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Wiener Volkstheater: Saison 2016/17 unter dem Motto "Zusammenhalt"

Das Volkstheater bietet in der Saison 2016/17 wieder viele Highlights.
Das Volkstheater bietet in der Saison 2016/17 wieder viele Highlights. ©APA (Sujet)
Die Saison 2016/17 am Wiener Volkstheater stellt Anna Badora mit 20 Produktionen, darunter neun Uraufführungen, unter das Motto von Gemeinschaft und Zusammenhalt. "Wir haben uns viel vorgenommen", versicherte die Direktorin.

“Wir haben sehr viel auf den Weg gebracht, manches haben wir abgeschlossen, manches ist im Werden, manches befindet sich vor uns – wie die Generalrenovierung”, so die Direktorin, die es “ein Langzeitprojekt” nannte, das Volkstheater “zu einem Ort zu machen, in dem gesellschaftlicher Diskurs stattfindet”. Bereits in der ersten Saison hätten gewählte Stücke und Vorgangsweisen polarisiert, und Besucher wie Kritiker gezwungen, Haltung zu beziehen.

Saisoneröffnung am Wiener Volkstheater

Das soll so weitergehen. Eröffnet wird zweite Spielzeit am 9. September im Haupthaus mit der Bühnenfassung von Katherine Anne Porters Roman “Das Narrenschiff”, der durch Stanley Kramers Verfilmung mit Oskar Werner, Vivien Leigh und Simone Signoret berühmt wurde. Das Buch erzählt von der Fahrt eines Passagierdampfers von Vera Cruz nach Bremerhaven, kurz ehe die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht übernehmen. “Das ist ein großer Theaterstoff, wie wir finden”, sagte Dramaturg Roland Koberg. Dusan David Parizek inszeniert.

Auch mit der Übernahme von Yael Ronens “Niemandsland” aus Graz, einer “Medea”-Inszenierung der Intendantin, Elfriede Jelineks “Rechnitz (Der Würgeengel)” in der Regie des jungen Serben Milos Lolic, Nikolaus Habjans Inszenierung von Gotthold Ephraim Lessings “Nathan der Weise” für Puppen und Menschen oder der zweiten Regiearbeit des Vorarlbergers Philipp Preuss am Volkstheater, Ödön von Horvaths “Kasimir und Karoline”, sollen virulente heutige Themen von Krise, Fremdheit und Toleranz behandelt werden. Victor Bodo, der ebenfalls zum zweiten Mal am Haus inszeniert, nimmt E. T. A. Hoffmanns Märchen “Klein Zaches” “zur Spielvorlage, um den grotesken Auswirkungen eines autoritären Obrigkeitsstaates künstlerisch nachzuforschen” (so die Ankündigung im Spielzeitbuch).

Fokus auf Mobilisierung des Publikums

“Wichtiger Bestandteil unserer Arbeit ist die Mobilisierung des Publikums”, sagte der kaufmännische Direktor Cay Stefan Urbanek. Hier scheint noch einiges zu tun. Über alle Spielstätten liege die Auslastung derzeit bei “etwas unter 70 Prozent”, im Detail “zwischen 67 und 69 Prozent”. Urbanek nannte dies zufriedenstellend. “Ich mache mir keine Sorgen, dass das umkippt.” Der Eigenmittelanteil sei in Vergangenheit bei “etwas unter 25 Prozent” gelegen, durch die Erhöhung der Subventionen um je 200.000 Euro (nunmehr gibt der Bund 5,1 Mio., die Stadt Wien 7,4 Mio. Euro jährlich) sinke dieser Anteil: “Das ist reine Mathematik.”

Bei den Kartenerlösen und bei der Zuschaueranzahl liege man im Vergleich unter dem Vorjahr, was aber auch auf das durch den Einbau einer Tribüne um 120 Sitze reduzierte Platzangebot zurückzuführen sei. “Die laufende Saison ist ein Investment. Ziel und Auftrag der Geschäftsführung ist im Durchschnitt ein ausgeglichenes Ergebnis. Das ist in der Vergangenheit geglückt und wird auch in Zukunft glücken”, sagte Urbanek. “Wirtschaftlich ist alles in dem Korridor, in dem ich angetreten bin, um dieses Haus zu führen.”

Auch Badora meinte: “Es ist extrem schwierig, das Publikum bereits in der ersten Spielzeit zu gewinnen.” Sie habe das auch am Schauspielhaus Graz, das sie erfolgreich leitete, nicht erlebt. Wie sich die Abonnentenzahlen gestalteten, wisse man erst Ende Juni.

“Superheldinnen” und “Der Trafikant”

“Extrem erfolgreich” habe das “Junge Volkstheater” in der laufenden Saison agiert, zeigte sich Direktorin Anna Badora stolz. Mehr als 350 Veranstaltungen habe es in den vergangenen neun Monaten gegeben. In der nächsten Spielzeit werde die Vernetzung in der Stadt mit 13 unterschiedliche Kooperationspartner aus den verschiedenen Bereichen vorangetrieben, sagte Sparten-Leiterin Constance Cauers.Wien. Cauers wird gemeinsam mit Malte Andritter in einer “theatralen Feldforschung” die österreichische Identität(en) im 21. Jahrhundert erforschen. “Die Summe der einzelnen Teile” soll im April 2017 im Volx/Margareten Premiere haben. “Eine solche Spielstätte ist unverzichtbar. Es gibt viele Formate, die sich nicht für die Hauptbühne eignen”, sagte Badora. Unter den sechs weiteren Stücken, die im ehemaligen “Hundsturm” des Hauses zu sehen sein werden, findet sich “Hose Fahrrad Frau”, eine personenreiche Uraufführung des oberösterreichischen Autors Stefan Wipplinger, für die mit dem Reinhardt-Seminar kooperiert wird, aber auch das Andersen-Märchen “Das Mädchen mit den Schwefelhölzchen” in einer choreografisch-musikalischen Inszenierung der Schweizerin Salome Schneebeli.

Barbi Markovics Roman “Superheldinnen” wird erstmals auf die Bühne gebracht. Die auf kommende Saison verschobene Uraufführung des ersten Dramas von Thomas Glavinic “Mugshots” kommt nun in der Regie des Autors (Dramaturg Roland Koberg: “Ihm schwebt so eine theatrale Abrechnung mit dem Gutmenschentum vor, wie er sie kürzlich auch persönlich getätigt hat.”) nur ins Volx/Margareten, nicht aber in die Bezirkstournee, die Badora “besonders am Herzen” liegt: “Das ist ein Erbe, das es zu bewahren gilt, und eine Hypothek, die in die Zukunft weist. Es geht um Bewahrung und Erneuerung gleichermaßen.”

Patenschaftsprogramm für junges Publikum

Dem in den vergangenen Monaten festgestellten erhöhten Gesprächsbedarf der Bezirks-Abonnenten werde man Rechnung tragen. In der gebotenen Genre- und Stoffvielfalt finde sich nicht nur eine Dramatisierung von Robert Seethalers Roman “Der Trafikant” und einer an Elizabeth T. Spira orientierten Schrebergarten-Kulturstudie von Ed. Hauswirth mit “Stella” “in der polygamen Version des jungen Goethe” (Dramaturgin Heike Müller-Merten) auch der “so sehr gewünschte Klassiker”.

Ein Patenschaftsprogramm, bei der bisherige Bezirksabonnenten junges Publikum unter die Fittiche nehmen, soll Bewegung und Begegnung ermöglichen, das angestrebte “Vielvölkertheater” auf der Bühne und im Zuschauerraum sei “ein Langzeitprozess, den wir angestoßen haben”, aber erst Anfangserfolge zeitige, räumte Badora ein. Nicht-deutschsprachiges Theater sei derzeit nur in Festivals wie dem “Bosnisch-Herzegowinischen November” im Volx/Margareten geplant, immerhin gebe es aber bereits erste Vorstellungen mit Übertiteln. Stolz sei sie jedoch auf die “ziemlich vielen Regisseure, die einen Blick von außen auf uns werfen”, wie Lolic, Parizek oder Bodo: “Das ist uns extrem wichtig.”

Uraufführungen am Volkstheater Wien

Wichtig ist dem Volkstheater auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte, die u.a. mit der Uraufführung von “Alles Walzer, alles brennt. Untergangsrevue” geleistet wird, bei der Regisseurin Christine Eder und Musikerin Gustav “von der ‘Proletenpassion’ eine Rolle rückwärts um ein paar Jahrzehnte machen” und in die letzten Tage der Donaumonarchie und die ersten Tage der jungen Republik entführen, wie Koberg erläuterte. “Doderers Dämonen” werden in einigen Folgen und schließlich im Justizpalast gebannt, “Der Fall Borodajkewycz” wird in einer szenischen Lesung thematisiert.

Als “Extra”, das im Jänner 2017 vorerst zweimal gezeigt wird, wurde die Uraufführung von “Traiskirchen. Das Musical”, eines “grotesken Spektakels” des Kollektivs Die Schweigende Mehrheit unter der Regie von Tina Leisch und Bernhard Dechant, angekündigt.

“Gewaltige Kraft auf allen Ebenen”

Auf die Schließung der Werkstätten und einen seitens der SP-Gewerkschafter beim Wiener Landesparteitag der SPÖ eingebrachten und dort angenommenen kritischen Antrag zur Situation im Volkstheater angesprochen, redete sich Anna Badora in Rage. “Die Beurteilung unserer künstlerischen Qualität überlasse ich Ihnen und nicht der Gewerkschaft”, sagte sie zu den Journalisten. “Ich finde diese ganze Diskussion ungeheuerlich.”

Sie habe “noch nie so eine gewaltige Kraft gespürt, auf allen Ebenen, die abblockt, wenn man überhaupt an Überlegungen geht, etwas zu verändern”. Die Devise “Augen zu und Kopf in den Sand” sei “ein beliebtes Spiel und bequemer” als die Zukunft ins Auge fassen. Niemandem mache es Spaß, Leute auf die Straße zu setzen, es gehe aber auch um Erhöhung der Flexibilität der Arbeitsabläufe. Dramaturg Koberg fand “etwas daran auch positiv: Man kann jetzt nicht mehr sagen, das Volkstheater sei ein Gewerkschaftstheater.”

(apa/red)

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