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Wo Grauvieh auf das Ochsenherz trifft

Simon Vetter führt den Vetterhof mit frischen Ideen in die Zukunft.
Simon Vetter führt den Vetterhof mit frischen Ideen in die Zukunft. ©Edith Rhomberg
Simon Vetter setzt auf dem Vetterhof auf Bioproduktion und Selbstvermarktung.
Simon Vetter

Lustenau. Genau da, wo Harry Sally traf, bei „Katz’s“ in New York, traf er auf die Delikatesse Pastrami. Für einen, der seinen Beruf als Experimentierfeld bezeichnet, „wo du dich austoben kannst“, kam sofort die Idee, das zu Hause selbst auszuprobieren. Mit Erfolg, wie sich herausstellte. Seither macht Bauer Simon Vetter den zarten Schinken aus Rinderbrust, dessen Rezept ursprünglich ukrainische Auswanderer in die USA gebracht hatten, im Vetterhof im Alberried. Pastrami, heiß geräuchert über Buchenholz, ist also endlich auch in Lustenau zu haben.

Die beste Zutat dafür kommt von seinen Rindern. Im Stall hält er 60 Stück Vieh – original Braune, Grauvieh und eine Kreuzung aus Simentaler und dem französischen Aubrac. „Das Vieh, das zum guten Leben nur Gras und Heu, Wasser und Salz braucht, ist unverzichtbar für den kompletten, gut funktionierenden Kreislauf des Biohofs. Des Düngers wegen“, erklärt der Fachmann. Die Milchproduktion hingegen ist bei ihm auf dem Hof kein Thema. Schweine gibt es jedes Jahr nur zwölf bis 15. Sie bekommen die Gemüseabfälle. Und ausgeschossene Zucchini, so es überhaupt welche gibt, landen bei dankbaren Abnehmern im Futtertrog. Die Schlachtpartie, ein Fixpunkt im Jahreslauf des Hofes und über den Newsletter angekündigt, ist schnell ausgebucht.

Esst mehr Gemüse

Das Coeur de Boeuf, das Rinderherz, gibt es auch als Gemüse, bei Vetter allerdings nicht im Winter. Alles zu seiner Zeit, saisonbedingt eben, denn geheizt wird nicht in den Gewächshäusern. Das „Ochsenherz“ ist eine von 50 Tomatensorten, die Vetter in seinem Sortiment hat. Die große Fleischtomate ist übrigens Simons Lieblingssorte, und er kann es kaum erwarten, sie wieder zu ernten und frisch auf dem Teller zu haben, wie er zugibt. Seine 50 Sorten seien geradezu verschwindend wenig, verglichen mit den 3000 Sorten von Erich Stekovics, dem „Kaiser der Paradeiser im Burgenland“, wie er schmunzelnd anmerkt. Die Vielfalt zu erhalten, bezeichnet der Lustenauer als „absolut notwendig“. Mit Romantik habe das rein gar nichts zu tun. Er denkt da für mehrere Generationen voraus, und zum Flaschenhals-Effekt, wo viele Sorten auf nur wenige heruntergebrochen und übrigbleiben würden, dürfe es nicht kommen. Die Böden, auf denen seine zahlreichen Gemüsesorten im Alberried und Heidensand angebaut werden, benennt er als „Blackbox“. Damit meint er die überaus komplexe Zusammensetzung der Erde auf den Feldern, die bis dato nicht gänzlich zu verstehen und auch nicht nachbaubar sei.

Der Anbau von Gemüse, von Aubergine bis Zucchini, über Ingwer bis zu Knoblauch, hat für Vetter traditionell einen hohen Stellenwert. Die Direktvermarktung funktioniert über den Hofladen und seit etwa neun Jahren mit der Gemüsekiste, die wöchentlich an 700 private Abnehmer geliefert wird. Wir sagen aber nicht einfach „Esst mehr Gemüse“, wir sagen auch, wie die verschiedenen Sorten zubereitet werden können. Denn als Bringschuld versteht der Vater des sechsmonatigen Ignaz die Rezepte, die seine Kunden mit der Gemüselieferung bekommen, und die für eine schmackhafte Vielfalt in den heimischen Küchen sorgen. Mut für Neues, heißt die Devise. Allein für Fenchel hat er zwanzig verschiedene Zubereitungsarten parat. Namhafte Betriebe der Gastronomie zählen ebenfalls zum Kundenkreis des Lieferanten von Biogemüse und Biofleisch.

Das Alberried

Simons Geschichte, der in Wien Bodenkultur studierte, ist untrennbar verbunden mit dem Vetterhof, den seine Eltern Annemarie und Hubert Vetter aufgebaut haben. Anfang der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts standen die Chancen nicht gut für die Landwirte im Rheintal und darüber hinaus. Mit dem Beitritt Österreichs zur EU kam der radikale Umbruch. „Es blieb kein Stein auf dem anderen in der hiesigen Landwirtschaft. Der Hof der Familie am Standort Fischerbühel war nicht mehr zukunftsfähig“, weiß der 33-Jährige. „Meine Eltern hatten die Wahl, entweder aufzuhören, auszuwandern – manche Landwirte gingen von hier aus nach Kanada – oder den Aussiedlerhof zu bauen“, erzählt er. Letzteres taten sie, und dass die Pläne für den Vetterhof im Alberried von Roland Gnaiger stammen, ist, wie so oft, einem Zufall zu verdanken. „Meine Mutter kam mit dem Architekten ins Gespräch anlässlich seines 40. Geburtstages, wo sie gemeinsam mit anderen Bauersfrauen das Catering machte“. Annemarie Vetter arbeitet im Team von etwa neun Mitarbeitern voll auf dem Hof mit, während Hubert Vetter, als Biobauer einst Pionier, die Verantwortung gänzlich an seinen Sohn abgegeben hat. Noch wichtiger als Neues aus New York ist die langjährige Erfahrung des Vaters für ihn, wie Simon betont.

 

Simon Vetter, geb. 22.1.1984 in Lustenau
Aufgewachsen mit fünf Geschwistern
Studium an der Universität für Bodenkultur Wien
Auslandsaufenthalte: Ein Jahr Zivildienst in Sierra Leone, drei Monate als Woofer in Kanada
Beruf: Bauer
Familie: Partnerin Katharina und Sohn Ignaz

Hofladen Vetterhof
Alberried 14, Lustenau
Geöffnet jeden Freitag von 9 bis 18 Uhr
www.vetterhof.at

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