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Weiter Streit über Schließung von Mittelmeerroute -Skepsis in Brüssel

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos wies die Forderungen von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) indirekt zurück.
EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos wies die Forderungen von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) indirekt zurück. ©AFP
Der innenpolitische Streit um eine mögliche Schließung der Mittelmeerroute ist auch am Dienstag weitergegangen. Erstmals gab es auch eine Reaktion aus Brüssel. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos wies die Forderungen von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) indirekt zurück. Die Lage sei nicht mit der Balkanroute vergleichbar, sagte er. Mehrere Experten äußerten sich ebenfalls skeptisch.
Van der Bellen weist Kurz in die Schranken

Er verstehe die Sensitivitäten Österreichs und zähle weiter auf die Unterstützung Österreichs, sagte Avramopoulos in Brüssel. Die Flüchtlingszahlen über die Mittelmeerroute könnten über den Sommer zwar steigen, die EU sei aber heute besser vorbereitet als noch vor zwei Jahren, so der EU-Kommissar. So habe das Training der libyschen Küstenwache bereits begonnen, und die EU habe begonnen, die Ursachen für die Migrationsströme in Afrika anzugehen. Außerdem sei es gelungen, Schmuggler-Netzwerke zu zerstören.

Van der Bellen gegen Schließung der Mittelmeerroute

Bundespräsident Alexander Van der Bellen wollte im Streit zwischen Kurz und Kanzler Christian Kern (SPÖ) zwar nicht Partei ergreifen, machte aber deutlich, dass er die Schließung der Mittelmeerroute bzw. die Rückstellung aufgegriffener Flüchtlinge nach Nordafrika für nicht leicht umsetzbar hält. “Wünschen kann ich mir viel”, war am Montagabend sein Kommentar in der “ZiB2”. Sinnvoller wäre es, wenn man die Migrationsursachen in den Herkunftsländern untersuche und versuche, mit diesen Regierungen Maßnahmen zu ergreifen, um die Abwanderung zu stoppen, meinte Van der Bellen.

Platter: EU muss Schließung auf Agenda nehmen

Für Kurz in die Bresche sprangen am Dienstag die ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger, Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), sowie die dem Außenministerium unterstellte Agentur für Entwicklungszusammenarbeit. Köstinger forderte Kern auf, nicht von der “zwischen den Ministern Doskozil, Sobotka und Kurz” vereinbarten Linie zur Schließung der Mittelmeerroute abzuweichen.

Platter wiederum verlangte, dass die EU-Kommission die Schließung der Mittelmeerroute auf ihre Agenda nehmen solle. Dafür brauche es eine koordinierte EU-Mission, so der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz gegenüber der APA: “Europa darf nicht selbst zum Schlepper werden und Leben von Flüchtlingen aufs Spiel setzen”.

Der Geschäftsführer der Austrian Development Agency (ADA), Martin Ledolter, stellte sich ebenfalls hinter den Kurz-Plan. Nötig sei “die ausreichende Versorgung von Menschen auf der Flucht bereits an den Außengrenzen der EU und noch bevor sie in ein Boot steigen, die Einrichtung von Asylzentren in sicheren Drittstaaten und natürlich mehr Hilfe vor Ort, um Perspektiven zu schaffen”, so Ledolter in einer Stellungnahme. Er verwies darauf, dass die Auslandskatastrophenfonds vervierfacht und die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit bis 2021 verdoppelt werde, wodurch die Hilfe vor Ort auch in Ländern wie zum Beispiel dem Irak ausgebaut werden könne.

Strache: “Marketing-Gag”

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kritisierte sowohl Kurz als auch Kern. Der Verdacht liege “sehr nahe, dass eine Schließung der Mittelmeerroute lediglich ein Marketing-Gag ist und den Weg dafür öffnen soll, aus illegalen Migranten legale zu machen sowie den Nationalstaaten das Asylwesen als Kompetenz zu entziehen. Die Schließung der Mittelmeerroute wäre in dieser Form ein trojanisches Pferd für unsere Bevölkerung”, so Strache. Asyl solle es nur mehr “auf dem Kontinent, von dem die Migranten stammen” geben.

“An diesem Plan ist alles unrealistisch”

Mehrere Experten äußerten sich unterdessen skeptisch über die Forderung des Außenministers, im Mittelmeer gerettete Flüchtlinge in Auffangzentren in Nordafrika zu bringen, wo sie keine Asylantrag stellen dürfen sondern in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden. “An diesem Plan ist alles unrealistisch”, erklärte der Gerald Knaus, Leiter des Think Tanks “Europäische Stabilitätsinitiative” (ESI), gegenüber dem “Standard” (Dienstagsausgabe).

Die nordafrikanischen Staaten seien weder willens noch in der Lage, für die EU die angedachten Auffanglager zu unterhalten. “Man kann nicht so tun, als könnte die EU Leute nach Nordafrika zurückschicken, wenn keines der betroffenen Länder dazu bereit ist – es handelt sich zum Glück um keine Kolonien mehr, die man zwingen könnte”, so der “Vater” des EU-Türkei-Flüchtlingsdeals. Auch die Rückführung in die Heimatländer hält Knaus für eine Illusion: “Wie aber soll ein nordafrikanischer Staat etwas schaffen, was Ländern wie Deutschland, Österreich oder Schweden nicht gelingt?”

Der Migrationsexperte Belachew Gebrewold von der Universität Innsbruck forderte regionale Schutzzentren für Flüchtlinge in ganz Afrika in der Nähe von Konfliktgebieten.

(APA/Red.)

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