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91-Jährige in Wien-Penzing erschlagen: 20-Jähriger zu 12 Jahren Haft verurteilt

©APA/Herbert Pfarrhofer
Am Mittwoch kam es zu einem Prozess am Wiener Landesgericht für jenen 20-Jährigen, der eine 91-jährige Frau in Wien-Penzing erschlagen haben soll. Der mutmaßliche Täter wurde zu 12 Jahren Haft verurteilt.
91-Jährige tot in Wohnung gefunden
Verdächtiger gefasst
Verdächtiger in U-Haft
Mordprozess gegen 20-Jährigen
Bilder vom Prozess

“Ich bin unschuldig”, hat ein 20-Jähriger am Mittwoch am Wiener Landesgericht versichert, wo er sich wegen Mordes zu verantworten hatte. Er soll am 23. Jänner 2018 eine 91 Jahre alte Frau in ihrer Wohnung in der Goldschlagstraße in Wien-Penzing erschlagen haben. “Ich hab’ nie Kontakt mit ihr gehabt”, erklärte der Bursch. Er sei auch nie in der Wohnung gewesen.

DNA-Spuren belasten den Angeklagten

Der Angeklagte wird allerdings massiv von einem von der Justiz eingeholten Gutachten belastet. Auf der Krücke der Frau und auf der Finne – der spitzen Seite – eines am Tatort sichergestellten Hammers wurden DNA-Mischspuren sichergestellt, die dem Opfer und dem Angeklagten zugeordnet werden konnten. “Es besteht kein Zweifel, dass sich die Spuren zur Gänze aus Merkmalen der beiden zusammensetzen”, erklärte eine DNA-Sachverständige den Geschworenen.

Der vorsitzende Richter Norbert Gerstberger belehrte den bisher unbescholtenen Angeklagten daraufhin eindringlich, ein Geständnis würde sich bei der Strafbemessung mildernd auswirken. “Ich bleibe bei meiner Verantwortung. Es tut mir wirklich leid, dass die alte Frau gestorben ist. Aber ich habe die Straftat nicht verübt”, erwiderte der 20-Jährige.

Wie bei der Obduktion festgestellt wurde, war die Pensionistin mit einem gegen das Ohr gerichteten Schlag mit dem Hammer und zumindest zwei Schlägen mit einem Holzscheit zu Tode gebracht worden. Vier weitere Hiebe gegen ihren Kopf konnten keinem konkreten Gegenstand zugeordnet werden. Das Opfer war nicht sofort tot. “Ich kann gesichert sagen, dass die Frau noch länger gelebt hat, erst und nach einiger Zeit an einer Hirnlähmung nach einem Schädel-Hirn-Traum mit Schädelbruch gestorben ist”, führte der Gerichtsmediziner Nikolaus Klupp aus.

Diebstahl war Ausgangspunkt für Verbrechen

Folgt man der Anklage, war ein Diebstahl Ausgangspunkt des Verbrechens. Der Angeklagte soll versucht haben, die 91-Jährige zur Rücknahme einer Anzeige zu bringen, die diese gegen seine Schwester erstattet hatte. Diese soll der 91-Jährigen nämlich Ende Oktober 2017 1.600 Euro gestohlen haben.

Die betagte Frau war in dem Haus, in dem sie lebte, gut vernetzt und beliebt. Zu ihren Kontaktpersonen zählte auch die Schwester des 20-Jährigen, die ihre betagte Nachbarin immer wieder um Geld anpumpte. Die 91-Jährige habe ihr “laufend Geld geborgt und nichts zurückbekommen”, erklärte Staatsanwalt Harald Bohe. Als die Schwester dann bei einem Besuch in der Wohnung der 91-Jährigen ein auf einem Tischchen deponiertes Sackerl mit der doppelt ausbezahlten Pension sah, habe sie kurzerhand die Banknoten gestohlen.

Nachdem sich der Besuch entfernt hatte, bemerkte die 91-Jährige das Fehlen des Geldes. Einerseits forderte sie in weiterer Folge die Schwester des 20-Jährigen zur Rückgabe auf, andererseits sprach sich im Haus der Diebstahl herum. Gegen die Familie der Verdächtigen machte sich Unmut breit, schließlich ließ sich die 91-Jährige von anderen Hausbewohnern dazu bewegen, zur Polizei zu gehen. Die mutmaßliche Diebin und ihre Familienangehörigen sollen daraufhin die 91-Jährige zu terrorisieren begonnen haben, indem sie ihr etwa mit nächtlichen Klopfgeräuschen Angst machten. Obwohl sie jahrzehntelang am selben Ort gelebt hatte, sah sich die rüstige alte Frau deswegen sogar nach einer neuen Bleibe um.

Mutmaßlicher Täter war auf Besuch in Wien

Der an sich in seiner serbischen Heimat wohnhafte Bruder der Angezeigten erfuhr bei einem Wien-Aufenthalt – er sollte die beiden Kinder seiner Schwester hüten – von den eingeleiteten Ermittlungen. Die Schwester beteuerte, sie werde zu Unrecht als Diebin beschuldigt. Darauf soll der Angeklagte – er hat insgesamt fünf Brüder und vier Schwestern – die 91-Jährige aufgesucht haben. “Sie haben ein sehr enges Familienverhältnis. Da hilft jeder jedem”, hob der Staatsanwalt hervor.

Die Pensionistin ließ sich – so die Anklage – aber nicht umstimmen und beharrte auf ihrer Anzeige. “Da dürfte die Situation eskaliert sein”, meinte der Staatsanwalt. Der 20-Jährige reiste am 24. Jänner und damit wenige Stunden nach der Bluttat über Ungarn zurück nach Serbien – seine Mutter wäre krank geworden und hätte seine Unterstützung gebraucht, behauptete er dazu.

Auf die Spur des Mannes kam man “dank hervorragender kriminalpolitischer Tätigkeit”, an der auch die serbischen Behörden engagiert beteiligt waren, wie der Anklagevertreter betonte. Als der 20-Jährige sich Anfang April wieder auf den Weg nach Wien machte, wurde er beim Grenzübertritt mit dem DNA-Gutachten konfrontiert und festgenommen.

Täter verwüstete die Wohnung

Der Täter hatte nach der Attacke gegen die 91-Jährige deren Wohnung verwüstet, um einen Einbruch bzw. Raubmord vorzutäuschen. Der Angeklagte bemühte sich nach Kräften um eine Erklärung, weshalb am Tatort seine DNA-Spuren sichergestellt wurden.

Hinsichtlich des Hammers behauptete er, in der Wohnung seiner Schwester Reparaturarbeiten an einem Bett vorgenommen zu haben. Dabei habe er sich eines Hammers bedient, den sich die Schwester möglicherweise vom späteren Mordopfer ausgeborgt und dann wieder zurückgegeben habe. Zur Krücke vermutete der Angeklagte, die 91-Jährige könnte von ihm unbemerkt irgendwann an ihm vorbeigegangen sein und ihn dabei mit dem Gehbehelf berührt haben.

Täter psychisch gesund

Der 20-Jährige weist laut psychiatrischem Gutachten eine Intelligenzminderung und eine geringe Bildung auf. Er gab selbst zu, bis zu seiner Festnahme nicht gewusst zu haben, was DNA-Spuren sind: “Als ich hier eingeliefert worden bin, habe ich keine Ahnung gehabt, was das ist”. Abgesehen davon waren bei dem Burschen keine psychiatrischen Auffälligkeiten nachzuweisen. “Ich bin stabil. Ich bin gesund”, bekräftigte er. Er hätte nur ein Schlafmittel benötigt, nachdem er im Gerichtsakt befindliche Fotos der Toten zu sehen bekam: “Da konnte ich nächtelang nicht schlafen.”

Die 19 Jahre alte und bereits mit zwei Kindern gesegnete Schwester des Angeklagten, gegen die am Bezirksgericht Fünfhaus ein Strafverfahren wegen Diebstahls anhängig ist, entschlug sich der Aussage. Die Verhandlung verlief zügiger als ursprünglich erwartet. Der Prozess wird noch am Mittwoch zu Ende gehen, mit dem Urteil war am späten Nachmittag zu rechnen.

Schuldspruch mit 5:3 Stimmen

Der Schuldspruch fiel mit 5:3 Stimmen mit dem knappest möglichen Stimmverhältnis im Sinn der Anklage aus. Hätte nur ein weiterer Geschworener den Unschuldbeteuerungen des Angeklagten geglaubt, der von einem DNA-Gutachten massiv belastet wurde, wäre dieser freizusprechen gewesen.

Während die 19 Jahre alte Schwester des Angeklagten, die sich der Aussage entschlagen hatte und danach im Gerichtssaal anwesend blieb, bei der Urteilsverkündung in Tränen ausbrach und von ihrem Ehemann getröstet wurde, reagierte der mutmaßliche Täter trotzig. “Ich bin mir dessen bewusst, dass ich das nicht gemacht habe”, meinte der 20-Jährige in Richtung des vorsitzenden Richters.

Nach Rücksprache mit Verteidiger Timo Gerersdorfer legte der Bursch Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung ein. Staatsanwalt Harald Bohe gab vorerst keine Erklärung ab. Das Urteil ist damit nicht rechtskräftig.

Angeklagtem drohten bis zu 15 Jahre Haft

Bei einer Strafdrohung von einem bis zu 15 Jahren wurden die bisherige Unbescholtenheit und das Alter des Angeklagten – er war als junger Erwachsener und damit nach den im Jugendgerichtsgesetz vorgesehenen Strafrahmen zu beurteilen – mildernd berücksichtigt. Erschwerend waren demgegenüber “die besondere Brutalität der Tatbegehung”, wie Richter Norbert Gerstberger erklärte. Zulasten des 20-Jährigen wurde weiters gewertet, “dass sich die Aggression gegen ein 91-jähriges Opfer gerichtet hat und dass das schwer verletzte Opfer einfach liegen gelassen wurde”, sagte Gerstberger.

Laut gerichtsmedizinischem Gutachten hatte die von sieben wuchtigen, gegen ihren Kopf gerichteten Hieben getroffene Frau noch längere Zeit gelebt, ehe sie an einer Hirnlähmung infolge eines ausgeprägten Schädel-Hirn-Traumas und eines Schädelbruchs starb. Die Leiche wurde am Tag nach der Tat gefunden. Nachbarn wurden stutzig wurden, weil die Zeitung der Frau noch am Abend auf der Türmatte vor ihrer Wohnung lag. Der 20-Jährige hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits in seine Heimat nach Serbien abgesetzt. Bei seiner nächsten geplanten Einreise wurde er am 3. April als dringend Tatverdächtiger festgenommen.

(APA/Red)

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