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Wie die SPÖ verschwindet

©APA/HERBERT P. OCZERET
Gastkommentar von Johannes Huber. Es ist fünf nach zwölf. Und daher sieht sich Michael Ludwig gezwungen, z.B. mit dem Alkoholverbot am Praterstern freiheitliche Ideen abzukupfern.

Der sozialdemokratische Mai-Aufmarsch auf dem Wiener Rathausplatz am kommenden Dienstag droht mehr denn je zu einer traurigen Veranstaltung zu verkommen: Viele Transparente, tragende Worte, aber halt doch nichts im Vergleich zu besseren Zeiten. Kein Wunder: Zumindest nach Wählerstimmen ist längst die FPÖ die Arbeiterpartei schlechthin. Bei der Gemeinderatswahl 2015 erreichte sie in diesem Segment die absolute Mehrheit, während sich die SPÖ mit 31 Prozent begnügen musste (Quelle: SORA).

Auf der Bühne werden diesmal drei Führungspersönlichkeiten stehen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Ex-Kanzler und Bundesparteichef Christian Kern. Noch-Bürgermeister Michael Häupl. Und Bald-Bürgermeister Michael Ludwig. Häupl hat es vor einer halben Ewigkeit aufgegeben, sich darum zu bemühen, die Sozialdemokratie wieder massentauglich zu machen. Kern hat bei der Nationalratswahl durchaus erfolgreich Linksintellektuelle angesprochen; bundesweit kann man damit allerdings nicht gewinnen. Und Ludwig hat erkannt, dass es fünf nach zwölf ist: Er bemüht sich daher gar nicht mehr um einen sozialdemokratischen Kurs.

Was man nachvollziehen kann: Seine Vorgänger haben darin versagt, die Arbeiterschaft in die Globalisierung zu führen. Sie waren die ersten, die ihre bisherigen Jobs verloren und allenfalls noch zu irgendwelchen schlecht bezahlten Mcjobs kamen. Sie sind denn auch die, die sich am meisten vor Zuwanderern fürchten, die ihnen zumindest dem Gefühl nach auch noch diese abspenstig machen könnten. Und sie waren schließlich die, die auf die Flüchtlingskrise am empfindlichsten reagierten.

Die Sozialdemokratie ist bei alledem daneben gestanden und hat die Rechnung dafür längst bekommen: Sehr viele Arbeiter wechselten zur FPÖ und ein paar zur türkisen ÖVP, die beide „Grenzen zu!“, „Keine Zuwanderung ins Sozialsystem“, „Law and Order“ und dergleichen propagieren.

Also versucht Ludwig in seiner Not, es Schwarz-Blau ganz einfach nachzumachen: Wer nach Wien kommt, der soll bei Leistungen wie der Mindestsicherung kürzer treten. An allen Bildungseinrichtungen soll es ein generelles Kopftuchverbot für Kinder und Jugendliche geben, wie seine Vertraute, Partei-Geschäftsführerin Barbara Novak verkündet. Und bereits fixiert ist das Alkoholverbot am Praterstern, das die Freiheitlichen schon seit Jahren gefordert hatten. Exklusiv Sozialdemokratisch ist da nichts mehr.

Johannes Huber betreibt den Blog dieSubstanz.at – Analysen und Hintergründe zur Politik

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