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1914/2014 - Clark: "Krieg von Entscheidungsträgern bewusst gewählt"

Buchpräsentation zum 1. Weltkrieg in Salzburg.
Buchpräsentation zum 1. Weltkrieg in Salzburg. ©Neumayr
Auf Tag und Stunde genau 100 Jahre, nachdem Kaiser Franz Joseph in Bad Ischl die Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien unterschrieben hat, haben am Montag in Salzburg die einflussreichen Historiker Christopher Clark und Manfried Rauchensteiner über den Ausbruch des Ersten Weltkriegs diskutiert. "Der Krieg ist von den Entscheidungsträgern bewusst gewählt worden", betonte Clark.
1. Weltkrieg begann vor 100 Jahren

Es sei schwer zu beantworten, was passiert wäre, wenn in den einzelnen Staaten die Kriegstreiber – etwa Diplomaten mit extrem deutschlandfeindlicher Einstellung – ausgetauscht worden wären, sagte der australische Historiker und heurige Festspiel-Redner. Den handelnden Personen sei aber eine zentrale Rolle zugefallen.

“Wien für Angriffskrieg nicht vorbereitet”

Rauchensteiner verwies darauf, dass Österreich-Ungarn erst einen Monat nach dem Attentat auf Thronfolger Franz Ferdinand in Serbien einmarschiert sei. Dies habe Gründe gehabt. “Man war ein Rechtsstaat, zudem war Wien für einen Angriffskrieg nicht vorbereitet. Das hat dazu geführt, dass man nicht sofort über Serbien hergefallen ist und ein Ultimatum stellte”, sagte Rauchensteiner. Ein Ultimatum, das letztlich verstrich.

Serbien sei damals vor Wahlen gestanden, sagte der Wiener Historiker. Hätte Ministerpräsident Nikola Pasic nachgegeben, wäre die Wahl angesichts der anti-österreichischen Stimmung im Land verloren gegangen. “Österreich-Ungarn hat damals einen Blankoscheck von Deutschland bekommen und ist mutig geworden, Serbien hat den Blankoscheck von Russland bekommen und ist mutig geworden”, bilanzierte Rauchensteiner.

Ermordnung von Franz Ferdinand kein Vorwand

Clark betonte, dass die Ermordung von Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 in Sarajevo keineswegs eine Bagatelle oder ein Vorwand gewesen sei, wie es in der angelsächsischen Literatur oft dargestellt werde. “Das wird der Sache nicht gerecht. Der Mord war für die Monarchie eine Art 9/11.” Franz Ferdinand sei nicht beliebt und konservativ, aber ein Mann des Friedens gewesen. Das sah Rauchensteiner differenzierter: “Ein Pazifist war er keiner.” Aber auch für den Wiener sei die einzige nennenswerte Hoffnung auf eine Zukunft der Monarchie mit dem Mord geschwunden.

Die These eines britischen Historikers, dass Russland den Mord am österreichisch-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand instrumentalisiert habe, um Frankreich und Großbritannien in den Krieg hineinzuziehen, wies Clark zurück: “Es ist zu viel von Schuld die Rede. Alle Länder haben ihre Eigeninteressen verfolgt und das Risiko eines Krieges auf sich genommen. Nur wollte keiner damit anfangen. Das war ja das Schreckliche: Wenn uns wer den Krieg anbietet, nehmen wir ihn an. Die Frage, wer begonnen hat, ist darum moralisch kein klares Feld.”

Parteien und Gesellschaft im Ersten Weltkrieg

Die Diskussion zwischen Clark und Rauchensteiner fand am Montag anlässlich einer Buchpräsentation in Salzburg statt: “Parteien und Gesellschaft im Ersten Weltkrieg. Das Beispiel Österreich-Ungarn” wurde als Sammelband von der Plattform zeithistorischer Archive herausgegeben. Das Werk betritt laut Mitherausgeberin Maria Mesner trotz der Fülle an Material zum Thema Neuland. “Das Buch betrachtet politische Parteien als Verbindungsglied zwischen der Vorkriegs- und der neuen Welt.” Er umfasst eine Reihe von wissenschaftlichen Aufsätzen und widmet sich einer Vielzahl von Fragen: Hätte etwa die Krise ohne Krieg gelöst werden können? Was war die Haltung der Parteien zu Krieg und Frieden? Was für Organisationen waren Parteien eigentlich, die noch immer nicht in demokratischen Verhältnissen entstanden sind, aber diese vorbereitet haben.

Der Band ist im Böhlau-Verlag erschienen, hat 243 Seiten und kostet 35 Euro. Er vereint Beiträge von Maureen Healy, Johannes Schönner, Lutz Musner, Gernot Stimmer, Andras Gerö, Maddalena Guiotto, Regina Wonisch, Maria Mesner, Michaela Sohn-Kronthaler, Erwin A. Schmidl, Wolfgang Maderthaner, Lorenz Mikoletzky und Manfried Rauchensteiner. (APA)

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