ORF-Gremien: Raab will sich für Reform Zeit nehmen
In einem Interview mit der APA betonte Medienministerin Susanne Raab (ÖVP), dass es ihr nicht darum gehe, die Reform der ORF-Gremien zu überstürzen. Allerdings sei es wichtig, das Thema aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Die Neuregelung muss bis März 2025 umgesetzt werden und könnte somit auch Aufgabe einer neuen Regierung sein.
VfGH: ORF-Gremien teilweise verfassungswidrig
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat sich sowohl für die bereits umgesetzte ORF-Reform als auch für die Notwendigkeit einer Reform der ORF-Gremien eingesetzt. Der VfGH hat festgestellt, dass die Zusammensetzung des ORF-Stiftungs- und -Publikumsrats teilweise verfassungswidrig ist, insbesondere aufgrund des übermäßigen Einflusses der Regierung bei der Besetzung. Das Gesetz besteht seit den 197er-Jahren und der VfGH hat nun seine grundsätzliche Gültigkeit bestätigt und Teile davon aufgehoben. Derzeit wird der Regelungsbedarf geprüft. Es ist legitim, Zeit zum Nachdenken und zur Beratung mit Experten zu nehmen, um sachliche Lösungen zu erarbeiten und keine überstürzten Entscheidungen zu treffen, erklärte Raab. Im Herbst 2024 findet die Nationalratswahl statt.
SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar fordert eine rasche Umsetzung des VfGH-Urteils, die für mehr Unabhängigkeit und Transparenz sorgt. "Das will die ÖVP aber sichtlich nicht, weil man eine Einigung mit den Grünen nicht zusammenbringen will und kann. Raab hofft offenbar auf eine schwarz-blaue Regierung, in der ÖVP und FPÖ eine Politik gegen die Unabhängigkeit des ORF umsetzen können", mutmaßte sie in einer Aussendung. Im Zuge der Gremienreform brauche es u.a. weniger Kanzlereinfluss und mehr Publikum in einem aufgewerteten Publikumsrat.
Als absurd bezeichnet SPÖ-Integrationssprecher Christian Oxonitsch die Äußerung der Ministerin. Die fehlende Obsorge sei seit Jahren ein bekanntes Problem und eine "krasse Missachtung der verfassungsrechtlich abgesicherten Kinderrechte". Schließlich finde sich die schnelle Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auch im Regierungsprogramm. Im Innenministerium gebe es zudem keine Statistiken zur Obsorge dieser Kinder und Jugendlichen. Im Justizministerium liege ein fertiger Gesetzesentwurf für die Obsorge ab dem ersten Tag vor, so Oxonitsch, der dazu aufruft, dieses Gesetz so schnell wie möglich zu beschließen.
"An einer Entpolitisierung der Gremien führt kein Weg vorbei", stellte auch NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter fest. Dass Raab ankündige, sich bei der Gremienreform "zurückzulehnen, ist wirklich eine Farce", wird sie in einer Aussendung zitiert. Die NEOS fordern, den Einfluss der Parteipolitik durch eine Auflösung des Stiftungsrats und seiner politischen Freundeskreise zurückzudrängen. An ihre Stelle solle eine "Governance-Struktur mit einem unabhängigen Aufsichtsrat treten, die wiederum einen mehrköpfigen Vorstand mit klarer Kompetenzverteilung bestellt und überwacht".
Die Medienministerin plant, sich weiterhin mit dem Thema Künstliche Intelligenz (KI) zu befassen. Dabei betont sie, dass Innovation nicht gehemmt werden darf, aber die journalistische Autonomie gewahrt bleiben muss. In Zusammenarbeit mit der Medienbranche beabsichtigt sie, Richtlinien für den Umgang mit KI zu entwickeln. Es sei wichtig, zwischen verschiedenen Formen und Risiken von KI zu unterscheiden, um gegebenenfalls regulieren oder sogar verbieten zu können.
Raab: Arbeitspflicht für Asylwerber "grundvernünftig"
Nach Zustimmung des Innenministeriums hält Ministerin Raab die kürzlich genehmigte Arbeitspflicht für Asylwerber für "grundvernünftig". Es wird vorgeschlagen, dass Asylwerber, die Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld in Österreich erhalten, der Gesellschaft etwas zurückgeben, beispielsweise durch die Instandhaltung öffentlicher Flächen. Dadurch könnten sie auch bereits Kontakte in Österreich knüpfen. Raab betrachtet dies nicht als Verstoß gegen Menschenrechte, auch wenn Amnesty International Österreich Bedenken zu dieser Pflicht geäußert hat. Raab spricht sich auch gegen eine Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs für Asylwerber aus und fordert, dass die Entscheidung über den Aufenthalt in Österreich erst nach Abschluss des Asylverfahrens getroffen wird.
Die Reform der Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist für Raab kein Thema. Kritik von verschiedenen NGOs besagt, dass diese Jugendlichen oft zu lange in Einrichtungen des Bundes untergebracht sind. Raab betont jedoch, dass unabhängig von ihrer Herkunft mündige Kinder gut versorgt werden müssen. Sie ist der Meinung, dass dies im Betreuungssystem des Bundes "sicherlich gegeben" ist und dass das Innenministerium und die Bundesländer für dieses Thema gut zuständig sind.
Mittel für Ausbau der Kinderbetreuung laut Raab ausreichend
Ab diesem Jahr wird mehr Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung bereitgestellt - insgesamt 4,5 Milliarden Euro sollen bis 203 investiert werden. Das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) ist jedoch zu dem Schluss gekommen, dass diese Summe nicht ausreichen wird, da neben dem Ausbau auch in den Erhalt und die Qualität investiert werden muss. Diese Bedenken teilt Raab nicht. Laut einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts EcoAustria sind jedoch genau diese 4,5 Milliarden Euro bis 203 erforderlich, um sicherzustellen, dass jede Familie, die einen Kinderbetreuungsplatz benötigt, auch einen erhält. Bisher hat der Bund die Länder lediglich beim Bau neuer Kindergärten unterstützt, doch nun können auch die Personalkosten subventioniert werden, was als "Gamechanger in der Kinderbetreuung" bezeichnet wird. Der Ausbau der Kinderbetreuung liegt jedoch hauptsächlich in der politischen Verantwortung der Länder.
Raab: Beratungsmöglichkeit für Mädchen- und Frauen in jedem Bezirk
In Bezug auf die Frauenpolitik wurde ein besonderer Schwerpunkt auf den Gewaltschutz gelegt, wofür ein erheblicher Teil des Frauenbudgets verwendet wird. Kürzlich wurde der Start der Gewaltambulanzen in Wien und Graz angekündigt, von denen einige bereits in Betrieb genommen wurden. Innerhalb dieser Legislaturperiode ist geplant, das Programm auch im Westen des Landes auszuweiten. Darüber hinaus wurde das Budget für Mädchen- und Frauenberatungseinrichtungen erhöht, die im Jahr 2024 einen Betrag von 13,6 Mio. Euro erhalten sollen. Mit diesen Mitteln wird es möglich sein, in jedem Bezirk eine vom Frauenministerium unterstützte Beratungsmöglichkeit einzurichten. Derzeit gibt es eine solche Einrichtung in etwa 90 Prozent der Bezirke.
Ist der Nationale Aktionsplan Gewaltschutz, der auch im Regierungsprogramm erwähnt wird, geplant? Raab äußerte die Absicht, weniger zu reden und mehr zu handeln. Strategische Schwerpunkte werden auf eine stärkere Zusammenarbeit zwischen Justiz, Fraueneinrichtungen und Polizei gelegt, um die Schnittstelle vor Ort weiter zu verbessern.
Die Ministerin plant, das im Regierungsprogramm vereinbarte automatische Pensionssplitting fortzusetzen. Zusätzlich möchte sie das Ehealter auf 18 Jahre festsetzen - beide Themen fallen in den Zuständigkeitsbereich der von den Grünen geführten Ministerien. Mit dem automatischen Pensionssplitting will Raab die Altersarmut von Frauen bekämpfen und mit der Festlegung des Ehealters auf 18 Jahren gegen Zwangsverheiratung vorgehen. Die Ministerin betont, dass es an ihrem Willen nicht scheitern wird, entsprechende Gesetzesentwürfe wurden bereits vorgelegt. Zudem sind Gespräche mit dem Justizministerium über eine Reform des Kindschaftsrechts im Gange.
(APA/Red)