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WINWIN - Kritik zum Film

Geld ist in unserer Gesellschaft sinnstiftend geworden. "Dem stellen wir uns entgegen", sagt Daniel Hoesl. Hatte der österreichische Indieregisseur mit seiner in Rotterdam ausgezeichneten Punkparabel "Soldate Jeannette" den Wert des Geldes infrage gestellt, zeigt er mit der Satire "WINWIN" dessen Macht.

Und liefert die traurige Gewissheit, dass der Kapitalismus am Ende gewinnt. Ab Freitag im Kino.

WINWIN – Die Geschichte

Mit größtmöglichem Getöse werden die drei weit gereisten Investoren Nicolas Lachman (Christoph Dostal), Frances Sandberg (Stephanie Cumming) und Bernard Efferant (Jeff Ricketts) in Wien empfangen. Sie sind gekommen, um eine angeschlagene Holding zum Spottpreis zu erwerben und zu zerschlagen. Aufhalten wird sie keiner. Denn Firmeninhaber und Gewerkschaften vertrauen ihnen, Politiker hofieren und Medien belagern sie. Obdachlose werden von ihnen sprichwörtlich von der Straße aufgelesen, in Anzüge gesteckt und als neue Pseudo-Vorstände eingesetzt. Und weil sie ohnehin keine Buchhaltung haben, bleibt eine Hausdurchsuchung erfolglos und verfolgt der Staatsanwalt einen anonymen Hinweis nicht weiter.

Die “Win-win-Situation”, die von ihnen wiederholt versprochen wird, hinterlässt am Ende freilich nur Verlierer. “Sie machen es einem zu einfach”, sagt Lachman fast enttäuscht. Nicht mal die superreichen Blender selbst können glauben, dass sie mit all dem durchkommen.

WINWIN – Die Kritik

“WINWIN” illustriert eine wohl alltägliche Praxis mit einer klaren Bildsprache und szenisch überspitzt. In Close-ups geben die drei Investoren ihre Heilsversprechen Richtung Kamera ab, jonglieren in Stehsätzen mit Fachbegriffen. Wie unbedeutend es ist, was sie von sich geben, zeigen ins Absurde überhöhte Szenen, in denen sie ihrem Gegenüber im Kükenkostüm oder mit Clownnase begegnen. Russische Ikonen-Malereien einerseits und im Fernsehen predigende Politiker andererseits hätten Hoesl dazu inspiriert: “Was ein Investor sagt, wird zur Wahrheit, weil er über solche Macht verfügt.”

Die Texte seien Gesprächen mit Milliardären und Fondsmanagern entnommen, erzählte Hoesl bei der Österreichpremiere von “WINWIN” bei der Diagonale vor wenigen Wochen. Christoph Dostal, Jeff Ricketts und Stephanie Cumming geben diese Worthülsen wunderbar kontrolliert wider, halten beherrscht den Blickkontakt mit uns, dem Publikum – und ziehen uns so alle mit in die Verantwortung. “Die Hypo können wir uns auf die Fahnen schreiben”, weiß Hoesl, würden für die Gier von Investoren und die Inszenierung von Politikern als “weiße Ritter” doch am Ende ohnehin wir Steuerzahler draufzahlen.

Wie schon “Soldate Jeannette” ist “WINWIN” als Produktion des Non-Profit-Vereins “European Film Conspiracy” ohne Drehbuch direkt am Set entstanden – mit einem abermals verhältnismäßig geringem Budget von 217.000 Euro, wobei Hoesl diesmal Förderungen erhielt und seine Crew zumindest mit einem Tagessatz “im niedrigen zweistelligen Bereich” bezahlen konnte. Gastauftritte gibt es u.a. von Vienna-Film-Commission-Leiterin Marijana Stoisits, Filmemacher Markus Schleinzer oder dem ehemaligen Grünen-Kultursprecher Klaus Werner-Lobo. Johanna Orsini-Rosenberg, Hauptdarstellerin aus “Soldate Jeannette”, hat als korrupte Ministerin Rolles mit Faible für Lachmans zitronenfarbene Designhandtasche und Leitmotto “Voran, voran!” einige Glanzmomente.

Die künstlich anmutende Welt von “WINWIN” ist ausschließlich in Grundfarben getaucht, es fehlt an Mustern und Wärme. Man kann sich kaum sattsehen an der Ausstattung, den Design-Locations (gedreht wurde u.a. im Wiener Sofitel und in einem Luxus-Privatjet) und statischen Kameraeinstellungen. Eines der stärksten Bilder ist auch zum Plakatsujet geworden: In einem Hochhaus mit Blick über Wien haben die Geld scheffelnden Investoren ein ganzes Stockwerk angemietet – nur, um auf Segways Slalom durch gelbe Gummibälle zu fahren. Bei der Diagonale gab es höchst verdient Auszeichnungen für Kameramann Gerald Kerkletz und Szenenbildnerin Laura Weiss.

Hoesl ist gelungen, ein komplexes Thema satirisch aufzuarbeiten und minimalistisch zu drehen. Er weiß, dass sein Film “nicht jedermann und jederfrau” gefallen wird, “aber er betrifft uns alle”. Man muss die szenische Überspitzung mögen, sich auf die fragmentierte Erzählung einlassen. Dann bleibt ein eigenwilliger Reiz, eine Rätselhaftigkeit, die einen schmunzelnd zurücklässt und im besten Falle zum Nachdenken anregt.

(APA)

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