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Wiens größtes Filmfestival widmet sich dem New Queer Cinema

"La Vie d'Adele - Chapitres 1 et 2" (Blau ist eine warme Farbe) von Abdellatif Kechiche wird auf der Viennale gezeigt
"La Vie d'Adele - Chapitres 1 et 2" (Blau ist eine warme Farbe) von Abdellatif Kechiche wird auf der Viennale gezeigt ©VIENNALE
Das lesBiSchwule Kino hat unter dem Mantel der Viennale inzwischen seinen festen Platz in Wien erobert. Auch in diesem Jahr sind ein paar Filme mit dabei.
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Anfangs noch ein inhaltlich unabhängiges, aber finanziell integriertes Special des Festivals, wuchs das “identities” bald aus dem Filmevent heraus und erfreut seither alle zwei Jahre im Juni sein Publikum mit den Highlights des New Queer Cinema. Für die Viennale unter Hans Hurch ist das aber offenbar noch lange kein Grund, deshalb auf Werke mit dezidiert homosexueller Thematik zu verzichten. Ganz im Gegenteil: Die rosa-lila Seite des Festivals strahlt heuer mit fünf prominenten Filmen so bunt wie schon lange nicht mehr.

New Queer Cinema auf der Viennale

Zuvorderst sei an dieser Stelle “La Vie d’Adele – Chapitres 1 et 2” (Blau ist eine warme Farbe) von Abdellatif Kechiche genannt. Der Tunesier, der in Cannes die Goldene Palme für den Besten Film mit nach Hause nehmen durfte, erzählt in drei Stunden sprunghaft und mit vielen expliziten Sexszenen vom Leben eines Mädchens auf der Suche nach seinem Begehren. Als die 15-jährige Adele eine junge Frau mit blauen Haaren kennenlernt, stellt sie erstmals infrage, ob wirklich ausschließlich Buben und Mädchen füreinander bestimmt sind. Es ist der Beginn einer großen Liebesgeschichte über eineinhalb Jahrzehnte, für die sich Kechiche an der Graphic Novel “Le bleu est une couleur chaude” von Julie Maroh orientiert hat. (3.11., 20.30 Uhr und 4.11., 11 Uhr, Gartenbaukino)

Ebenfalls in Cannes wurde “L’Inconnu du lac” (Der Fremde am See) von Alain Guiraudie geehrt – und zwar für die beste Regie in der Section “Un Certain Regard”. Sein Psychothriller ist ein rohes Stück Kino, das aber durchaus nicht grobschlächtig daherkommt, sondern den hedonistischen Lebensstil einer cruisenden Männergruppe an einem sommerlichen Badesee mit den dunklen Trieben des Tötens verbindet. Während sich die Männer am See sonnen und im dahinterliegenden Wäldchen miteinander vergnügen, freundet sich Franck mit dem wohlgenährten Henri an und verliebt sich in Michel. Seine Anziehung bremst auch nicht, dass er sieht, wie dieser seinen alten Liebhaber ertränkt. “L’Inconnu du lac” hat nichts von der kultivierten Tristesse einer großbürgerlichen Pariser Wohnung, sondern zeigt en detail Körperlichkeit und psychische Abhängigkeit in bisweilen provozierend langen Einstellungen. Bei allen Orgasmen und symbolistischen Psychostudien vergisst der Regisseur allerdings nie das Augenzwinkern. (4.11., 21 Uhr, Gartenbaukino und 6.11., 13.30 Uhr, Urania – jeweils in Anwesenheit von Alain Guiraudie)

Die rosa-lila Seiten des Festivals

Humorvoll, wenn auch dunkel schattiert, geht es in “Vic+Flo ont vu un ours” (Vic und Flo haben einen Bären gesehen) des Kanadiers Denis Cote zu. Der Filmemacher hat wieder einmal ein Werk geschaffen, das sich jeglicher Genreeinordnung dadurch entzieht, dass es sich in jedem Genre bewegt: Victoria und Florence haben sich über zehn Jahre eine Gefängniszelle geteilt. Nach ihrer Entlassung ziehen sie in eine Waldhütte, um sich auf die neugewonnene Freiheit einzustellen. Dabei stehen sie unter Dauerbeobachtung ihres unorthodoxen Bewährungshelfers Guillaume, und ein schelmischer Gast bringt etwas Horrorstimmung mit sich. Cote hält sein Werk in flirrender Sommerlichkeit und sexuelle Identitäten ebenso in der Schwebe wie die narrative Richtung seines Films. (heute, 28.10., 18 Uhr, Gartenbaukino und 30.10., 23.30 Uhr, Urania – jeweils in Anwesenheit von Denis Cote und Hauptdarstellerin Romane Bohringer)

Überraschungen und Tabubrüche, in diesem Fall nicht aus dem frankofonen Bereich, sind auch das Spezialgebiet von Bruce LaBruce, was er mit seinem neuesten Werk “Gerontophilia” wieder unter Beweis stellt. Nach den Untoten-Sexexzessen in “L.A. Zombie” legt der Kanadier nun zwar eine überraschend zurückgenommene Romanze vor. Die spielt sich allerdings zwischen dem jungen Lake, der im Pflegeheim jobbt, und einem der Insassen ab. Als Lake feststellt, dass die Patienten zwecks einfacherer Pflege sediert werden, entführt er seinen Lieblingsschützling kurzerhand. In einem Motel erleben die beiden eine zärtliche, durchaus körperliche Liebe – was Lakes Mutter allerdings auf die Palme bringt. LaBruce zeigt sich in “Gerontophilia” für seine Verhältnisse überraschend subtil, komisch und romantisch. (2.11., 23 Uhr, Gartenbaukino und 3.11., 16.30 Uhr, Urania)

Viennale 2013 in Wien

Mit gleich zweifachem Augenzwinkern schildert der deutsche Regisseur Axel Ranisch zu guter Letzt in “Ich fühl mich Disco” die Coming-of-Age- und Coming-Out-Geschichte seines Helden, der wie auch schon in seinem bisherigen Oeuvre deutlich autobiografische Züge aufweist. Der Rosa-von-Praunheim-Schüler begleitet das Leben seiner Hauptfigur Flori für einige Wochen. Der hat den sinnfälligen Spruch “Dicke Kinder kann man weniger leicht entführen” an der Wand hängen und ein innig spielerisches Verhältnis zu seiner Mutter Monika, bis diese durch einen Schlaganfall ins Koma fällt. In Folge dessen muss sich Flori mit seinem Vater auseinandersetzen, mit dem er bis dato im Dauerclinch lag. Dass er sich auch noch in den hübschen Turmspringer Radu verliebt und der mittlerweile bemühte Papa das Ganze verschlimmbessert, hilft dabei nicht gerade. Das witzige kleine Familiendrama packt Ranisch in einen Glitterkranz surrealer Momente, in denen der Schlagerstar Christian Steiffen eine zentrale Rolle spielt und die dem Streifen einen verrückten Charme verleihen. (29.10., 18.30 Uhr, Urania und 1.11., 23 Uhr, Kino am Schwarzenbergplatz – in Anwesenheit von Axel Ranisch)

Alle Informationen rund um die Viennale finden Sie hier.

(APA)

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