Doch dazu ist sie längst nicht mehr in der Lage. Auch ihr sind die Probleme schließlich über den Kopf gewachsen.
Am deutlichsten wird die Ohnmacht bei der Sozialdemokratie: Vor allem sie hat den Anspruch, sich darum zu kümmern, dass es allen gut geht. In den fetten Jahren hat sie sich damit leicht getan. Doch Geld verteilen ist schwer geworden. Auch die SPÖ muss das eingestehen. Sie mag zwar noch über Milliarden für Jobs im öffentlichen Sektor und Millionen für Inserate in diversen Boulevardzeitungen verfügen. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Krise längst auch in der Bundeshauptstadt angekommen ist.
Wer in der Privatwirtschaft beschäftigt ist, muss immer öfter zittern: Droht die Kündigung? Die Arbeitslosenquote ist seit der letzten Gemeinderatswahl um mehr als die Hälfte auf 13 Prozent gestiegen. Zurzeit sind 120.234 Schicksale damit verbunden. Männer und Frauen, die schauen müssen, wie sie über die Runden kommen und daher keine größeren Pläne mehr schmieden können. Viele sind auf die Sozialhilfe angewiesen, andere sehen sich genötigt, betteln zu gehen.
Und über alledem wabert dann auch noch die Währungskrise: Der Euro ist butterweich. Das macht Auslandsurlaube ebenso teuer, wie extrem niedrige Zinsen Ersparnisse in Milliardenhöhe vernichten. Mit anderen Worten: Das Vertrauen in das, was über jeden Zweifel erhaben sein sollte, ist ramponiert. Womit auch eine Grundfeste weggebrochen ist, die der Gesellschaft wenigstens ein bisschen Stabilität geben müsste. Zumal es auch sonst schon drunter und drüber geht und jetzt auch noch Tausende Flüchtlinge daherkommen, die Hilfe brauchen.
All das bewegt die Leute. Und natürlich können sie es (bei weitem) nicht allein den Stadtpolitikern anlasten. Aber sie werden es tun: Urnengänge haben schließlich auch so etwas wie eine Blitzableiter-Funktion: „Was hat Rot-Grün getan, damit es mir besser geht?“ fragt sich der eine. Und ob ein neuer Radweg oder eine großzügige Fußgängerzone einen Einfluss auf die Antwort haben, sei angesichts der sonstigen Probleme dahingestellt. Viele kleine Maßnahmen, die bestehende Arbeitsplätze sichern und neue schaffen, wären in diesem Zusammenhang jedenfalls sinnvoller gewesen. Jetzt geht’s schließlich nicht ums Wohlfühlen, sondern um die Existenz.
Wie auch immer: „Können’s ÖVP oder NEOS besser?“, sinniert ein anderer Wähler. Und der dritte denkt nicht weiter nach, sondern wählt die Partei, die sich darauf beschränkt, Sündenböcke für all die Miseren zu kreieren; die FPÖ also. So einfach ist das. Und zugleich so tragisch.
Johannes Huber betreibt den Blog johanneshuber.me zur österreichischen Politik.