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Wieviel Sex ist erträglich?

Nymph()maniac provoziert schon im Vorfeld mit eindeutigen Bildern und „Orgasmusgesichtern“ der Darsteller auf dem Filmplakat.
Nymph()maniac provoziert schon im Vorfeld mit eindeutigen Bildern und „Orgasmusgesichtern“ der Darsteller auf dem Filmplakat.
„Nymphomaniac“ startet morgen in den Kinos. Der vermeintliche Skandalfilm polarisiert.
Lars von Trier gefeiert
Nymphomaniac als Trailer-Tipp
Premiere von Nymphomaniac

Der vorab viel diskutierte Film von Meisterregisseur Lars von Trier schildert in zwei Teilen wild und poetisch die erotische Lebensreise einer Frau – von der Kindheit bis zum Alter von etwa 50 Jahren. Die Reaktionen auf den Film könnten nicht unterschiedlicher sein. Applaus und Ablehnung halten sich die Waage. Wo ist die Grenze zwischen Erotik und Pornografie zu ziehen? Von Trier wagt eine vielschichtige Gratwanderung und behandelt das Tabuthema Sexsucht inmitten kultureller Vorgaben und freud‘scher Triebe. Schauspieler Stellan Skarsgard sagte in einem Interview: „Der Film ist keine Pornografie. Er zeigt typisches menschliches Verhalten mit Körperteilen, die man normalerweise nicht zu sehen bekommt.“

Sexsucht ist eine Krankheit

Der Psychologe Martin Weckenmann aus Höchst erklärt: „Der Film spielt mit menschlichen Trieben, die besonders was Sexualität angeht, kulturell tabu sind.“ Zentrales Thema des Films ist die Sexsucht der Hauptfigur Joe (Charlotte Gainsbourg). Pornografie setze sich nicht mit den Gefühlen der Figuren auseinander, was ein abgeflachtes Bild von Sexualität suggeriere: „Das ist auch der Grund, weshalb Pornodarsteller dem Vernehmen nach so eindeutig zwischen Arbeit und Vergnügen unterscheiden können.“ Dennoch warnt der Psychologe, dass Sexsucht eine ernstzunehmende Krankheit sei. „Betroffene Personen leiden unter einem inneren Druck, Sex haben zu müssen, Gefühle sind nicht dabei. In einer Beziehung ist häufiger Sex durchaus gesund, aber diese Menschen haben keinen Spaß am Sex und sogar oft ein schlechtes Gewissen deswegen. Das führt unweigerlich zu Problemen mit dem Partner und in der Familie, oft sogar zur Scheidung bzw. Trennung.“

Das Spiel mit dem Tabu

Die Auseinandersetzung eines Meisters wie Lars von Trier mit der Thematik biete die Möglichkeit für einen besonderen Einblick. „Obwohl Sex in unserer modernen Gesellschaft allgegenwärtig ist, wird über die eigene Sexualität wenig oder nur oberflächlich gesprochen“, erläutert der Psychologe. „Intelligente Filme rücken das ins Bewusstsein und lösen eine gewisse Selbstreflexion aus, was in der abgeflachten Welt der Pornofilme nicht der Fall ist.“ Besonders wichtig sei dabei die Ernsthaftigkeit, mit der sich Lars von Trier des Themas annehme.

Porno vs. Erotik

Im Kino spielt besonders bei Erotikszenen die Fantasie der Zuseher eine große Rolle. „Eine wichtige Komponente von Erotik spielt sich nur im Kopf ab. Durch Leerstellen, die mit eigener Vorstellungskraft ausgefüllt werden, wird das Erlebnis wirksamer, weil auch die Gefühlswelt angesprochen wird“, sagt Weckenmann. Pornografie spreche diese Ebene des sexuellen Erlebens nicht an. Nymph()maniac hingegen könne das durch die Charakterentwicklung der einzelnen Figuren schaffen. Lars von Triers Film ist eine sowohl stilistisch als auch inhaltlich nuancierte Analyse des Phänomens der Nymphomanie. „Im Gegensatz zu den oberflächlichen und provokanten Herangehensweise von z.B. ,Feuchtgebiete‘, erwarte ich von Lars von Trier eine faccettenreichere Auseinandersetzung mit dem Thema Sex(-sucht). Um die ganze Bandbreite und Symbolik zu begreifen, muss man sich den Film sicher mehr als einmal ansehen“, ist sich Weckenmann sicher.

3 Fragen an Peter Pienz vom Metro-Kino Bregenz

Warum läuft Nymphomaniac im Ländle vor-erst nur im Metro Kino?

„Der Film läuft in 25 Kinos in ganz Österreich. Wir versuchen im Metro Kino,  die Filme der besonderen Art zu zeigen. Nymph()maniac gehört da bestimmt dazu. Hier arbeiten wir auch eng mit dem Filmforum Bregenz zusammen, das den Film im April auch im eigenen Programm zeigen wird. Ich glaube, der Film von Lars von Trier ist zu wenig oberflächlich und daher nicht wirklich für das Mainstream-Kino geeignet. Die Publikumswirksamkeit eines solchen Art-Films und das entsprechende Interesse sind in Groß- bzw. Universitätsstädten sicher anders als im Ländle.”

Ist Nympomaniac ein Porno?

„Für einen Porno ist er sicher zu hochwertig gemacht, auch die Starbesetzung und von Triers bisheriges Werk sprechen dagegen. Bei ihm weiß man nie genau, was auf einen zukommt. Es ist aber typisch für ihn, dass er sich auf seine ganz eigene Art filmisch mit einem schwierigen Thema auseinandersetzt.”

Was für Reaktionen sind zu erwarten?

„Wie der Film bei den Zusehern ankommt, bleibt abzuwarten. Die Tatsache, dass es sich um einen Starregisseur wie Lars von Trier und nicht minder bekannte Schauspieler handelt, steht der doch weniger massentauglichen Thematik gegenüber. Natürlich spricht er ein spezielles Publikum an und viele werden sich nicht trauen, ihn im Kino anzusehen. Diese schwierige Kost wird bestimmt für einiges an Gesprächsstoff sorgen.”

 

 

 

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