Zwischen einem Bach und einem Acker, in geradezu idyllischer Umgebung, liegt die Regionalstrecke Deutschfeistritz-Übelbach der Steiermärkischen Landesbahnen. Am Mittwoch verdrängt der Einsatz Dutzender Rettungskräfte das ländliche Bild. Die ineinander verkeilten Führerhäuser zweier kollidierter Züge zeugen von einem schweren Bahnunglück.
Im Acker, im hohen Gras, rund um die beiden Loks liegen unzählige gebrauchte Erste-Hilfe-Utensilien: Handschuhe, Spritzen und Verbandszeug. Am Boden der Waggons klebt Blut – Hinweise auf schwere Verletzungen, die einige Passagiere erlitten haben. Besonders schwer wurde eine der beiden Führerkabinen beschädigt: Das gesamte Cockpit ist bis zur Tür eingedrückt, dazwischen noch der Sessel des Lokführers eingeklemmt.
Verkeilte Führerhäuser
Der erste Waggon samt Führerhaus des anderen Zugs hob durch die Wucht des Zusammenstoßes von den Gleisen ab und schob sich teilweise in und über den Gegenzug. Links und rechts der Gleise liegen zwischen den medizinischen Materialien ein herausgerissener Sitz, die Tür zur Führerkabine und Glasscheiben. In den Gesichtern der Feuerwehrleute, des Bürgermeisters Michael Viertler und vor allem des Landesbahnen-Geschäftsführers Helmut Wittmann ist der Schock abzulesen.
In einem Waggon mit blutverschmiertem Boden hängt ein Zettel mit Hinweisen für die “Sicherheit im Zug”. Das Unglück forderte ein Menschenleben, zwei Verletzte wurden mit Hubschraubern ins Spital geflogen.
Die Züge prallten gegen 10.15 Uhr frontal aufeinander. Mehrere Personen wurden “massiv eingeklemmt”, berichtete die Feuerwehr. Die Verletzen wurden befreit und von der Rettung versorgt. Für einen Lokführer (21) kam jede Hilfe zu spät, der zweite (46) wurde laut ÖAMTC mit “nicht allzu schweren Verletzungen” mit dem Notarzthubschrauber ins Krankenhaus gebracht. Eine 60-Jährige befand sich in Lebensgefahr. Bei dem getöteten Lokführer handelt es sich um einen 21-jährigen Mann aus der Region. Er fuhr die Strecke mehrmals täglich, sagte Helmut Wittmann, Chef der Steiermärkischen Landesbahnen (STLB), bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Wittmann zeigte sich tief betroffen: “So etwas will sich ein Geschäftsführer nur in seinen ärgsten Albträumen vorstellen.”
Offenbar Haltesignal missachtet
Unglücksursache dürfte menschliches Versagen gewesen sein. Der Lokführer des Zuges Richtung Peggau missachtete offenbar ein Haltesignal und fuhr in die eingleisige Strecke ein, wo es dann zur Kollision kam, erläuterte Helmut Wittmann, Geschäftsführer der Steiermärkischen Landesbahnen, am Unglücksort. Landesbahnen-Chef Wittmann erklärte, dass die regionale Strecke an der Unfallstelle eingleisig geführt wird und ein Kreuzungsbereich zum Ausweichen anschließt. Die Sicherung der Stelle wird von einem Fahrdienstleiter in Weiz übernommen, der per Telefon die Freigabe für einen der beiden Lokführer gibt, während der andere zu warten hat. Im vorliegenden Fall hätte der Zug Richtung Peggau offenbar in der Haltestelle Waldstein bleiben müssen.
Die Unfallstelle befand sich direkt neben der Pyhrnautobahn (A9), einige Kilometer südlich des Gleinalmtunnels. Im Einsatz standen die ÖAMTC-Notarzthubschrauber Christophorus 12 (nicht 9, wie ursprünglich berichtet) und 16 sowie ein Helikopter des Innenministeriums und mehrere Rettungsfahrzeuge des Roten Kreuzes. Zwölf Feuerwehren mit rund 150 Einsatzkräften waren an Ort und Stelle. Die Freiwilligen Feuerwehren begannen gegen Mittag gemeinsam mit der Berufsfeuerwehr Graz mit den Bergungsarbeiten an den Triebwagengarnituren.
Die Steiermärkischen Landesbahnen
Die Steiermärkischen Landesbahnen (STLB) wurden 1890 als Verwaltung mehrerer steirischer Regionalbahnen gegründet. Heute betreibt das Unternehmen auf seinen eigenen Strecken Personen- und Güterverkehr. Das Streckennetz der fünf Linien hat eine Gesamtlänge von 124 Kilometern.
77 Kilometer entfallen auf 760-mm-Schmalspur- und 47 Kilometer auf Normalspurstrecken (1.435-mm-Spurweite). Außerdem besitzen die STLB die Eisenbahnverkehrskonzession für die steirische Ostbahn von Graz nach Mogersdorf an der Staatsgrenze.
Die STLB haben sich nach eigenen Angaben in den vergangenen Jahren von einem Regionalbahnbetreiber zu einem Mobilitätsdienstleister entwickelt. “Wir unterhalten Buslinien und bieten im In- und Ausland, unterstützt von einem eigenen Reisebüro, Busreisen an”, so das Unternehmen. Weiters manage man den gesamten Containerumschlag sowie den Eisenbahnbetrieb im Güterterminal Graz Süd/Werndorf und organisiere in Zusammenarbeit mit der Tochterfirma Steiermarkbahn Transport und Logistik GmbH Ganzzugverkehr im EU-Raum.