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135 Missionen und zwei Katastrophen

©AP
Nach 30 Jahren Einsatz findet die Ära der amerikanischen Raumfahrt ein vorläufiges Ende.
Atlantis vor dem letzten Start
Amerikas Shuttle-Prgramm

Startvorbereitungen laufen

Trotz zweier Blitzeinschläge in der Nähe der US-Raumfähre “Atlantis” hat die US-Raumfahrtbehörde NASA die Vorbereitungen für den letzten Shuttle-Start ins All fortgesetzt. Eine Überprüfung habe zunächst keinerlei Probleme an der “Atlantis”, dem Außentank, den Triebwerken oder der Abschussrampe ergeben, erklärte die NASA am Donnerstag. Zuvor waren zwei Blitze rund 150 Meter von der Abschussrampe entfernt sowie in einem Strandgebiet in der Nähe des Raumfahrtzentrums Cape Canaveral eingeschlagen.

In Zukunft fliegen US-Astronauten mit den Russen

Wenn das Wetter mitspielt, soll die “Atlantis” am Freitag um 11.26 Uhr Ortszeit (17.26 Uhr MESZ) als letztes US-Shuttle ins All starten. Mit dem letzten Flug endet das Shuttle-Programm der USA nach 30 Jahren. US-Astronauten sind dann bis auf Weiteres auf russische Sojus-Raketen angewiesen, um zur Internationalen Raumstation ISS zu kommen.

Der letzte Start der Atlantis

Der Start am Freitag, sofern das Wetter mitspielt, der „Atlantis“ vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral wird keiner sein wie die 134 Shuttle-Abflüge zuvor. Zwar gibt es einen wichtigen Auftrag: Mehr als zehn Tonnen Ersatzteile und Proviant zur Internationalen Raumstation ISS zu hieven. Doch die US-Raumfahrtbehörde NASA weiß, dass der zwölftägige Flug eher als Ehrenrunde empfunden wird. Nicht umsonst peilt sie die Rückkehr für den 20. Juli an – das 42. Jubiläum der Mondlandung. „Es wird eine Feier“, sagt der Kommandant Chris Ferguson über die Abschiedsmission. Zu zelebrieren gilt es das Ende „der zweiten großen Ära in der bemannten Raumfahrt“, sagt die Kuratorin des Air-and-Space-Museums in Washington, Valerie Neal. „Das Shuttle bot die Möglichkeit, viel mehr verschiedene Menschen ins All zu schicken.“ Flogen zuvor nur echte Astronauten mit Raketen ins All, bot das Shuttle nun auch Forschern eine Mitfluggelegenheit. Sally Ride flog mit dem Shuttle als erste amerikanische Frau ins All, der damals 77-jährige John Glenn als ältester Astronaut.

Wiederverwendbare Raumfähre

Begonnen hatte das stolze Kapitel eigentlich mit einem Sparprogramm. Der damalige US-Präsident Richard Nixon durchkreuzte 1972 die teuren NASA-Pläne für eine Raumstation im All, von der aus Flüge zum Mond und Mars starten sollten. Stattdessen kündigte er die Entwicklung einer wiederverwendbaren Raumfähre an. Das Ziel: Mensch und Material zugleich ins All schaffen – und mit Ladung an Bord wie ein Flugzeug wieder auf der Erde landen können. Eine Revolution! Zum Testflug hob im September 1976 der Prototyp „Enterprise“ ab. Den Jungfernflug ins All absolvierten am 12. April 1981 die beiden Astronauten John Young und Robert Crippen in der „Columbia“. Sie umrundeten 36 Mal die Erde, bevor sie nach nur zwei Tagen vor den Augen von Millionen staunender Fernsehzuschauer wieder zurückkehrten. „Das ist die großartigste Flugmaschine der Welt, das kann ich euch sagen“, schwärmte Young später. Die Begeisterung teilen die meisten seiner mehr als 330 Nachfolger aus 16 Ländern uneingeschränkt. Die Orbiter bescherten der NASA viele Triumphe. Sie brachten Sonden auf den Weg, die Fotos von der Venus und dem Jupiter schossen. Das Weltraumteleskop „Hubble“ schleppten sie ins All und erlaubten seine Reparaturen. Zuletzt dienten die „Endeavour“ und ihre Schwestern als Lastesel für die ISS. „Das Shuttle war unentbehrlich für den Bau der Raumstation“, sagt Scott Pace vom Raumfahrtinstitut der George Washington University. „Die ISS ist sein Vermächtnis.“ Doch die einstigen Prunkstücke stehen auch für schlimme Stunden in der jüngeren US-Geschichte. 14 Besatzungsmitglieder wurden vor den Augen der Nation bei zwei Katastrophen in den Tod gerissen. 1986 explodierte die „Challenger“ nicht einmal eineinhalb Minuten nach dem Start. Die „Columbia“ ging 2003 bei der Rückkehr in die Erdatmosphäre in Flammen auf. Nach den beiden Schocks wurden Shuttle-Flüge jeweils für mehrere Jahre auf Eis gelegt. Sicherer wurden sie durch die Zwangspausen kaum. „Das Risiko beim Fliegen mit einem Shuttle beträgt ein Prozent, dass man eine Mission nicht überlebt“, sagt Ernst Messerschmid, der 1985 als dritter deutscher Astronaut mit der „Columbia“ ins All flog.

693 Mill. Euro für eine Mission

Die Raumgleiter sind technisch kompliziert wie kaum eine andere Maschine – das macht sie weniger verlässlich und ihre Wartung teuer. Eigentlich sollten sie der Menschheit einen günstigen Weg ins All ebnen. Tatsächlich kostet eine Mission rund eine Milliarde Dollar (693 Millionen Euro). „Finanziell sind die Shuttle ein Fehlschlag“, sagt Pace. Trotz aller Erfolge: Das Hauptziel haben die Shuttles nicht erfüllt: Statt wie geplant 40 bis 60 Flüge pro Jahr zu schaffen, hoben sie im Schnitt keine fünfmal jährlich ab. Das auch nur, weil bis zu 25.000 NASA-Mitarbeiter im Akkord schufteten. Tausende von ihnen stehen mit dem Shuttle-Ende vor der Arbeitslosigkeit. Nach der Landung der „Atlantis“ schließt sich der Kreis. Die dritte Raumfahrt-Ära beginnt, die Neal als „permanente Präsenz und Forschung des Menschen im Weltraum“ definiert. Große Ziele sollen mit wenig Geld erreicht werden. Das Weiße Haus setzt für die angepeilten Reisen der Menschen zu einem Asteroiden und später zum Mars auf Raumschiffe von privaten Unternehmen. Doch bis die neuen Flieger fertig sind, können Jahre vergehen. Wie auch immer sich die Raumfahrt entwickelt, gemessen wird sie auf längere Sicht an der Ära der Space Shuttle, meint der deutsche „Endeavour“-Veteran Gerhard Thiele. „Entweder war das Space Shuttle seiner Zeit weit voraus, oder es war ein notwendiger Umweg, um bessere Vehikel für die Raumfahrt entwickeln zu können.“

(VN/APA)

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