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Wien darf nicht Athen werden

gastkommentar von Johannes Huber zum Thema Griechenland.
gastkommentar von Johannes Huber zum Thema Griechenland. ©EPA
Gastkommentar von Johannes Huber: Die Lebensqualität in der Bundeshauptstadt ist alles in allem sensationell. Ein bisschen ist das auch der rot-grünen Gemeindepolitik zu verdanken. Sie muss daneben aber auch ein Riesenproblem mitverantworten: Die Verschuldung ist in den letzten Jahren extrem stark gestiegen. Darüber können auch kosmetische Tricks nicht hinwegtäuschen.

Als Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) vor wenigen Tagen den Rechnungsabschluss 2014 präsentierte, sagte sie Dinge, die bemerkenswerterweise kaum jemanden weiter störten. Der Schuldenstand habe sich auf 4,893 Milliarden Euro erhöht, beispielsweise. Oder: „Die kritische Grenze wäre mehr als das Zehnfache.“ Die Botschaft: Alles nur halb so schlimm!

In Wahrheit ist Brauner nicht mit soliden Verhältnissen konfrontiert, sondern mit einem Riesenproblem; auch wenn sie darüber hinwegtäuschen möchte. Erstens: Sie spricht nur von den unmittelbaren Schulden der Stadt. Der Rechnungshof hat diese Darstellung bereits zu Jahresbeginn kritisiert. Zu berücksichtigen wären demnach auch die Verbindlichkeiten ausgelagerter Einrichtungen wie „Wien Kanal“, Krankenanstaltenverbund und „Wiener Wohnen“. Werden sie miteingerechnet, ergibt sich eine Gesamtsumme, die bereits 2012 um mehr als drei Milliarden Euro höher gewesen wäre bzw. über sieben Milliarden Euro betragen hätte (aktuellere Zahlen hat der Rechnungshof nicht vorgelegt).

Zweitens: Brauner behauptet, dass sich Wien zehnmal so hohe Schulden leisten könnte. Die Schuldenquote betrage schließlich „nur“ 5,9 Prozent des Bruttoregionalprodukts. Diese Darstellung kann nur Sprachlosigkeit hervorrufen. Entweder ist sie ernst gemeint; dann ist sie bewusst irreführend. Oder Brauner übersieht etwas: Würde Wien allein die zulässigen 60 Prozent ausschöpfen, hätten wir griechische Verhältnisse. In Summe erreichen Bund, Länder und Gemeinden nämlich schon heute deutlich mehr als 80 Prozent.

Drittens: Wären die Verbindlichkeiten eingegangen worden, um den Standort Wien zu stärken, wäre das noch vertretbar. In Wahrheit ist es jedoch zu einer Schwächung gekommen. Gab es Mitte 2010 88.276 Arbeitslose, so sind es derzeit 122.007. Das ist ein (leider) einmalig starker Anstieg.

Der schludrige Umgang mit Steuergeld und Zahlen im Rathaus ist freilich bezeichnend. Zitat aus dem Rechnungshofbericht über den schwindelerregenden Schuldenanstieg: „Eine Konsolidierungs­strategie mit konkreten haushaltspolitischen Zielsetzungen und quantitativen Vorgaben zur Reduktion der Schuldenquote lag dennoch nicht vor. Eine tragfähige Mittelfristplanung konnte ebenfalls nicht vorgelegt werden.“ Anders ausgedrückt: Die Planlosigkeit könnte größer nicht sein.

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