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„Nackt“ von Doris Dörrie

Wann beginnt ein Paar sich nicht mehr so wahrzunehmen wie am ersten Tag? Was tun, wenn die Liebe im Alltag einer Beziehung verloren zu gehen droht?

Können einander Liebende auch blind erkennen? Um diese Fragen kreist der neue Film „Nackt“ von Doris Dörrie, der am 20. September in den österreichischen Kinos anläuft und dieser Tage in Berlin vorgestellt wurde.

„Du siehst mich nicht mehr“, „du hast Speck auf der Seele“. Mit diesen Vorwürfen konfrontieren sich drei junge Berliner Paare. Just wenige Augenblicke vor einem gemeinsamen Abendessen. Rasch und oberflächlich wird alles wieder glatt gezogen, die quälende Frage „Was ziehe ich an?“ schnell abgehakt – dann kann es losgehen.

Doch die Beziehungskrise nagt an allen sechs weiter. Auch während des Essens im Haus des durch Aktienhandel reich gewordenen Paares Charlotte und Dylan (Nina Hoss und Mehmet Kurtulus), jeder für sich kaut an der Entfremdung vom anderen. Kein Wunder, dass die beiden Gastgeber sowie Annette und Boris (Alexandra Maria Lara und Jürgen Vogel) es auch wissen wollen, als Emilia und Felix (Heike Makatsch und Benno Fürmann) von einer Untersuchung erzählen, wonach Paare ihren Partner mit verbundenen Augen nicht einmal an den Händen erkennen. Man wettet, zieht sich aus und lässt sich die Augen verbinden. Emilia und Felix spielen die Schiedsrichter, sie meinen einander nichts mehr beweisen zu müssen, denn sie sind offiziell nicht mehr zusammen.

Was sich auf den ersten Blick desaströs entwickelt, bringt Doris Dörrie, deren Film auf ihrem Buch „Happy“ basiert, zum ebensolchen Ende: Man sieht nur mit der Seele gut. Erst mit verbundenen Augen erkennt man die Antwort auf die drängenden Fragen. Ein frivoles Gesellschaftsspiel als Beziehungstherapie.

„Nackt“, die Berliner Antwort auf Dietls „Rossini“ aus München? Kaum, denn hier ist es nicht die Schickeria, deren Probleme fröhlich ausgebreitet werden. Hier sind es junge Leute aus Berlin – das übrigens kaum ins Blickfeld gerät -, die ihr Erwachsensein gerade erst formen. Kein Kultfilm, aber ein nettes flott erzähltes, heiteres Filmchen, dessen Figuren dem Zuschauer allerdings auch nicht besonders nahe kommen. Seltsamerweise erscheinen auch die Paare, so nahe sie einander in der Zweierbeziehung auch gezeichnet werden, in der Gruppe fremd.

Auffallend die Filmmusik: Einst Stilmittel an dramaturgisch wichtigen Stellen, wird „Nackt“ ständig von Musik untermalt, nur in den entscheidenden Momenten setzt sie aus, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ein Tribut an die heutigen Gewohnheiten der Kaufhausberieselung oder Angst vor Durchhängern?

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