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„Die große Welt kam nach Wien“

John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow.
John F. Kennedy und Nikita Chruschtschow.
1961 trafen sich der US-Präsident John F. Kennedy und der Staats- und Parteichef der Sowjetunion Nikita Chruschtschow in Wien - Jetzt arbeiteten Journalisten die Mediengeschichte auf.

„Es war das Erlebnis: Die große Welt kommt nach Wien“, erklärte die ORF-Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi am Mittwochabend zum amerikanisch-sowjetischen Gipfel zwischen Präsident John F. Kennedy und Staats- und Parteichef Nikita Chruschtschow im Juni 1961. Gemeinsam mit Kollegen, die wie sie über das Ereignis berichtet hatten, arbeitete die Publizistin dieses Stück Mediengeschichte mit Schauplatz Österreich im Museum Wien Karlsplatz auf, wo derzeit eine Kennedy-Ausstellung gezeigt wird. Die Hauptstadt des neutralen Österreich sei damals für zwei Tage der „friedliche Mittelpunkt einer total unfriedlichen Welt“ gewesen, sagte Thomas Chorherr, Ex-Chefredakteur der „Presse“.

“Lichtfigur” trifft “Hoffnungsträger”

Bei „null Sicherheitsvorkehrungen“ im Vergleich zu heute sei der freundlich lächelnde Kennedy in Wien als „Lichtfigur“ erschienen, so Chorherr, der zum Zeitpunkt des Gipfels das Chronik-Ressort der Tageszeitung leitete. „Auch Chruschtschow war damals ein Hoffnungsträger“, ergänzte Coudenhove-Kalergi, die 1961 ebenfalls für die „Presse“ arbeitete, mit Blick auf die vorangegangene Stalin-Ära. Nichtsdestotrotz sei der Kalte Krieg dem Treffen mit dem Bau der Berliner Mauer im August desselben Jahres wieder auf dem Fuße gefolgt, meinte Chorherr. Zudem beendeten beide Seiten danach ihr Atomtest-Moratorium. 1962 löste die so genannte Kuba-Krise Ängste über einen Dritten Weltkrieg aus.

„Berlin ist wie ein Schatten über dem gesamten Gipfeltreffen gelegen“, führte Ernst Trost von der „Kronen Zeitung“ aus, Kommentatoren hätten geglaubt, Kennedy habe Zeit gewonnen, das sei aber nicht der Fall gewesen.

“Wissen heute mehr als damals”


Der Schwerpunkt der Berichterstattung sei auf dem „Drumherum“ und auf der Stimmung zwischen den beiden Gegnern im Ost-West-Konflikt gelegen, so der Tenor unter den Journalisten, denn Pressekonferenzen oder Interviews mit den Protagonisten hätten nicht stattgefunden. Die Auswirkungen der Gespräche auf höchster Ebene seien erst später nach und nach spürbar geworden. „Wir wissen heute mehr über unsere Zeit, als wir damals wussten“, kommentierte Rundfunkmitarbeiter Gundomar Eibegger.

Das einzig greifbare Ergebnis des Gipfels war eine Einigung über das zwischen Ost und West umstrittene Laos. Laut Abschlusskommunique sollte die frühere französische Kolonie unabhängig und neutral werden. Mehr als 1.500 Journalisten waren damals als Berichterstatter akkreditiert. Die Fasangartenkaserne fungierte als Unterkunft für sie; in der Hofburg wurde ein Pressezentrum eingerichtet.

260 APA-Meldungen zum Gipfel

In die sowjetische Botschaft bzw. in die Residenz des US-Botschafters, wo die beiden Arbeitsgespräche zwischen Kennedy und Chruschtschow stattfanden, wurde jedoch nur eine Handvoll Journalisten eingelassen, wusste der damalige Chefredakteur der APA, Otto Schönherr, zu berichten. Telefonisch habe er seiner Redaktion Meldungen aus einer Küche bzw. einer Portiersloge durchgegeben. Dabei sei es mangels Informationen über den Inhalt der Unterredungen vorrangig um die Dokumentation von Ankünften, Abfahrten, Anfängen und Beendigungen von Programmpunkten gegangen. Insgesamt erstellte die Austria Presse Agentur 260 Meldungen zum Gipfeltreffen, die in der Ausstellung des Museum Wien eingesehen werden können.

In den Mittelpunkt der Berichterstattung im Juni 1961 rückte mangels öffentlicher Stellungnahmen der Staatschefs und konkreter Gipfelergebnisse das Damenprogramm, das die „schöne, elegante, junge“ Jaqueline Kennedy und die klischeehaft als „altes, einfaches Bauernweiberl“ dargestellte Nina Chruschtschowa zumeist getrennt voneinander absolvierten, wie Coudenhove-Kalergi sagte. Chruschtschowa habe sich jedoch zu behaupten gewusst und „Würde und Freundlichkeit“ ausgestrahlt. Den viel beachteten Hut der Kennedy – eine Mischung zwischen „Pullmanmütze und Pillenschachteln mit Schwänzchen dran – habe sie dagegen „albern“ gefunden, so die Journalistin.

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