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„Romeo und Julia“ ohne Love Story

Schwache Hauptdarsteller -Liebesgeschichte ins Abseits gedrängt - Turbulenz statt Poesie - Akzentlose Musik - Romeo ein blondes blasses Bürscherl, Julia ein unscheinbares Mädchen mit versonnenem Dauerlächeln. Das kann nicht gut gehen.

Zum einen, weil „Romeo und Julia“ nicht zu Unrecht die berühmteste Liebesgeschichte der Welt genannt wird, und sich zwischen den beiden Liebenden, die für einander in den Tod gehen, mehr abspielen müsste. Zum anderen, weil in der Musical-Version von Gerard Presgurvic, die am Donnerstag, Abend im Wiener Raimund Theater zur Deutschsprachigen Erstaufführung gebracht wurde, rund um die beiden mehr los ist als zwischen ihnen. Tänzerisch wie musikalisch wird ein enormer Aufwand betrieben, und doch kommt einem am Ende ein anderer Shakespeare-Klassiker in den Sinn: „Viel Lärm um nichts“.

Regisseur Redha Benteifour, der nach der Pariser Uraufführung 2001 bereits mehrfach das Musical auch auf internationale Bühnen gebracht hatte, die lässt die Capulets und Montagues auf der von Duncan Hayler mit glitzernden Wohn-Röhren vollgestellten Bühne wirbeln und lauthals im Ensemble singen. Die Liebesgeschichte wird dabei ins Abseits gedrängt, Romeo und Julia wirken im Chaos verloren. Andere verstehen sich da besser in den Vordergrund zu spielen: Den meisten Szenenapplaus gab es für Carin Filipcic als Amme (die auch im Gegensatz zu manchen anderen hervorragend singen kann), auch Mark Seibert (Tybalt), Matthias Edenborn (Benvolio) und Charlie Serrano (Pater Lorenzo) wussten zu gefallen.

Nichts Neues aus Verona. Die Geschichte des Stücks wird auch an diesem Abend brav nacherzählt, doch von Liebesleid keine Spur: Was Menschen seit Jahrhunderten an „Romeo und Julia“ fasziniert, können Marjan Shaki und Lukas Perman nicht transportieren. Dieser Romeo, der in engem, halbtransparentem Häkeljäckchen zwischen all den Muskelprotzen der Familien-Gangs etwas mager wirkt und den man an diesem Abend dennoch nicht rauswählen darf, ist mehr in seine eigene Melancholie verliebt als in ein Geschöpf aus Fleisch und Blut. Auch Julia kann nicht so recht vermitteln, was sie an ihm findet, stimmlich und darstellerisch setzt sie keine Akzente.

Weder optisch noch musikalisch überrascht die Inszenierung: Die Kostüme (Dominique Borg) sind fetzig schrill, dennoch ebenso wenig innovativ wie die Musik (Arrangement: Christian Kolonovits). Angekündigt war ein Stilmix aus zeitgenössischem Pop mit französischem Einschlag, zu hören war gängiger, lauter Musical-Sound, in dem es kaum eingängige, ohrwurmtaugliche Melodien, dafür hausbackene Texte gibt. Einziges großes Plus: Ein Orchester (Leitung:
Caspar Richter) unterstützt das Stück in seinem Live-Charakter. Als Choreograph sorgt der Regisseur für ständige Turbulenzen und – etwa im entscheidenden Verlorengehen eines rettenden Briefes – gelegentlich auch für unfreiwillige Komik.

Musical-Fans können sich dennoch freuen: Viel Lärm, viel Gesang, viel Bewegung, viel Farbe, viele Darsteller. Shakespeare-Liebhaber werden sich jedoch mit Pater Lorenzo fragen: „Warum“? Warum lässt man ein so wunderbares Stück mit berührenden Dialogen nicht einfach dort, wo es hingehört: am Theater?

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