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18 Monate Haft wegen gestohlenen Polo-Shirts

Haftstrafe |&copy Bilderbox
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Gegen eine „mathematische und nicht mehr mit dem nötigen Augenmaß geübte Rechtsprechung“ sprach sich Heinz Patzelt, Österreich-Generalsekretär von amnesty international, am Dienstag aus, nachdem der Fall eines 17-jährigen bekannt geworden war.

Wie der „Falter“ berichtet, war der Bursch beim Diebstahl von zwei Polo-Shirts erwischt worden. Dafür wurde er letzten Endes zu eineinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt.

Nachdem der 17-Jährige nach Österreich gekommen war und Asyl beantragt hatte, wurde er zunächst dabei ertappt, wie er in einem Supermarkt einige Parfümerieartikel mitgehen ließ. Dafür setzte es im Wiener Straflandesgericht acht Monate Haft, davon zwei unbedingt. Diese hatte der Bursch bereits in der U-Haft verbüßt.

Schwache Urteilsbegründung

Wieder in Freiheit, fand er keine Bleibe. Selbst bei der Caritas kam er nicht unter. Wenige Tage später wurde er wieder beim Stehlen erwischt. Diesmal handelte es sich um zwei Marken-Polo-Shirts im Wert von 109 Euro. Das Urteil – ein Jahr Haft, davon drei Monate unbedingt – wurde von der Staatsanwaltschaft bekämpft. Die Jugendrichterin habe den 17-Jährigen nicht „schuld- und tatangemessen“ bestraft, hieß es. Auch die „gewerbsmäßige Tatbegehung“ sei nicht entsprechend berücksichtigt worden.

Das als sehr streng geltende Oberlandesgericht Wien schloss sich dieser Sichtweise an, sprach die gesamte Strafe unbedingt aus und widerruf dem jungen Russen zudem die ursprünglich auf Bewährung ausgesetzten sechs Monate vom ersten Urteil, was mit dem raschen Rückfall begründet wurde.

Wie konnte es so weit kommen?

Selbst bei der Staatsanwaltschaft Wien gibt es Stimmen, die das endgültige Urteil für „unangemessen“ halten. Wie am Dienstag im Grauen Haus zu erfahren war, hatte der Leiter der so genannten Jugendgruppe – Staatsanwälte, die auf Jugendliche spezialisiert sind – gar nicht erfahren, dass in diesem Fall ein Rechtsmittel ausgeführt wurde. Insider sind davon überzeugt, dass der als liberal geltende Ankläger damit auf keinen Fall einverstanden gewesen wäre.

Dass es so weit kommen konnte, hat mit der vom ehemaligen Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) betriebenen Auflösung des Jugendgerichtshofs und Einbeziehung der Jugendrichter ins Graue Haus zu tun. Während früher sicher gestellt war, dass ausschließlich spezialisierte Staatsanwälte mit unter 18-jährigen Straftätern zu tun hatten, ist das seither nicht mehr die Regel: Inzwischen werden auch „normale“ Staatsanwälte oder Richteramtsanwärter in die Verhandlungen entsandt, „denen mit Sicherheit das dafür nötige Augenmaß fehlt“, so ein im Straflandesgericht tätiger Ankläger gegenüber der APA unter Zusicherung keiner Namensnennung.

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