Erwerbsalter sind Menschen mit einer Behinderung, durch die sie stark beeinträchtigt sind.

Schumann: Absicherung durch Sozialhilfe notwendig, gegen "Tunnelblick"

"Sparen bei den Ärmsten kann sich eine verantwortungsvolle Politik nicht leisten und auch nicht wollen", betonte Schumann. Sie wisse, dass der Fokus sehr oft auf hohen Geldleistungen für Familien liegt - was "zurecht" für Ärger und Unverständnis sorge. Man müsse aber diesen "Tunnelblick" ablegen: Die Sozialhilfe würden alleinstehende Pensionisten und Pensionistinnen, Alleinerziehende oder Menschen mit Behinderungen sowie sogenannte "Aufstocker" beziehen, deren Einkommen oder die Pension nicht reicht, um zu überleben. "Jene Menschen sind auf die Sozialhilfe angewiesen", betonte die Ressortchefin. "Armut ist kein Randphänomen", sagte sie. Diese betreffe arbeitende Menschen genauso wie Pensionisten oder Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen.

Bei der derzeit in Verhandlung stehenden Reform der Sozialhilfe stehe die Zielsetzung der Vereinheitlichung im Fokus, sagte Schumann einmal mehr. Zur Umsetzung des - derzeit noch unkonkreten - Vorhabens einer "Zukunftssicherung für Kinder" habe man eine Studie in Auftrag gegeben, die die derzeitige Struktur der Familienleistungen eruieren soll. Diese soll Mitte 2026 vorliegen, so Schumann.

NGOs gegen Kürzungen bei Sozialhilfe

Soziale Organisationen sprachen sich am Mittwoch gegen Kürzungen der Sozialhilfe aus. Schon jetzt könnten sich jene, die darauf angewiesen sind, das Nötigste oft nicht leisten, sagte Caritas-Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler. Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger verwies auf steigende Preise und eine schwierige Arbeitsmarktsituation. Die Kosten von 0,27 Prozent des BIP für die Sozialhilfe seien "ein kleines Investment für den Schutz gegen absolute Armut."

Fenninger forderte eine Einbindung der Sozialorganisationen in die Reform-Verhandlungen. Herausschauen müsse eine bundesweit einheitliche Sozialhilfe mit Mindeststandards sowie eine Kindergrundsicherung, appellierte die Caritas. Aktuelle Missstände müssten bei der Reform berücksichtigt werden, plädierte die Armutskonferenz. So seien etwa die Wohnkosten nicht tragbar, Härtefallregeln würden fehlen und Entscheidungsfristen am Amt zu lange sein. Amnesty International Österreich kritisierte die geplante Integrationsphase, die auf Zuwanderer abzielt und während der nicht die volle Höhe der Sozialhilfe gewährt werden soll. Damit werde eine gesamte Gruppe aus der Sozialhilfe ausgeschlossen.

Plakolm verweist auf hohen Ausländer-Anteil bei Sozialhilfe-Beziehern in Wien

Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) betonte, dass der Großteil der Sozialhilfebezieher in Wien lebe, nicht aus Österreich stamme und die Leistung langfristig beziehe. Kinderreiche Migrantenfamilien würden das System prägen. "Die Sozialhilfe schützt längst nicht mehr jene, die einmal gearbeitet haben, sondern jene, die ohne verpflichtendes Integrationsprogramm nie arbeiten werden", so die Ressortchefin.

Wer Unterstützung vom Staat erhält, müsse auch aktiv an seiner Integration arbeiten - "und daran, sich und seine Familie selbst zu erhalten". Bei der neuen Sozialhilfe müsse "unmissverständlich klar sein", dass diese nur vorübergehend und "als ein allerletztes Sicherheitsnetz" zur Verfügung stehe. Plakolm betonte, dass nur 37,8 Prozent der Bezieher einen österreichischen Pass haben, 62,2 Prozent hingegen "Nicht-Österreicher" seien.

Zum hohen Kinderanteil in der Sozialhilfe sagte die Ministerin, diese entstehe nicht, "weil österreichische Familien verarmen", sondern "weil Migrantenfamilien deutlich mehr Kinder mitbringen": 36,7 Prozent der Sozialhilfebezieher insgesamt seien Kinder oder Jugendliche. Bei Asyl- und Schutzberechtigten liege dieser Anteil bei 44 Prozent, bei österreichischen Familien nur bei 30 Prozent.

Etwas mehr Sozialhilfe-Bezieher: FPÖ sieht "Sozialhilfe-Explosion"

Die FPÖ sprach von einer "Sozialhilfe-Explosion", die das Ergebnis einer "verfehlten Asyl- und Sozialpolitik" sei. Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch sieht in den Daten einen "massiven Anstieg der Bezieher um fast 9.000 Personen auf über 205.000" und eine "Kostenexplosion" auf 1,3 Milliarden Euro. Dies sei eine "direkte Folge einer Politik, die an den Interessen der eigenen Bevölkerung vorbeigehe" - eine "Bilanz des Totalversagens der schwarz-rot-pinken Verliererkoalition". Die Zahlen seien vorhersehbar gewesen, als "direktes Ergebnis einer katastrophalen Politik der offenen Grenzen und des Missbrauchs unseres Sozialsystems".

Geradezu zynisch sei vor diesem Hintergrund der Vorschlag von SPÖ-Sozialministerin Schumann, eine "Kindergrundsicherung" einzuführen: "Wenn die Sozialministerin jetzt von einer 'Kindergrundsicherung' fabuliert, meint sie in Wahrheit ein weiteres Milliardengeschenk, das vor allem in die Taschen von Zuwandererfamilien fließen wird", sah Belakowitsch "importierte Kinderarmut".

Sozialhilfe: Grüne für einheitliche Mindestsätze und individuelle Unterstützung

Der Grüne Sozialsprecher Markus Koza verwies darauf, dass Streichung von gewissen Hilfen wie etwa das Aus des Klimabonus oder des Bildungsbonus sozial ausgegrenzte Menschen besonders stark treffe. "Ab 2026 verschärfen weitere Kürzungen der Regierung - etwa die fehlende Valorisierung der Familienleistungen - die Lebenssituation von Menschen in Notlagen", so Koza. Seriöse Armutsbekämpfung müsse auf bundesweit einheitliche Mindestsätze, individuelle Unterstützung mit Zugang zu benötigten Sachleistungen, einer einheitlichen Kindergrundsicherung und vor allem effektive Beratung und Betreuung der Betroffenen setzen.

(APA/Red)

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