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Wiener Burgtheater-Direktorin Bergmann kündigt 22 Premieren für letzte Saison an

Karin Bergmann begeht ihre letzte Saison am Wiener Burgtheater.
Karin Bergmann begeht ihre letzte Saison am Wiener Burgtheater. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Karin Bergmann steht vor ihrer letzten Saison als Direktorin des Wiener Burgtheaters. Ihre Funktion übergibt sie mit Ende der Saison 2018/19 an Martin Kusej. Sie kündigte 22 Premieren, darunter sieben Ur- und Erstaufführungen für das Burgtheater an.
Fotos von der PK mit Bergmann

“Ich bin heute ziemlich stolz auf das, was uns gelungen ist”, sagte Bergmann bei ihrer fünften und letzten Spielplanpressekonferenz. “Ich habe alles eingelöst, was ich am Anfang komplett waghalsig versprochen habe, als man mich gefragt hat: Wo bleiben die großen Stoffe? Wo bleibt der neue Jedermann?” Doch ihre künstlerische Bilanz werde sie erst in einem Jahr ziehen, denn “ich glaube, wir können da noch einiges in die Waagschale werfen. Fünf Jahre sind aber keine Ära, ich werde also am Ende kein dickes Buch vorlegen”, meinte sie. Sie habe aber hochgerechnet, dass sie in ihrer Direktionszeit gesamt 78,5 Prozent Auslastung und 1,5 Millionen Besucher erreicht haben werde.

Bergmann übernahm Burgtheater-Führung von Hartmann

In Erinnerung an ihren Sprung ins kalte Wasser nach der Entlassung von Matthias Hartmann sagte sie in Richtung ihres Nachfolgers: “Es ist unabdingbar, dass jemand eine Vorbereitungszeit von zwei Jahren hat. Ich bin in zarten Gesprächen, dass das eine oder andere, das in der kommenden Saison neu kommt, vielleicht meine Direktion überleben kann.” Sie sei aber “überzeugt, dass sich das Publikum in erster Linie für gutes Theater und erst dann für Direktionswechsel interessiert”.

Unter den großen Namen, die von Claus Peymann (er inszeniert Ionescos “Die Stühle”) und Johan Simons (er realisiert Büchners “Woyzeck”) über Michael Thalheimer (er bringt Horvaths “Glaube Liebe Hoffnung” auf die Bühne) und Andrea Breth (sie widmet sich Gerhart Hauptmanns “Die Ratten”) bis zu Simon Stone reichen (er versetzt die “Medea” des Euripides in die Gegenwart und mischt sie mit einer realen Geschichte), finden sich auch zwei prominente Entertainer, die einander einige Male in der kommenden Spielzeit auf der Bühne des Burgtheaters begegnen sollen: Harald Schmidt und Michael Niavarani. Für den österreichischen Unterhaltungs-Profi, der am Sonntag seinen 50er feiert, hat es sich offenbar ausgezahlt, der Burgtheaterdirektorin bei ihrer Nestroy-Gala-Moderation ebenso kurzfristig wie hoch professionell zur Seite gesprungen zu sein. “Ich freue mich sehr auf die Begegnung der beiden”, sagte Bergmann und stapelte tief: “Ich denke, damit ist die Zeit der für den Theaterbetrieb unerlässlichen Schließtage gut genutzt.”

Vier Uraufführungen am Burgtheater

Vier Uraufführungen finden sich am Spielplan. Neben “Zu der Zeit der Königinmutter”, dem ersten deutschsprachigen Stück des im Kongo geborenen und in Graz lebenden Schriftstellers Fiston Mwanza Mujila (“Tram 83”), sind dies die Dramatisierung von Clemens J. Setz’ Roman “Indigo” durch Jan Bosse, das Projekt “Das Zelt” von Herbert Fritsch, das im April im Burgtheater eine Art “vorgezogene Abschiedsfeier” werden soll, sowie im Mai als letzte Premiere im Akademietheater ein neues Stück von René Pollesch.

Das verwendete Zitat aus Svolikovas Stück “europa flieht nach europa”, angekündigt als “akuter wie zeitloser Text über Europa, in dem sich Exzess- und Gewaltbilder zu einem grellen ‘karneval der wirklichkeit’ vermischen”, schien der Burgtheater-Direktorin “wie die logische Fortsetzung” des im vergangenen Jahr verwendeten Zitats von Ferdinand Schmalz “Es kommt der Augenblick, in dem die Perspektive dreht”. Die Perspektive habe sich seither tatsächlich gedreht, und “die Frage tauchte immer wieder auf: Wo bleiben die Stimmen der Künstler, gibt es keinen Protest, keinen Widerstand?” Das österreichische Nationaltheater sei im Eigentum der Republik. “Wer ist die Republik? Das sind für mich die Wählerinnen und Wähler dieses Landes. Damit haben wir eine komplett andere Situation als im Jahr 2000.” Sie persönlich habe “eine klare politische Meinung, die verordne ich aber niemandem, auch nicht auf der Bühne.” Die Fragen, auf die man Abend für Abend auf der Bühne hinweise, seien kompliziert und die Antworten komplex.

Bergmann könnte Burgtheater aus finanziellem Schlamassel retten

Auch finanziell hat sich die Perspektive gedreht: “Seit dem Jahresabschluss 2017 sind wir schuldenfrei”, sagte der kaufmännische Direktor Thomas Königstorfer. “Im Sommer 2013 waren es 6 Mio. Euro Schulden bei der Bank. Heute gibt es eine ähnliche Zahl auf unserem Bankkonto, nur das Minus davor ist weg.” Man habe nicht nur von Maßnahmen des Bundestheaterkonzerns profitiert und selbst gespart, sondern auch bei den Erträgen und Erlösen stark zugelegt. 9,4 Mio. Euro Ticketeinnahmen in der vergangenen Saison seien ebenso Rekord wie der Eigendeckungsgrad von 25 Prozent. Derzeit liege das Burgtheater stabil bei 77 Prozent Saison-Auslastung und um 4.000 Besucher über dem entsprechenden Vorjahreswert zu diesem Zeitpunkt.

In dem “Spielplan, der alles andere als ein Auslaufspielplan oder ein Übergangsspielplan oder eine Sparspielzeit ist” (Bergmann) finden sich neben Projekten wie der Dramatisierung des Romans “Mephisto” von Klaus Mann (mit Nicholas Ofczarek als Hendrik Höfgen) und dem Burg-Regiedebüt von Nikolaus Habjan (er inszeniert am Akademietheater Schwabs “Volksvernichtung”) auch einige spannende Projekte zum laufenden Gedenkjahr. Josef Haslinger schreibt auf Bergmanns Bitten an einem Text über Karl Renner, eine Matinee zum Republik-Geburtstag ist ebenso geplant wie zu den Novemberpogromen.

APA/Red.

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