AA

„Der Panther“: Fritz Muliars Bühnenjubiläum umjubelt

©© APA
70. Bühnenjubiläum, ein auf den Leib geschriebenes Stück, eine langjährige, erfolgsverwöhnte Bühnenfreundschaft: Auf der Uraufführung von Felix Mitterers Auftragswerk „Der Panther“ in den Kammerspielen lastete gestern viel Bedeutung.


Nichts zu spüren war davon auf der Bühne: Fritz Muliar lieferte in der Rolle des verbitterten Demenzkranken, der unwissentlich auf seine eigene Frau trifft, einen außergewöhnlich beklemmenden Abend, Regisseur Wolf-Dietrich Sprenger setzte in seiner zurückhaltenden Inszenierung auf seine großen Darsteller. Das Publikum gratulierte mit Standing Ovations nicht nur zum Jubiläum, sondern auch zu einem gelungenen Theaterabend.

Beinahe schien es, als amüsiere sich das Publikum aus schierer Gewohnheit. Als Fritz Muliar – gestützt von Elfriede Ott – auf die Bühne humpelte, erntete das Duo frenetischen Applaus und infolge so manche Lacher, die den Autor Felix Mitterer durchaus geschmerzt haben könnten. Doch bald wurde klar: „Der Panther“ ist alles andere als eine Komödie. Vielmehr beschäftigt sich das Stück – in Anlehnung an den Publikumserfolg „Sibirien“ – mit den Schattenseiten des Alterns, der Dunkelheit der Demenz und der großen Leere der Einsamkeit.

Eine alte Frau ohne Führerschein rammt mit ihrem Auto einen alten Mann, den sie daraufhin mit in ihre Wohnung nimmt. Statt der angebotenen 2.000 Euro Schmerzensgeld will der aber nur eins: Dableiben, bis die Blessur am Schienbein verheilt ist. Marion Liebherr (Elfriede Ott) ist so gar nicht gesprächig, da sie gerade vom Begräbnis ihres Mannes kommt. Herr Altmann (Fritz Muliar) hingegen denkt nicht daran zu gehen, trinkt Cognac und verlangt wie selbstverständlich nach Zigaretten und einem fettigen Abendessen. Was folgt, ist ein Wechselspiel von zaghafter Annäherung und Abstoßung, immer wieder scheint sich das zufällig aufeinander getroffene Paar an gemeinsame Vergangenheitssplitter zu erinnern.

Muliar legt jeglichen Anflug von Satire ab und gibt das beklemmende Porträt eines jähzornigen, aber doch liebevollen Mannes, der sich in der Gegenwart verliert, weil ihm die Vergangenheit entgleitet. Ihm zur Seite steht eine wehmütige, ebenfalls der Demenz anheim fallende Elfriede Ott als betrogene Ehefrau, die in dem fremden Besucher immer wieder Züge ihres Mannes zu erkennen glaubt. Mitterer arbeitet in seinem grandios zurückhaltenden Text nicht mit großen Interpretationen und offensichtlichen Konflikten, vielmehr blitzen heftige Emotionen – begleitet von Erinnerungsfetzen – oft nur derart kurz auf, dass sie schon wieder in der Gegenwart verschwinden, bevor sie Präsenz entwickeln.

Diese Geistesblitze meistern Muliar und Ott mit erstaunlicher Konsequenz, schwanken stets zwischen Realität, Vorstellung und Erinnerung und entfalten im Laufe des zweistündigen Abends eine traurige Spannung. Zum Aufbau derselben nützt Mitterer die Technik der Spiegelung, der variierten Wiederholung: Jeden Akt lässt er mit derselben Szene beginnen, immer wieder überfährt Marion Liebherr den alten Mann, ohne dass sich die beiden wiedererkennen würden. Getrübt wird die Idylle durch den polternden Neffen Heinz (Michael Dangl), der seine Tante um ihr Erbe erleichtern will, was er mit Hilfe von erpresserischen Methoden zu erreichen scheint.

Doch dann ist es gerade der verwirrte, alte Mann, der seine Gastgeberin darauf aufmerksam macht, dass sie mit diesem jungen Mann ganz bestimmt nicht verwandt ist und sie auf einen Betrüger hereingefallen ist. Nun holt der vermeintliche Neffe zum Gegenschlag aus und entdeckt „Herrn Altmann“ als aus einem Altersheim geflüchteten Demenzpatienten. Doch bevor sich die Situation zuspitzt, löst sie sich schon wieder im Vergessen auf.

Felix Mitterer hat mit „Der Panther“ ein ohne Klischees auskommendes Stück über das Altern geschrieben, Muliar und Ott überzeugten durch eine verstörende Traurigkeit. Wolf-Dietrich Sprenger hat in seiner zurückhaltenden Inszenierung auf die Präsenz seiner Hauptdarsteller gesetzt. Ein wenig hätte man sich gewünscht, er hätte Michael Dangls Euphorie ein wenig eingebremst, mit der er so manche Szene zum Bersten brachte. Aber das tat dem Erfolg des Abends keinen Abbruch, am Ende ernteten Ensemble, Regie und Autor begeisterten Applaus und Standig Ovations. Und Muliar wurde im Anschluss mit einer Bronzebüste geehrt, einem „Denkmal zu Lebzeiten“.

Mehr News aus Wien …

  • VIENNA.AT
  • Wien
  • Wien - 1. Bezirk
  • „Der Panther“: Fritz Muliars Bühnenjubiläum umjubelt
  • Kommentare
    Kommentare
    Grund der Meldung
    • Werbung
    • Verstoß gegen Nutzungsbedingungen
    • Persönliche Daten veröffentlicht
    Noch 1000 Zeichen