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Wien: Großer Jubel nach "Otello"-Premiere

Große Begeisterung bei der "Otello"-Premiere in Wien.
Große Begeisterung bei der "Otello"-Premiere in Wien. ©APA/Georg Hochmuth
Die adaptierte Version des Shakespeare-Werks wird vom Wiener Publikum gefeiert. Das Motto heißt: Gesellschaftsanalyse statt Eifersuchtsdrama.

Gesellschaftsanalyse statt Eifersuchtsdrama: Gioachino Rossinis freie Shakespeare-Bearbeitung “Otello” wird von Damiano Michieletto im Theater an der Wien zeitgemäß-zeitlos als Paradestück über die Angst vor dem Fremden inszeniert. Am Ende der Premiere am Freitag stand großer Jubel für das Ensemble um eine herausragende Nino Machaidze und Zustimmung für ein zurückhaltendes, stimmiges Regiekonzept.

Rossinis “Otello” verschwand nach anfänglichen Erfolgen durch das Erscheinen der dominanten Verdi-Fassung von den Spielplänen – was nicht zuletzt an dem für heutige Ohren ungewohnten Kontrast des dramatischen Stoffes der Opera seria mit der letztlich beinahe im Buffostil gehaltenen Belcanto-Musik liegen dürfte. Diesem Umstand versucht Michieletto mit einer psychologischen Ausdeutung entgegenzuwirken.

Otello als neureicher Araber

Er positioniert Otello als Araber, nicht als Schwarzen, bedient dabei aber nicht die scheinbar naheliegende Flüchtlingsassoziation, sondern eher die des neureichen Golfstaaten-Angehörigen, der im Westen ebenso umworben wie gefürchtet und verachtet wird. Dieser Otello kommt in die familiären Strukturen der venezianischen Oberschicht – die Michieletto während der Ouvertüre zunächst mittels Untertitel auf einer Gazewand vorstellt.

Wenn das Familientableau angerichtet ist, rückt die Angst vor dem Fremden, die Verachtung des Anderen in den Fokus. Dabei dienen ein Bankettsaal und das davorliegende Herrenzimmer als Spielorte in gediegen-wohlhabendem Ambiente, die mittels Farbtönungen zu psychologischen Räumen erweitert werden.

Nicht alle Handlungsstränge wie etwa die homoerotische Anziehung zwischen Rodrigo und Jago verfolgt der Regisseur bis in letzter Konsequenz, jedoch nimmt der 40-Jährige das Stück als Drama ernst – was den Kontrast zur für unterschiedliche Stimmungen nahezu unempfänglichen Musik umso deutlicher werden lässt.

Überragendes Ensemble

Auf diesem Wege folgte ihm das herausragende Ensemble mit Nino Machaidze an der Spitze. Die Georgierin sang ihre Desdemona mit berührender Wärme und Tiefe, gepaart mit hoher Beweglichkeit, was die beste Voraussetzung für Duette mit dem einstigen Jungen-Ensemble-Star Gaia Petrone darstellt.

Dem ungewöhnlichen Umstand, dass alle drei zentralen Männerrollen für Tenor geschrieben sind, wird im Theater an der Wien mit der sinnigen Entscheidung begegnet, drei deutlich differenzierte Stimmcharaktere zu verpflichten. John Osborns dunkler gefärbtes Timbre als Otello stellt einen reizvollen Kontrast zu Maxim Mironovs lyrisch-leichtem Tenor als Widersacher Rodrigo dar, was ebenso für Vladimir Mitruks tiefen Tenor als intriganter Jago gilt.

Der Weißrusse – wie Petrone einstmals Mitglied des Jungen Ensembles – hat die Rolle des kriecherischen Quälgeists über, verkommt über den Abend hinweg allerdings schauspielerisch immer mehr zur Knallcharge, zum grimassierenden Bösewicht in Holzhammermanier. Da tut es gut, dass Michieletto stellenweise auch mit dem Rossini-Flow mitgeht und, wenn sich der Komponist in seinem ornamental ausgeschmückten Rankwerk bis zum Stillstand verheddert, auch das Geschehen auf der Bühne erstarren lässt.

(APA, Red.)

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