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Wiener Zeithistoriker störte Vortrag: Prozess um angeblichen Kinnhaken

Einem Zeithistoriker wird eine gewaltsame Entgleisung vorgeworfen
Einem Zeithistoriker wird eine gewaltsame Entgleisung vorgeworfen ©Bilderbox (Sujet)
Im Wiener Straflandesgericht hat am Montag ein ungewöhnlicher Prozess stattgefunden. Im Zusammenhang mit einer Veranstaltung des Vorarlberger Alpenvereins hatte sich der Wiener Zeithistoriker Rainer Amstädter wegen versuchter Körperverletzung zu verantworten.

Der Wissenschafter war am 22. Februar 2013 in die Gemeinde Thüringen im Großen Walsertal gereist, wo die Wander-Ausstellung “Bergauf – 150 Jahre Alpenverein” eröffnet wurde.

Erst Zwischenrufe – dann Tätlichkeiten

Weil sich dabei die Festrednerin seiner Meinung nach zu wenig eingehend mit dem Thema Nationalsozialismus auseinandersetzte, machte Armstädter mit Zwischenrufen auf sich aufmerksam, was tumultartige Szenen ausgelöst haben dürfte. Amstädter soll an deren Höhepunkt mittels eines Kinnhakens und einer Ohrfeige in Verletzungsabsicht gegen zwei Männer vorgegangen sein.

Er habe zunächst einmal die Rede der Vortragenden nicht gestört, sondern “ergänzt”, betonte Amstädter einleitend vor Richter Christian Böhm. Amstädter beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit den Verwicklungen des Alpenvereins während der NS-Zeit. In seinem 1996 erschienenen Band “Der Alpinismus” hat er der mitunter wenig schmeichelhaften Rolle einiger Funktionäre und bestimmter Sektionen unter Adolf Hitler ein eigenes Kapitel gewidmet.

Rainer Amstädter vs. Alpenverein

Er werde wegen seiner publizistischen Arbeit vom Alpenverein “seit 17 Jahren totgeschwiegen und verleumdet”, behauptete der 61 Jahre alte Wissenschafter im Grauen Haus. Als er der Festrednerin ins Wort fiel (“Sie hat wesentliche Zusammenhänge ausgelassen”), sei er sogleich von einigen im Auditorium “erkannt” worden: “Die waren völlig wutentbrannt, dass ich dort gewesen bin”.

Zwei Männer – der Thüringer Bürgermeister Harald Witwer und der Geschäftsführer des Vorarlberger Alpenvereins, Rainer Schlattinger – hätten ihn dann “mit beidseitigen Schulterstößen aus dem Raum getrieben”. Die beiden hätten auf ihn “wie Bodyguards” gewirkt: “Sie haben mich körperlich attackiert.” Witwer habe ihn derart heftig an der Schulter gepackt, “dass ich ihn im Affekt, um mich zu wehren, mit den Außenfingern am Gesicht erwischt habe”.

Folgenreiche Aggressionen – angeblich auch Kinnhaken

Für Verteidigerin Katrin Ehrbar handelte es sich dabei “um eine Tachtel, wie man bei uns in der Steiermark sagt”. Er habe dabei gewiss keine böse Absicht gehabt, versicherte ihr Mandant. Er habe lediglich “aus der Schlagdistanz dieses Mannes herauskommen” wollen, der “ein hohes Aggressionspotenzial” aufgewiesen hätte.

Danach habe ihn Schlattinger (“Noch dazu ein Bergführer-Kollege von mir!”) “weiter in den nächsten Raum verfolgt und attackiert”, gab Amstädter zu Protokoll. Er stellte entschieden in Abrede, diesem – wie inkriminiert – einen Kinnhaken verpasst zu haben. Er habe sich “nicht mehr gewehrt”, obwohl “diese Leute” ihn “zum Schweigen” hätten bringen wollen.

Prozess in Wien vertagt

Nach der Beschuldigteneinvernahme wurde die Verhandlung auf Mitte Dezember vertagt. Beim nächsten Termin sollen sämtliche infrage kommenden Zeugen gehört werden, die der Richter im Wege einer Videokonferenz mit dem Landesgericht Feldkirch befragen möchte.

(apa/red)

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