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EU-Gipfel ohne Einigung zu CETA beendet

Juncker warnte vor einem Scheitern
Juncker warnte vor einem Scheitern
Der EU-Gipfel in Brüssel ist am Freitag ohne Einigung zu dem umstrittenen Handelsabkommen EU-Kanada (CETA) beendet worden. Der Sprecher von EU-Ratspräsident Donald Tusk teilte das Ende des Gipfels mit.
Wallonie bleibt bei NEIN
Swoboda ist für CETA
Kern rechtfertigt sich für CETA-Kurs

Zuvor hatte die belgische Region Wallonien ihre Einwände gegen CETA aufrecht gehalten. Die Erwartungen für eine Einigung über das EU-Kanada-Freihandelsabkommen noch in den nächsten Tagen fielen nach dem Europäischen Rat der 28 Staats- und Regierungschefs unterschiedlich aus. EU-Ratspräsident Tusk erklärte, er habe “weitere Bedenken”, dagegen verliert Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker “nicht die Hoffnung”.

Tusk sagte, es werde “schwierig sein, weitere Freihandelsabkommen auszuhandeln, wenn wir nicht nachweisen können, dass das Bürger und Unternehmer schützt”. CETA sei ein Abkommen mit einem guten Partner, Kanada. “Es geht auch um den Ruf der EU”. Juncker ist optimistisch, dass es trotz der Ablehnung der belgischen Region Wallonien eine Lösung geben könne.

Juncker verärgert und sarkastisch

“Ich bin wirklich überrascht und erstaunt, dass wir mit Vietnam ein Handelsabkommen schließen können, gerade was die demokratischen Grundsätze dieses Landes betrifft. Man hört ja weltweit welch großartiges demokratisches Land Vietnam ist. Klar, bei undemokratischen Ländern wie Kanada erhebt natürlich jeder die Stimme”, zeigte sich Juncker verärgert über das anhaltende Nein der Wallonie. Jedenfalls sei “weder gestern noch heute der letzte Tag” für eine Einigung gewesen. “Wenn ich sage, ich hoffe auf eine Einigung in den nächsten Tagen, ist der heutige Tag mit einzurechnen”, so der Kommissionspräsident.

Bei CETA sei es gelungen, mit Rumänien und Bulgarien eine Lösung aufgrund der Visumbeschränkungen zu finden. Diese sieht vor, dass die Visumpflicht gegenüber Kanada für die beiden EU-Staaten ab 1. Dezember 2017 aufgehoben wird.

Tusk meinte, abseits von CETA habe es Fortschritte bei handelspolitischen Schutzinstrumenten gegeben. Wobei es einen “erheblichen Unterschied zwischen Schutz und Protektionismus gibt. Wir sollten aber unsere Interessen schützen.”

Belgischer Premier zeigt sich machtlos

Juncker meinte unter Verweis auf die Probleme der europäischen Stahlindustrie, dass “wir zwar Befürworter des Freihandels sind, aber der Freihandel muss auch fair sein.” Deshalb dürfe die EU nicht auf ihre Schutzinstrumente verzichten, “andere machen das auch nicht”. Derzeit, so Juncker, “verlangen die USA 100 mal mehr Zoll als die Europäer. Wir haben einen Durchschnitt von 21,1 Prozent bei Zöllen, die Amerikaner 270 Prozent. Das gilt insbesondere für Stahl und Flacherzeugnisse. Ich akzeptiere nicht, dass Europa die Waffen fallen lässt, um anderen zu gefallen. Wir haben Interessen der Industrie, die gleichzeitig soziale Interessen sind und die gilt es zu verteidigen”, betonte Juncker.

Der belgische Premierminister Charles Michel zeigte sich angesichts des anhaltenden Widerstands gegen das Freihandelsabkommen CETA in seinem Land machtlos. Ihm bleibe nicht anderes übrig, als die Positionierung des wallonischen Parlaments zu respektieren, machte Michel am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel deutlich. Auch wenn dies dazu führe, dass die aktuelle Situation “äußerst delikat” sei. “Der Ernst der Lage ist mir bewusst”, ergänzte Michel.

Zu den Erfolgsaussichten weiterer Verhandlungen zwischen der wallonischen Regionalregierung sowie Kanada und der EU-Kommission wollte sich der Premierminister nicht äußern. Er hoffe immer noch, dass es möglich sein werde, erhobenen Hauptes aus der Sache herauszukommen, sagte Michel lediglich.

Kanzler ortet schlechte Verfassung der EU

Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) schloss unterdessen nicht aus, dass CETA nach der bisherigen Ablehnung durch Wallonien völlig scheitert, hält dies aber für unrealistisch. Er gehe von einer Einigung bis Montagabend aus, sagte er. Kern sieht die EU-Staats- und Regierungschefs bei CETA nicht vorgeführt, sondern forderte, dass die EU die Lehren zieht. “Es ist evident, dass wir ein großes Problem haben.” Wenn die Politik nicht erklärt werde und einen breiten Konsens suche, “werden wir scheitern”. Die Diskussion um CETA sei verbunden mit dem Brexit, dem Aufstieg von FN-Chefin Marine Le Pen in Frankreich, der deutschen AfD und der Freiheitlichen in Österreich. “Wer das ignoriert, schadet Europa.”

“Es ist auch ein Zeichen dafür, dass Europa in einer schlechten Verfassung ist”, sagte Kern. “Die Probleme nach der letzten Erweiterungsrunde holen uns jetzt ein. Man hat damals verabsäumt, klare Regeln für die Führung und die Entscheidungsmechanismen aufzusetzen. Heute sehen wir die Auswirkungen dieser Versäumnisse.”

Zur Diskussion um Anti-Dumping-Zölle in Hinblick auf China kritisierte Kern, die EU bemühe sich zwar um lange Präambeln bei CETA, akzeptiere aber chinesische Stahlimporte, die nichts mit den europäischen Nachhaltigkeits- Umwelt- und Sozialstandards zu tun hätten. Einige Länder erachteten dies dennoch für positiv für ihre Industrien, “ich halte dies für ganz und gar inakzeptabel”, so Kern. Der Kanzler erwartet, dass die EU dennoch bis Dezember diese Frage klären kann. Allein im heurigen Jahr seien in der europäischen Stahlindustrie 40.000 Jobs verloren gegangen.

Kern schließt TTIP-Zustimmung aus

Eine Zustimmung Österreichs zu dem umstrittenen EU-US-Freihandelsabkommen TTIP schloss Kern aus. Er habe beim EU-Gipfel betont und protokollarisch festgehalten, dass auf Basis der Verhandlungsergebnisse und des bestehenden Mandats “für Österreich eine Zustimmung nicht denkbar” sei, sagte Kern am Freitag nach Ende des Gipfels in Brüssel.

Es sei jetzt der Zeitpunkt, um eine Revision über die EU-Handelspolitik voranzutreiben, sagte der Kanzler. “Was ich nicht mehr möchte, ist, dass wir wie bei CETA in eine Situation kommen, dass wir erst zu einem sehr späten Zeitpunkt die Grundsatzfragen klären.” Beim EU-Gipfel seien die “Auffassungsunterschiede aufeinandergeprallt”. Ein ursprünglicher Formulierungsentwurf für einen geplanten Abschluss von TTIP sei abgeschwächt worden, so dass nunmehr der Prozess und die Diskussionen weitergeführt würden.

Global 2000 jubelt über Nicht-Einigung

Österreich wolle eine Absicherung des Vorsorgeprinzips und sicherstellen, dass es keinerlei Einschränkungen bei der Regulierung öffentlicher Dienstleistungen gebe, sagte Kern. Eine Regulierungszusammenarbeit dürfe es so wie beim EU-Kanada-Handelsabkommen CETA nur auf freiwilliger Basis geben, damit Umwelt-, Sozial- und Nachhaltigkeitsstandards nicht ausgehebelt würden. Außerdem sei die Weiterentwicklung der Investitionsschutzgerichte entscheidend. Es müsse sichergestellt werden, dass europäische und österreichische Investoren nicht schlechter als amerikanische behandelt werden und die österreichische Gesetzeslage und Gerichtspraxis heranzuziehen sei.

“Merci Wallonie” jubelte am Freitag die Umweltschutzorganisation Global 2000 über die von den Wallonen erreichte Nicht-Einigung beim heutigen EU-Gipfel zum Freihandelsabkommen CETA. Michel Reimon, Europaabgeordneter der Grünen, ätzte gegen Bundeskanzler Kern: “Im Gegensatz zu Österreichs Bundeskanzler ist Walloniens Ministerpräsident Paul Magnette nicht umgefallen.” Die globalisierungskritische Organisation Attac sprach von einem “Ergebnis der Ignoranz der EU-Kommission gegenüber berechtigter Kritik”.

 

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